„Hier Einheit vier. Haben Blickkontakt mit Ziel“, sagte Keri, als sie endlich einen guten Winkel gefunden hatte, von dem aus sie freie Sicht auf die Brücke hatte. „Niemand zu sehen.“
„Hier Einheit Zwei“, meldete sich Officer Jamie Castillo, die als Obdachlose getarnt im Park saß. „Der Bote ist soeben an mir vorbeigekommen. Ansonsten sehe ich nur zwei obdachlose Personen, die schon den ganzen Nachmittag hier waren. Sie scheinen zu schlafen.“
„Am besten beide im Auge behalten, Einheit Zwei“, sagte Hillman. „Wir haben keine Ahnung vom Subjekt. Alles wäre denkbar.“
„Verstanden, Einheit Eins.“
„Ich hoffe, Sie können mich hören“, flüsterte Tim Rainey nervös in sein Mikrofon. „Ich bin im Park und gehe jetzt auf die Brücke zu.“
Ray rutschte unruhig hin und her. „Hoffentlich kommentiert er nicht die ganze verdammte Übergabe.“
„Er ist nervös, Ray. Das ist doch verständlich“, beschwichtigte Keri ihn.
„An alle Einheiten, hier spricht das Hauptquartier“, meldete sich Manny Suarez aus dem Van, der auf dem Parkplatz des Shopping Centers geparkt war. „Wir haben alles im Blick, aber abgesehen von unserem Boten ist keine Bewegung auszumachen. Noch etwa zwanzig Meter bis zum Ziel.“
Keri sah auf die Uhr. 23:59 Uhr. In der Ferne hörte sie ein Motorboot im Yachthafen starten. Ein paar Seerobben, die sich tagsüber auf den Felsen sonnten, raunten in der Dunkelheit. Wind, Wellen. Ansonsten war alles still.
„Bewegung am Mindanao Way in Richtung Park gesichtet“, ertönte eine aufgeregte Stimme, die Keri nicht bekannt vorkam.
„Identifizieren Sie Ihre Einheit“, bellte Hillman, „keine Namen!“
„Entschuldigen Sie, hier spricht Einheit Drei. Ein Fahrzeug nähert sich dem Park… Scheinbar ein Motorrad.“
Jetzt wusste Keri, wer sprach – Officer Roger Gentry. West LA war keine besonders große Division des LAPD und da sie um diese Uhrzeit nicht genügend beamte zur Verfügung hatten, hatte Hillman jeden verfügbaren Officer hinzugezogen, einschließlich Gentry. Er war jung und seit weniger als einem Jahr bei der Polizei. Er hatte etwa zur gleichen Zeit wie Castillo angefangen, aber er schien um einiges unsicherer zu sein.
„Kann das jemand bestätigen?“, fragte Hillman.
„Hören Sie das?“, fragte Tim Rainey aufgeregt, als hätte er vergessen, dass sie ihm nicht antworten können. „Da kommt jemand.“
„Hier Einheit Zwei“, sagte Castillo von ihrer Position im Park. „Ich habe Sichtkontakt. Es ist ein Motorrad. Kleines Modell, ich glaube eine Honda. Nur ein Fahrer. Es ist soeben in den Park eingebogen und fährt jetzt den Fahrradweg entlang auf das Ziel zu.“
Keri konnte das Motorrad jetzt auch sehen. Es folgte dem Fahrradweh, der direkt am Ufer entlang führte. Sie sah zu Tim Rainey, der jetzt völlig erstarrt mitten auf der Brücke stand und mit der rechten Hand die Tasche umklammert hielt.
„Hier Einheit Eins“, meldete sich Hillman wieder. „Wir haben das Subjekt im Visier und sind bereit einzugreifen.“
„Hier Einheit Vier“, meldete Ray sich zu Wort. „Haben Sichtkontakt. Das Motorrad fährt mit etwa fünfzig km/h am Ufer entlang, biegt jetzt rechts ab in nördlicher Richtung zum Ziel.“
„Ich glaube es ist ein Motorrad“, sagte Tim Rainey. „Kann irgendjemand sehen, wer es ist? Ist es der Kidnapper? Hat er Jessi?“
„Hier wieder Einheit Eins“, sagte Hillman, ohne auf Raineys Fragen einzugehen. „Einheit Vier, könnte Ihr sehen ob das Subjekt bewaffnet ist?“
„Feuer bereit“, hörten sie leise den Scharfschützen neben Hillman sagen.
