Wenn das nach einer Wischi-Waschi-Moral klingt, meinetwegen. Lieber soll man mich für oberflächlich halten als für einen Feind neuer Erkenntnisse. Es liegt immer ein gewisses Risiko darin, Entdeckungen zu machen. Aber wir würden noch immer in Höhlen leben und unser Fleisch roh essen, wenn nicht irgendwann während unserer Ahnengeschichte jemand das Risiko eingegangen wäre, sein Gehirn zu benutzen. Der große Unterschied hier besteht darin, daß diese Geräte nicht die Produkte einer langsamen und geduldigen Schufterei von Menschen sind und nicht im Zusammenhang mit der Evolution unserer Kultur entwickelt wurden. Sie regnen ganz plötzlich auf uns herab, als Konfektionsware einer weitaus reiferen und komplexeren Zivilisation. Ob wir in der Lage sind, in diesem Stadium unserer Entwicklung richtig mit ihnen umzugehen, wird sich herausstellen.
Ich wiederhole: Wir haben die Entscheidung nicht zu treffen. Wie Pontius Pilatus in dieser vierundzwanzig Jahrhunderte zurückliegenden Episode, die sich im Nahen Osten abspielte, waschen wir unsere Hände in Unschuld und lehnen jede Verantwortung für das Folgende ab. Es ist unser Beruf, Dinge zu finden, und es ist nicht unsere Sache, wenn sie gefährlich sein können.
Doch obwohl die Menschheit ziemlich verrückt ist, bin ich eigentlich nicht wirklich besorgt. Wenn wir es bis zum Jahre 2376 A. D. nicht fertiggebracht haben, uns selbst zu vernichten, dann geht es wahrscheinlich auch weiterhin bergauf mit uns.
Hoffentlich.
Heute ist der 14. Januar, wir haben Kontakt mit dem Kreuzer aufgenommen. Er wird in Kürze landen und uns aufnehmen. Doch wir können nicht sofort nach McBurneys Stern fliegen; der Kreuzer muß seine festgelegte Route einhalten. Aber er wird uns (und Ludwigs Fähre, die im Huckepackverfahren durch den Ultraraum mitgenommen wird) zum Aldebaransystem bringen, wo wir eine Passage auf einem weiter nach draußen fliegenden Ultraraum-Sternenschiff buchen können, um an unser Ziel zu gelangen.
Das Geld aus der Quecksilbermine wird nicht ausreichen, um all diese Kosten abzudecken. Wir täten besser daran, das nächste Mal einen Berg aus Uran zu entdecken.
Seit ich diesen Nachrichtenwürfel zum letztenmal aus der Hand gelegt habe, sind drei weitere Wochen vergangen. Wir haben jetzt den 8. Februar und gerade einen zweitägigen Zwischenaufenthalt auf Aldebaran IX hinter uns gebracht. Aldebaran ist eine große, rote, ziemlich stattliche Sonne, und sie verfügt über einen ganzen Haufen Planeten, von denen einige besiedelt sind. Wir sind nicht auf eine Rundreise gegangen, um Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Tatsächlich sind wir nicht einmal gelandet. Dr. Schein hat die ganze Sache per Funk erledigt und uns einen Platz an Bord eines in Kürze startenden Ultraraum-Kreuzers beschafft, der uns nach McBurneys Stern bringen wird. Zur Zeit befinden wir uns in Nick Ludwigs Fähre, die in einem Orbit um Aldebaran IX hängt, und warten darauf, daß der Kreuzer zu uns heraufkommt und uns aufnimmt. Nick wird seine kleine Fähre erneut im Huckepackverfahren an den Kreuzer anflanschen, und dann geht’s ab.
Dies ist das erstemal seit unserem Aufbruch von Higby V, daß wir in Reichweite des TP-Kommunikationsnetzes sind. Deshalb hat Dr. Schein einen vollständigen Bericht über unsere Entdeckungen an Zentralgalaxis geschickt. Ich hoffe, alle sind gebührend beeindruckt von den erstaunlichen Neuigkeiten.
Ich wünschte, ich hätte irgendeinen Vorwand finden können, um eine Kopf-zu-Kopf-Verbindung mit dir herzustellen, Lorie. Ich möchte dir so gern ein Hallo durchgeben und dir sagen, was für eine großartige Zeit ich hier verbringe und wie gut es uns allen geht. Aber du weißt ja, daß privates Geplauder via TP unerschwinglich teuer ist, ganz besonders, wenn man die Erde von Aldebaran aus anruft. Meine größte Hoffnung ist, daß du bei deiner Weiterleitungsarbeit einige unserer Nachrichten mitgehört und so ein bißchen davon mitbekommen hast, was wir so machen.
