»Das habe ich versucht! Es ist genau umgekehrt, verdammt noch mal! Wenn ich Herter dazu bringen könnte aufzuhören, brächte ich die Gateway-Gesellschaft vielleicht dazu, mir wieder die Kontrolle zu überlassen. Inzwischen bringt er alle Leute durcheinander, und ich will, dass das aufhört. Gibt es denn nicht irgendeine Störung, die wir senden könnten?«
Albert zog an seiner Pfeife.
»Ich glaube nicht, Rob«, sagte er schließlich. »Ich habe nicht viel, worauf ich mich stützen kann.«
Das verwunderte mich.
»Du erinnerst dich nicht, wie sich das anfühlt?«
»Robin«, sagte er geduldig, »ich fühle überhaupt nichts. Es ist wichtig für Sie, sich ins Gedächtnis zu rufen, dass ich nur ein Computerprogramm bin. Und eigentlich auch nicht das richtige, um die exakte Natur der Signale zu besprechen, die Mr. Herter aussendet – Ihr psychoanalytisches Programm könnte da dienlicher sein. Von der Analyse her weiß ich, was geschehen ist – ich verfüge über alle Strahlenmessergebnisse. Von der Erfahrung her – nichts. Maschinenintelligenz ist nicht betroffen. Jedes menschliche Wesen hat etwas empfunden, das weiß ich, weil alle Berichte das mitteilen. Es gibt Hinweise darauf, dass Säugetiere mit größerem Gehirn – Primaten, Delphine, Elefanten – ebenfalls gestört worden sind, und vielleicht auch noch andere Säugetiere, obwohl das nicht klar ist. Aber direkt habe ich nichts erlebt. Was die Sendung eines Störprogramms angeht, ja, das könnte vielleicht gemacht werden. Aber was wäre die Wirkung, Robin? Denken Sie daran, dass das Störsignal von einem Ort in der Nähe kommen würde, nicht von einem, der fünfundzwanzig Lichttage entfernt ist. Wenn Mr. Herter Desorientierung erzeugen kann, was würde ein Zufallssignal aus der Nähe bewirken?«
»Es wäre wohl schlimm.«
»Klare Sache, Robin. Vermutlich schlimmer, als Sie denken, aber ohne Versuche kann ich das nicht sagen. Die Versuchskandidaten müssten Menschen sein, und solche Versuche kann ich nicht durchführen.«
Über meine Schulter sagte Essie stolz: »Ja, genau das kannst du nicht, und wer weiß das besser als ich?« Sie war lautlos hinter mir hereingekommen, barfuß auf dem dicken Teppich. Sie trug einen bis zum Boden reichenden Mantel und hatte einen Turban um ihr Haar gewickelt.
»Essie, was, zum Teufel, machst du auf den Beinen?«, fragte ich scharf.
»Mein Bett ist allzu langweilig geworden«, sagte sie und knetete mit den Fingern mein Ohr, »vor allem, wenn man allein darin liegt. Hast du für heute Abend Pläne, Robin? Wenn ich eingeladen werde, möchte ich das deine mit dir teilen.«
»Aber …«, sagte ich, und: »Essie …« Und was ich noch sagen wollte, war entweder: Das sollst du doch noch nicht! Oder: Nicht vor dem Computer!
Sie gab mir keine Gelegenheit, mich zu entscheiden. Sie beugte sich vor, um ihre Wange an die meine zu drücken, vielleicht, damit ich fühlen konnte, wie rund und voll sie wieder geworden war.
»Robin«, sagte sie heiter, »es geht mir viel besser, als du glaubst. Du kannst die Ärztin fragen, wenn du willst. Sie wird dir sagen, wie schnell alles geheilt ist.« Sie drehte den Kopf, um mich rasch zu küssen, und fügte hinzu: »Ich habe in den nächsten Stunden eigene Dinge zu erledigen. Bitte, unterhalte dich bis dahin weiter mit deinem Programm. Ich bin sicher, dass Albert dir viele interessante Dinge zu erzählen hat, nicht wahr, Albert?«
»Klare Sache, Mrs. Broadhead«, bestätigte das Programm, fröhlich an der Pfeife saugend.
»Also, dann ist es entschieden.« Sie tätschelte meine Wange und wandte sich ab, und ich muss sagen, dass sie ganz und gar nicht krank wirkte, als sie zu ihrem Zimmer zurückging. Der Mantel war nicht eng, umschloss aber ihren Körper, und die Kontur war ein durchaus angenehmer Anblick. Ich konnte nicht glauben, dass die dicken Verbände an ihrer ganzen linken Körperseite fort waren, aber sehen konnte ich sie nicht mehr.
Hinter mir hustete mein Wissenschaftsprogramm. Ich drehte mich herum, und Albert paffte seine Pfeife und zwinkerte mir zu.
»Ihre Frau sieht sehr gut aus, Robin«, sagte er mit weisem Nicken.