„Hier Einheit Vier“, sagte Ray. „Keine Waffen zu sehen, aber die Dunkelheit und die Geschwindigkeit des Fahrzeugs lassen keine genauen Aussagen zu.“
Keri beobachtete, wie das Motorrad plötzlich bremste und sich schwungvoll mehrfach um sich selbst drehte. Sobald der Vorderreifen wieder griff, gab der Fahrer Gas und raste wieder in die Richtung, aus der es gekommen war.
„hier Einheit Vier“, sagte sie schnell, „Nicht schießen. Ich wiederhole, nicht schießen. Ich glaube es handelt sich nicht um das Subjekt sondern um einen Möchtegern-Stuntman.“
„Nicht schießen“, wiederholte Hillman.
Und tatsächlich drehte das Motorrad noch eine Runde, fuhr ein paar Tricks und verschwand dann wieder auf derselben Straße, auf der es gekommen war.
„Hier Einheit Eins. Hat jemand Sichtkontakt mit dem Boten?“, fragte Hillman.
„Hier Einheit Vier“, meldete sich Keri. „Der Bote steht nach wie vor in Position. Er sieht verunsichert aus. Wie soll es jetzt weitergehen?“
„Am besten alle in Position bleiben. Das kann nur eine Ablenkung gewesen sein“, entgegnete Hillman.
„Kommt mich jemand holen?“, fragte Rainey, „oder soll ich hier stehen bleiben? Ich bleibe wohl einfach hier, solange mir nichts anderes gesagt wird.“
„Oh Mann, ich wünschte er würde endlich die Klappe halten“, murmelte Ray. Er hatte mit der Hand das Mikrofon verdeckt, sodass nur Keri und Butch ihn hören konnten. Keri sagte nichts.
Nach weiteren zehn Minuten sah Keri, wie Rainey, der immer noch auf der Brücke stand, auf sein Handy sah.
„Könnt ihr mich hören?“, sagte er aufgeregt. „Ich habe eine Nachricht bekommen: Sie haben mein Vertrauen missbraucht und die Polizei eingeschalten. Damit haben Sie die Gelegenheit verspielt, das Kind einzutauschen. Jetzt muss ich entscheiden, ob ich den bösen Geist selbst austreibe oder ob ich Ihnen den Ungehorsam vergebe und noch eine letzte Chance gewähre, ihre Seele zu reinigen. Ihr Schicksal lag in Ihren Händen. Jetzt liegt es in meinen. Er wusste, dass die Polizei hier ist. Die ganzen Vorbereitungen waren für die Katz. Vielleicht meldet er sich nie wieder bei mir! Sie haben meine Tochter auf dem Gewissen!“
Bei diesem letzten Satz war seine Stimme zu einem schrillen Kreischen angeschwollen. Keri hörte ihn bis hinüber zur Anlegestelle und sah, wie er auf die Knie sank, die Tasche fallen ließ und die Hände vors Gesicht schlug. Sie konnte seinen Schmerz förmlich spüren.
Über die Abhörgeräte hörte sie das verzweifelte Schluchzen eines Vaters, der seine Tochter für immer verloren glaubte. Keri kannte dieses Schluchzen, weil sie selbst eins so geschluchzt hatte. Damals hatte sie begriffen, dass ihre Tochter verschwunden war und niemand etwas dagegen tun konnte.
Keri stürzte aus der Kabine und schaffte es gerade noch an Deck, bevor sie sich ins Meer erbrach.
Jessica Rainey bewegte ihre tauben Finger. Ihre Hände hatte man ihr hinter dem Rücken an eine Rohrleitung gefesselt. Sie saß auf dem harten, kalten Beton. Die einzige Lichtquelle war eine fluoreszierende Glühbirne, die an einem Kabel von der Decke hing und nervös flackerte.
Jessica wusste nicht, wie lange sie schon an diesem Ort war, aber sie war sicher, dass es bereits Nacht war, weil kein Tageslicht mehr durch die Ritzen der Wand fielen.
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