Heute abend brechen wir nach McBurneys Stern auf. Nach den Berechnungen müßten wir unser Ziel gegen Ende des Monats erreichen.
29. Februar
Menschenskind, haargenau pünktlich! Dies ist der letzte Tag des Monats, und hier sind wir, in der Umlaufbahn um den vierten Planeten des McBurney-Systems. Die Besatzung des Ultraraum-Kreuzers läßt sich wie üblich nicht sehen und kommt nicht einmal hervor, um einen kurzen Blick hinauszuwerfen. Das sind wirklich Idioten.
Die Aussicht ist phantastisch. Es wird einem ganz schwindelig dabei, von hier aus auf den Planeten hinunterzublicken, aus einer Höhe von rund zehntausend Kilometern. Man sollte das Untersuchungsteam, das im Jahre 2280 durch dieses System gezischt ist und dabei übersehen hat, was sich dort unten auf McBurney IV befindet, wiedererwecken und allen das Fell über die Ohren ziehen.
Es ist eine vollständige, planetenweite Stadt der Erhabenen. Keine zerfallenen, uralten Überbleibsel, sondern eine prächtige, vollkommen erhaltene und lebendige Stadt. Wir können sich bewegende Fahrzeuge ausmachen, den Bau neuer Gebäude beobachten, Lichter, die an- und wieder ausgehen.
Doch irgendeinen Erhabenen können wir nicht entdecken. Seit wir hier sind, haben wir den Planeten gründlich abgetastet, und Dihn Ruuu hat dabei seine eigenen Abtastgeräte eingesetzt, die unseren überlegen sind. Zusammen mit dem Roboter sind wir zu dem Schluß gekommen, daß McBurney IV von einer Menge Roboter bewohnt ist. Aber wenn sich dort unten irgendwelche Mirt Korp Ahm aufhalten, dann sind sie von hier aus nicht zu sehen.
Dihn Ruuu, ganz der treue Diener, beharrt hartnäckig auf der Behauptung, daß wir hier Erhabene finden werden. Zum erstenmal sind wir alle davon überzeugt, daß sich der Roboter irrt. Bei McBurney IV, das scheint völlig klar zu sein, handelt es sich um die riesige Ausgabe eines Perpetuums mobiles: ein von Robotern mit unbegrenzter Lebensspanne bewohnter Planet, von Maschinen, die wie Dihn Ruuu auf die Rückkehr ihrer Herren warten. Zwar sind diese Herren seit mehr als einer halben Milliarde Jahre ausgestorben, aber da die Roboter nicht darauf programmiert sind, eine solche Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, gehen sie einfach weiter ihren Pflichten nach, weiter und immer weiter. Sie halten alles in gutem Zustand und warten und warten und warten, seit Äonen.
Natürlich können wir uns alle irren. Menschenskind: Vielleicht finden wir auf McBurney IV tatsächlich Erhabene, die nach all dieser Zeit noch putzmunter sind. Auf dieser Reise haben wir bereits so viele Überraschungen erlebt, daß wir keine Möglichkeit mit Sicherheit ausschließen können. Trotzdem: Ich glaube eigentlich nicht, daß die Mirt Korp Ahm bis in unser eigenes Zeitalter überlebt haben. Und — wie ich bereits vor vielen Monaten sagte — ich bin nicht sicher, ob ich ihnen gern in die Arme laufen würde, sollte dies dennoch der Fall sein. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich jemals von Angesicht zu Angesicht einem der Superwesen gegenüberstünde, die diese Zivilisation errichteten. Vermutlich würde ich flach auf die Nase fallen und ihm huldigen. Meine Manieren prädestinieren mich nicht gerade für eine Begegnung mit Göttern.
Bald wissen wir mehr, denn Dihn Ruuu versucht jetzt, mit seinen Robotkameraden unter uns Funkkontakt aufzunehmen, so daß sie uns nicht vom Himmel pusten, wenn wir zur Landung ansetzen. Wenn nichts schiefgeht, werden wir innerhalb der nächsten Stunde in die Landebahn einschwenken.
Dihn Ruuu hat die Landegenehmigung für uns erhalten. Wir sind auf dem Weg hinunter.
10. März 2376
McBurney IV
Wir sind nicht mit Hilfe der Triebwerke gelandet; die Roboter wollten das nicht zulassen. Über das Funkgerät der Fähre verständigten sie sich mit Dihn Ruuu und wiesen uns an, die Triebwerke abzuschalten und uns einer externen Kontrolle vom Boden aus zu unterwerfen.
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