Die Waffe schlug schwer gegen meine Brust, als ich mit einem unguten Gefühl im Magen das Cockpit ver-ließ. Ich sah Sixpence in vorsichtigem Abstand heranfahren. Er winkte uns zu, doch ich konnte die tiefe Besorgnis in seinem Gesicht erkennen. Er war sich der Gefahr, die von den sich nähernden Luftblasen ausging, durchaus bewusst und schlug einen weiten Bogen um sie. Seine Waffe hielt er im Anschlag.
Minuten vergingen.
Warum griff Mokele nicht an? Was hatte er vor? Wollte er warten, bis wir uns verzogen hatten? Ich wurde einfach nicht schlau aus diesem Wesen. Es verhielt sich so ganz anders, als man es von Tieren gemeinhin gewohnt war. Maloney hatte völlig Recht. Es war eine Spur zu intelligent.
Die Spannung zerrte an meinen Nerven, und ich begann an der Sicherung der Waffe herumzuspielen. Meine Finger glitten über das kalte Metall, während ich mit den Fingernägeln an der geriffelten Oberfläche entlangkratzte. Das Warten war zum Verrücktwerden.
Plötzlich und völlig unerwartet löste sich ein Schuss aus meinem Gewehr. Die Patrone peitschte ins Wasser vor meinen Füßen.
Die Waffe entglitt meinen Fingern und wäre sicher in den Fluten versunken, hätte ich sie nicht mit dem Schultergurt gesichert. Meine Überraschung war so groß, dass ich um ein Haar ausgerutscht und selbst ins Wasser gefallen wäre.
In diesem Moment durchbrach der glänzende Rücken Mokeles die Wasseroberfläche. Obwohl ich das Biest an diesem Tag schon einige Male zu Gesicht bekommen hatte, zuckte ich zusammen. Die Fangzähne boten einen grässlichen Anblick. Schäumend vor Wut und mit einem Fauchen, dass mir das Blut in den Adern gefrieren ließ, näherte er sich. Ganz offensichtlich war mein Missgeschick mit dem Gewehr der Anlass für seinen Zorn. Während ich langsam vor ihm zurückwich und dabei versuchte, auf seinen Hals zu zielen, überkam mich dieselbe verrückte Idee, die ich schon damals im Camp der Soldaten hatte. Was, wenn Mokele allergisch auf Waffen reagierte?
Das war natürlich ein abenteuerlicher Gedanke, setzte er doch voraus, das sich das Wesen in diesen Dingen auskannte. Trotzdem ließ mich diese Idee nicht los, und als ich ein weiteres Mal in seine intelligenten Augen blickte, spürte ich, dass die Wahrheit zum Greifen nah war.
»Warum drücken Sie denn nicht ab, verdammt noch mal?«, rief Maloney ungeduldig von der anderen Seite des Flugzeugs. »Sie haben doch freies Schussfeld.«
»Ich kann nicht«, murmelte ich. »Es ist nicht richtig.«
»Was soll denn das jetzt wieder heißen: nicht richtig? Verfluchter Mist! Warten Sie, ich komme zu Ihnen herüber.« Sein Zorn war deutlich herauszuhören. Aber ich musste ihm unbedingt von meinem Verdacht erzählen, unser Leben konnte davon abhängen.
Doch Maloney interessierten meine Bedenken nicht. Keuchend und schwitzend hangelte er sich zu mir herüber, wobei er das Flugzeug in heftige Schwankungen versetzte.
»Wenn man will, dass etwas richtig gemacht wird, muss man es selbst machen«, schnaufte er, als er siche-ren Fußes auf meinem Schwimmer stand. Er warf mir noch einen kurzen, vernichtenden Blick zu, dann legte er an und nahm das Reptil ins Visier.
»Nein«, rief ich. »Tun Sie das nicht. Nehmen Sie die Armbrust herunter, es reagiert auf unsere Waffen.« Ich versuchte noch, ihm in den Arm zu fallen, doch es war zu spät.
»Schwachsinn«, hörte ich ihn noch sagen, dann drückte er den Abzug durch.
D er Pfeil schwirrte in einer schnurgeraden Line auf den Hals des Tieres zu. Mokele, der uns genau beobachtet hatte, reagierte sofort. In einer blitzartigen Bewegung ließ er sich zur Seite fallen, und der Pfeil verfehlte ihn um etwa einen halben Meter. Ich hatte noch nie zuvor gesehen, dass sich ein so großes Wesen so schnell bewegte. Maloney wohl auch nicht, denn er stieß einen Fluch aus und griff nach dem nächsten Pfeil. Doch er kam nicht mehr dazu, ihn abzufeuern, denn in diesem Moment explodierte der Pfeil, der zwanzig oder dreißig Meter hinter dem Wesen auf der Wasseroberfläche auftraf, mit einem ohrenbetäubenden Krachen. So groß war die Wucht der Explosion, dass mich die Hitze ins Gesicht traf. Sixpence, der sich wesentlich näher am Ort des Geschehens befand, wurde aus dem Boot geschleudert.
