Bob stand auf. Die Bewegung tat ihm nicht mehr weh als vorher. Er ging zu seinem Fahrrad, und mit einem Blick wurde ihm klar, was passiert sein mußte.
Der Reifen des Vorderrades war bis zum Felgenrand zerschnitten; sonst war das Rad in Ordnung.
„Jemand hat in Achsenhöhe einen Draht über die Straße gespannt“, folgerte er. „Nachdem ich gegen den Draht gefahren und gestürzt war, hat er den Draht wieder entfernt und mich aufgespießt — vielleicht auch in umgekehrter Reihe nfolge. Das Wie scheint also klar. Aber ich verstehe nicht, warum jemand das tun sollte. Für Andrés Spaße ist es ein wenig extrem — nicht der Stolperdraht, aber der Grillspieß — findest du nicht auch?“
Der Jäger mußte zus timmen, obwohl auch er an das Kind gedacht hatte.
Sie konnten keine Spuren entdecken, die darauf hinwiesen, wo das Drahtseil befestigt gewesen sein mochte, doch gab es dafür eine ganze Reihe Mö glichkeiten. Der Jäger fragte sich, ob es einem elfjährigen Kind möglich war, alle Spuren so sorgfältig zu verwischen, behielt diesen Gedanken jedoch für sich.
Er konnte zu keinem Ergebnis kommen, außer der Schlußfolgerung, daß irgend jemand sich sehr wenig Gedanken um Bobs Gesundheit machte; dabei war er nicht einmal sicher, ob der Anschlag Bob gegolten hatte, er war vielleicht nur zufällig sein Opfer geworden. Der Jäger war seit über sieben Jahren nicht mehr in seinem Beruf tätig gewesen und begann sich zu fragen, ob sein Wissen einzurosten begann. Er hätte wenigstens etwas wissen müssen.
Gegen den Einspruch seines Partners bestand Bob darauf, sein Fahrrad zum Haus zurückzuschieben und in den Schuppen zu stellen, bevor er zu Seever ging.
„Wenn meine Leute nach Hause kommen, bevor ich zurück bin, und das Fahrrad in diesem Zustand auf der Zufahrt liegen sehen, drehen sie durch“, erklärte er. „Dir macht es sicher nichts aus, mein Herz ein paar Minuten länger abzudichten.“
„Es geht nicht um die Zeit, sondern um den Blutdruck“, sagte der Jäger. „Denke daran, daß ich nicht genug Kraft hatte, um den Grillspieß selbst aus deinem Körper zu drücken.“
„Ich werde langsam gehen“, versprach Bob, und damit mußte sein Partner sich zufrieden geben.
Die Hauptschwierigkeit beim Gehen waren nach wie vor Bobs schmerzende Gelenke. Sie begegneten niemandem unterwegs. Es schien, als ob sämtliche Bewohner der Insel — vielleicht sogar der Übeltäter, der den Stolperdraht gespannt hatte — am Strand waren, um den Unabhängigkeitstag zu feiern. In zehn Tagen, am BastilleTag, würde es genauso sein, da es fast so viele Menschen französischer wie amerikanischer Abstammung auf Ell gab, und diejenigen, die sich ausschließlich oder vorwiegend als Polynesier fühlten, waren immer bereit, jede sich bietende Möglichkeit zum Feiern auszunutzen.
Unglücklicherweise war auch in Seevers Haus niemand, als sie dort eintrafen. Bob benutzte das Telefon; zunächst rief er in der Raffinerie an, um die Leute dort von seinem Unfall zu informieren, dann rief er an einigen Stellen an, wo der Arzt sich aufhalten mochte. Es war durchaus möglich, daß er und seine Familie draußen auf dem Riff waren, wo die Menschen von Ell gerne Picknicks abhielten, doch im Store und in der Bibliothek wollte er es trotzdem versuchen. Von den privaten Häusern der Insel hatte kaum eins Telefon.
Doch bevor er sich mit jemand in Verbindung setzen konnte, der ihm sagen konnte, wo Dr. Seever sich aufhalten mochte, wurde die Tür geöffnet und Jenny trat herein. Weder sie noch Bob fragten:
„Was machst du denn hier?“, doch stand diese Frage deutlich in ihren Gesichtern. Bob und der Jäger hatten angenommen, daß sie draußen in ihrem Suchgebiet wäre, und sie war natürlich überzeugt gewesen, daß Bob arbeitete.