»Manchmal weiß ich einfach nicht, wie anthropomorph du bist, Albert«, gab ich zurück. »Hm. Was für interessante Dinge hast du mir zu erzählen?«
»Was Sie hören wollen, Robin. Soll ich zum Thema Peter Herter weitersprechen? Es gibt noch andere Möglichkeiten, etwa die Sprengmethode. Das heißt – wenn wir für einen Augenblick die juristischen Komplikationen beiseite lassen –, dass es möglich wäre, dem Schiffscomputer, der als ›Vera‹ bekannt ist, den Befehl zu erteilen, die Treibstofftanks am Orbitalfahrzeug zu sprengen.«
»Du guter Gott! Wir würden den größten Schatz zerstören, den wir je gefunden haben!«
»Klare Sache, Robin, und es ist sogar noch schlimmer. Die Chance, dass eine Explosion die Anlage, die Mr. Herter benutzt, beschädigt, ist ziemlich gering. Er könnte nur wütend werden. Oder dort stranden und solange er lebt, tun, was er will.«
»Hör auf damit! Hast du mir nichts Gutes zu berichten?«
»Eigentlich schon, Robin«, meinte er grinsend. »Wir haben unseren Stein von Rosette gefunden.« Er schrumpfte zu einem winzigen Wirbel farbiger Pünktchen zusammen und verschwand. Als ihn eine leuchtende, spindelförmige Masse von lavendelblauer Farbe im Tank ersetzte, sagte er: »Das ist das Abbild vom Anfang eines Buches.«
»Es ist leer!«
»Ich habe noch nicht angefangen«, erklärte er. Der Umriss war größer als ich und etwa halb so dick wie hoch. Er begann sich vor meinen Augen zu verwandeln; die Farbe wurde dünner, bis ich durch das Gebilde blicken konnte, dann begannen im Inneren ein, zwei, drei Punkte aufzutauchen, Punkte von hellem, rotem Licht, die sich zu einer Spirale drehten. Es gab ein klagendes Schnattern, wie Telemetrie oder das verstärkte Schnüffeln von Krallenaffen. Dann erstarrte das Bild. Der Ton hörte auf. Alberts Stimme sagte: »Ich habe an dieser Stelle aufgehört, Robin. Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei den Tönen um eine Sprache handelt, aber wir haben noch keine semantischen Einheiten herauslösen können. Der ›Text‹ dagegen ist klar. Es gibt von diesen Lichtpunkten hundertsiebenunddreißig Stück. Passen Sie auf, ich lasse von dem Buch noch ein paar Sekunden ablaufen.«
Die Spirale von 137 winzigen Sternen verdoppelte sich. Eine zweite Spule von Punkten hob sich von der ersten ab und schwebte zur Spitze der Spindel hinauf, wo sie lautlos hängenblieb. Das Schnattern begann von neuem, und die erste Spirale dehnte sich, während jeder einzelne Punkt eine eigene Spirale bildete. Am Ende gab es eine einzige große Spirale, bestehend aus 137 kleineren Spiralen, von denen jede aus 137 Punkten bestand. Dann wurde das ganze rote Muster orangerot und erstarrte.
»Wollen Sie das interpretieren, Robin?«, fragte Alberts Stimme.
»Na, so weit kann ich nicht zählen. Aber es sieht aus nach 137 mal 137, nicht?«
»Klare Sache, Robin. 137 im Quadrat ergibt 18 769 Punkte. Passen Sie auf.«
Kurze, grüne Linien zerschnitten die Spirale in zehn Abschnitte. Einer der Abschnitte hob sich ab, fiel zum Fuß der Spindel hinab und wurde wieder dunkelrot.
»Das ist nicht genau ein Zehntel der Zahl, Robin«, sagte Albert. »Wenn Sie nachzählen, befinden sich unten jetzt 1840 Punkte. Ich mache weiter.« Wieder veränderte das Hauptgebilde die Farbe, diesmal zu Gelb. »Achten Sie auf die oberste Figur.« Ich schaute genau hin und sah, dass der erste Punkt orangerot geworden war, der dritte gelb. Dann drehte sich das Gebilde um die Vertikalachse, eine dreidimensionale Säule von Spiralen wirbelte davon, und Albert sagte: »Wir haben jetzt im Hauptgebilde insgesamt 137 kubierte Punkte. Von nun an wird das Zusehen ein bisschen mühselig. Ich lasse das schnell ablaufen.« Das tat er. Muster von Punkten flogen umher und lösten sich voneinander, die Farben wechselten von Gelb zu Avocado, von Avocado zu Grün, von Grün zu Aquamarin, von Aquamarin zu Blau, und so weiter durch das ganze Spektrum, fast zweimal hintereinander. »Sehen Sie jetzt, was wir haben? Drei Nummern, Robin. In der Mitte 137. Unten am Fuß 1840. 137 hoch 18, was etwa so viel ist wie 10 hoch 38 ganz oben. Oder in der Reihenfolge drei dimensionslose Zahlen: die Feinstrukturkonstante, das Verhältnis von Proton zu Elektron und die Anzahl der Partikel im Universum. Robin, Sie haben eben einen Kurzlehrgang in Teilchentheorie von einem Hitschi-Lehrer erhalten.«
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