Der Kongosaurier brüllte vor Wut. Dann ging er auf uns los. Ich fühlte mich an die Konfrontation auf dem See erinnert, doch mit einem entscheidenden Unterschied. Diesmal war es blutiger Ernst. Gegen den jetzigen Angriff wirkte die Attacke auf das Schlauchboot wie ein halbherziger Vertreibungsversuch.
Mit einem einzigen Schlag seines Schwanzes zerfetzte er die linke Tragfläche der Beaver. Wäre Maloney nicht zu mir herübergeklettert, er hätte diesen Angriff wahrscheinlich nicht überlebt. Mokele ließ seinen Hals vorschießen und rammte seine mächtigen Zähne in die Blechverkleidung, die den Motor umgab. Mit einem einzigen Zuschnappen seiner grauenhaften Zähne riss er Kabel, Drähte und Isoliermaterial aus dem Motorraum. Er schüttelte seinen Kopf, so dass die Einzelteile meterweit nach links und rechts flogen. Dann war die rechte Flugzeughälfte an der Reihe, unsere Seite. Er peitschte seinen Schwanz durch die Luft, und ich konnte mich gerade noch wegducken, ehe der Rumpf von dem entsetzlichen Hieb getroffen wurde. Glas splitterte. Die Tür bog sich nach innen als wäre sie aus Alufolie. Mit einem ächzenden Geräusch kippte das Flugzeug zur Seite. Der Schlag war so mächtig, dass ich in hohem Bogen vom Schwimmer geschleudert wurde und vier Meter entfernt unsanft im Uferschlick landete. Ich rang nach Luft, doch ich hatte Glück im Unglück. Der Sturz hatte mich aus der unmittelbaren Gefahrenzone befördert. Maloney hingegen befand sich noch im Zentrum des Geschehens. Irgendwie hatte er es geschafft, sich an einer Verstrebung festzuklammern. Doch seine Armbrust war ihm aus der Hand geglitten und lag im Morast. Es war unmöglich für ihn, sie zu erreichen, ehe das Monster erneut zuschlagen würde. Mokele schob seinen massigen Leib aus dem Wasser. Er ragte nun unmittelbar über ihm auf. Im Vergleich dazu sah der Jäger wie ein Zwerg aus. Hilflos musste ich mit ansehen, wie das
Ungetüm auf den Australier losging. In diesem Moment hallte ein Schuss über das Wasser.
Sixpence.
Irgendwie hatte es der Aborigine geschafft, wieder ins Boot zu gelangen, und nun feuerte er mit Maloneys großer Elefantenbüchse auf das urzeitliche Lebewesen. Ein dumpfes Schmatzen erklang. Blut spritzte aus einer tiefen Wunde an der Schulter, und ein animalischer Schrei ertönte. Mokele war also doch nicht unverwundbar. Nun erkannte ich auch eine Unzahl an Narben, die mir nur deshalb nicht aufgefallen waren, weil seine Haut so dick mit Algen überwuchert war.
Mokele fuhr herum und zögerte. Er hatte Sixpence erblickt, doch er schien unentschlossen, welchen der beiden Widersacher er zuerst erledigen sollte. Mit einem Fauchen wandte er sich wieder Maloney zu, dem es noch immer nicht gelungen war, seine Waffe zu erreichen. Da fiel ein weiterer Schuss.
»Nein!«, schrie Maloney. »Hör auf damit, Six'! Lass den Motor an und mach, dass du wegkommst. Hau ab!«
Doch es war zu spät. Nach dem letzten Schuss änderte Mokele seine Strategie. Er tauchte ab und hielt auf das Schlauchboot zu. Deutlich konnte ich die Spur der Wellen sehen, die auf das Boot zuhielten. Mit panischen Bewegungen versuchte Sixpence den Motor wieder anzuwerfen, während Mokele auf ihn zuraste wie ein Sechstonner auf einen unbedarften Passanten. Sixpence erkannte, dass es zu spät war, um mit dem Boot zu entkommen. Er schleuderte das Gewehr fort und sprang ins Wasser. Vielleicht hatte er die Hoffnung, dass der Sau-rier nur das Boot angreifen würde. Doch er wurde aufs Schrecklichste enttäuscht.
Ich sah, wie sich Mokeles Kiefer öffneten und schlos-sen, ich hörte das stählerne Schnappen und dann einen furchtbaren Schrei. Sixpence verschwand, während das Wasser sich rot färbte.
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