„Wind ist zu stark und landwärts“, beantwortete sie seine unausgesprochene Frage. „Aber schließlich haben wir bis jetzt mit dem Wetter mehr Glück gehabt, als wir es erwarten konnten.“
Bob erklärte seine Anwesenheit, indem er seinen linken Arm hob. Der Jäger hielt das für keine sehr gute Idee, doch das Mädchen hatte so etwas in der Praxis ihres Vaters schon öfter gesehen und reagierte sehr ruhig. Sie warf einen Blick auf den durch die Haut gedrungenen Knochen und sagte dann sachlich: „Du solltest dich setzen oder besser hinlegen. Dad wird sich um die Sache kümmern; ich nehme an, daß der Jäger alles andere in Ordnung gebracht hat.“
„Ich denke schon. Wo ist dein Vater? Ich wollte gerade nach ihm telefonieren.“
„Am Strand, mit einem Eimer Brandsalbe. Feuerwerkstag. Kannst du dich nicht mehr erinnern?“
„Diesen Aspekt habe ich völlig vergessen. Aber selbst mit der Hilfe des Jägers ist der gebrochene Arm sehr lästig. Kannst du ihn herholen oder soll ich zu ihm gehen?“
„Du bleibst hier. Ich hole ihn her.“ Das Mädchen ging hinaus, ohne Zeit für die Frage zu verschwenden, wie er zu der Verletzung gekommen sei. Zehn Minuten später war sie wieder da, mit ihren Eltern und Maeta, die mit den beiden am Strand gewesen war. Erst viel später fanden sie jedoch Zeit, sich die Geschichte von Bob berichten zu lassen.
Der Arzt und der Jäger überlegten, ob man eine Lokalanästhesie verwenden sollte, die den Alien zwingen würde, sich aus Bobs linkem Arm zurückzuziehen, oder es dem Jäger überlassen sollte, die Nerven des linken Unterarms zu blockieren. Die letztere Möglichkeit erschien beiden als die bessere, doch war sich der Jäger nicht sicher, ob er auch die allgemeine Krepitation ausschalten könnte, das Aneinanderreihen der Knochenenden, wenn sie zusammengefügt wurden, die sich durch das ganze Skelett verbreiten würde und unmöglich zu verhindern war. Seever erklärte dem Jäger, daß eine Lokalanästhesie dieses Phänomen auch nicht ausklammern könnte, und daß es besser wäre, wenn der Jäger im linken Arm bliebe, um Blutungen und Infektionen zu bekämpfen. Seever würde sein bestes tun, um das Aneinanderreihen der Knochen zu verhindern.
Der Jäger stimmte dem Vorschlag zu. Bob mußte als Kommunikationsrelais wirken, als sein Gast Seevers bei seinen Manipulationen half. Schließlich aber, als der Arzt den Gipsverband anlegte, konnte Bob den anderen die Geschichte erzählen.
Beide Mädchen dachten sofort an André, zweifelten jedoch auch beide, daß er es wirklich getan haben könnte. Den Stolperdraht würden sie ihm ohne weiteres zugetraut haben, doch der Grillspieß war, wie auch Bob es gesagt hatte, eine andere Sache.
„Du hast den Draht also nicht gesehen, und schon gar nicht den Menschen, der ihn gespannt hat?“
fragte Maeta.
„Nein“, antwortete Bob. „Alles, was ich gesehen habe, war der zerschnittene Reifen, und der Grillspieß, nachdem ich ihn aus meiner Brust gezogen hatte. Der Jäger hat Schritte gehört, als ich noch bewußtlos war, aber gesehen hat auch er nichts.
Auf jeden Fall war es kein Unfall. Jemand wollte mich töten — oder, wie es der Jäger sieht, irgend jemand töten. Vielleicht war es ihm egal, wen er umbrachte.“
„Vielleicht“, sagte Maeta, „aber es war dein Fahrrad, dessen Lenkstange jemand vor der Bibliothek gelockert hat.“ Bob hatte diese Sache gegenüber den anderen niemals erwähnt. Er gab jetzt dieselbe Antwort, die er damals dem Jäger gegeben hatte.
„Sie war nicht gelockert. Sie war in eine etwas andere Stellung gebracht und wieder festgezogen worden.“ Er gab den anderen die notwendigen Details.
„Das war sicher auch kein Zufall“, sagte Mrs.
Seever.
„Richtig. Wenn die Lenkstange locker gewesen wäre, vielleicht. Aber von selbst konnte sie sich nicht in einer anderen Stellung festziehen.“
„Also hat schon damals jemand versucht, dich zu verletzen.“
„Nicht unbedingt. Auf jeden Fall wäre es eine schlechte Methode gewesen. Normalerweise hätte ich nach vorn gesehen, als ich anfuhr, und hätte so unmöglich stürzen können. Wahrscheinlich hat jemand versucht, mich zu ärgern.“
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