Sidney Sheldon - Die zwölf Gebote

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12 Geschichten vom Sinn und Unsinn der 12 Gebote: von Menschen, die erst durch die Nichtbeachtung der Gebote ihr Glück fanden, zum Beispiel von Tony, dem jungen sizilianischen Bildhauer, der entgegen dem heiligen Gebot ein Ebenbild Gottes fertigt, das ihm zu Reichtum und der Hochzeit mit seiner Geliebten verhilft.

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Die anderen Priester starrten ihn an.

Als sie das Flugzeug bestiegen, fand sich George bereits abseits und allein sitzend.

Sie flogen in einem heftigen Gewitter über die Berge am Kilimandscharo und waren noch zwei Stunden von ihrem Zielort entfernt, als ein plötzlicher Blitzeinschlag ihr Flugzeug durch die Luft taumeln ließ.

„Was ist passiert?" fragte einer der Priester.

Das Flugzeug begann zur Erde zu stürzen.

„Wir stürzen ab", sagte einer der anderen Priester.

George aber erhob seine Stimme: „Ihr wollt Priester sein und habt keinen Glauben? Natürlich wird Gott uns nicht abstürzen lassen."

Zwei Minuten später waren sie abgestürzt. Das Flugzeug war in die Bäume gekracht und kam schließlich zum Stehen. Die Passagiere waren arg zerzaust, aber niemand war tot. Sie waren in einer abgelegenen Ecke des afrikanischen Dschungels in einem Kannibalengebiet heruntergekommen. Die Kannibalen hatten noch nie ein Flugzeug gesehen. Sie sahen in Furcht erstarrt zu, wie der Riesenvogel vom Himmel fiel.

Die einzige Begegnung, die sie bisher mit einem Weißen gehabt hatten, war ein Forschungsreisender gewesen, den sie dann verspeisten, aber das war schon viele Jahre her. Er hatte ihnen zuvor noch etwas Englisch beigebracht.

„Gott ist gekommen", sagte ihr Häuptling.

Sie beobachteten, wie die sieben Priester aus dem Flugzeug herauskamen. Sie wußten aber, nur einer von ihnen konnte Gott sein. Die anderen mußten seine Diener sein.

Als die Priester die Eingeborenen erblickten, waren sie hocherfreut.

George sprach zu ihnen: „Wir sind gekommen, meine Kinder, eure Seelen zu erretten. Deshalb hat Gott uns verschont. Wenn ihr uns ein Bett für die Nacht geben und uns morgen früh aus diesem Dschungel hier hinausführen wolltet, wären wir euch sehr verbunden." Die Eingeborenen starrten ihn an.

Der Häuptling winkte ihm. „Komm."

Die Priester folgten den Eingeborenen in deren winziges Dorf aus Grashütten.

„Wir sind hungrig", sagte George.

„Wir auch", sagte der Häuptling und wandte sich an seine Leute: „Bindet sie."

Und so fanden sich die Priester zu ihrer Überraschung an Händen und Füßen gefesselt. Auf einem Dreifuß stand ein großer Kessel, in dem Wasser kochte.

Der Häuptling befühlte ihre Arme und Beine und' freute sich: „Ah, gutes Essen."

„Was reden Sie denn?" wollte George streng wissen. „Ich verlange, daß Sie uns auf der Stelle alle wieder freilassen!" Der Häuptling aber spuckte ihm nur ins Gesicht. „Du hältst den Mund, ja?" Er sah sich um. „Einer von euch ist der vom Himmel gekommene Gott und der soll uns führen und schützen. Die anderen essen wir."

„Ich erhebe Einspruch", sagte George. „Wir sind amerikanische Staatsbürger und -"

„Maul halten", wiederholte der Häuptling und spuckte ihn erneut an. Dann wandte er sich an den nächsten Priester. „Bist du der Gott, der gekommen ist, uns zu erretten?" „Natürlich nicht", sagte der Priester. „Ich bin nur ein einfacher Mensch, der -" „Gut. Kochen!"

Die anderen Priester sahen mit Entsetzen zu, wie sie ihren Kollegen packten und in den großen, kochenden Kessel warfen. Seine Schreie waren schrecklich. „Hören Sie mal", sagte George. „Sie glauben doch nicht, daß Sie damit durchkommen. Wir -"

„Maul halten." Der Häuptling spuckte und wandte sich dem nächsten Priester zu. „Bist du Gott?"

„Nein." „Kochen!"

Und so ging es weiter die Reihe durch. Jeden Priester fragte der Häuptling,. ob er Gott sei, und alle waren sie nicht bereit, das erste und zweite Gebot zu brechen: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben, und Du sollst den Namen Gottes, deines Herrn, nicht mißbrauchen.

Als auch der letzte zugab, nicht Gott zu sein, wurde er ebenfalls in den Kochkessel geworfen.

Jetzt war nur noch George übrig. „Bist du Gott?" fragte der Kannibalenhäuptling auch ihn.

George hatte sich die Todesschreie seiner sechs Kollegen anhören müssen. Er wollte zwar das erste und zweite Gebot nicht übertreten, aber andererseits auch nicht das Abendessen dieser Wilden werden. „Ja", sagte er also, „ich bin Gott."

Alle Eingeborenen verbeugten sich tief vor ihm. Sie schnitten seine Fesseln durch und kleideten ihn in ein prächtiges Stammesgewand.

Der Häuptling sagte: „Du sollst für immer hier bei uns leben und uns beschützen."

Und George bekam drei schöne Frauen, die bei ihm schliefen und ihm Nahrung aus dem Urwald und Obst von den Bäumen brachten. Den Rest seines Lebens verbrachte er froh und glücklich und wurde wie ein König behandelt. Das ist die Geschichte von dem Mann, der nicht nur eines, sondern gleich zwei Gebote übertrat.

3. KAPITEL

DAS DRITTE GEBOT:

DU SOLLST DEN FEIERTAG HEILIGEN.

Nun, was bedeutet das? Es bedeutet, man soll am Sonntag ruhen, an Gott denken und keine Geschäfte betreiben. Dies aber ist die Geschichte von Ralph, einem Mann, der das dritte Gebot brach und damit sehr reich wurde. Ralph war der glückloseste Mann auf der ganzen Welt. Was er auch anpackte, ging schief. Er war ein guter Mensch, fleißig, ehrlich und anständig. Er war sehr verliebt gewesen in eine Frau, die dann mit seinem besten Freund durchging und diesen heiratete. Mit anderen, Worten, er hatte damit zugleich am selben Tag sein Mädchen und seinen besten Freund verloren. Eine Woche später überfuhr er seinen Hund, und noch ein paar Tage darauf starb seine Katze.

Er arbeitete in einer Fabrik, die bankrott machte. Danach arbeitete er in einem Textilgeschäft, das abbrannte. Ist jetzt allmählich klar, warum ich sage, er war der glückloseste Mensch auf Gottes weiter Welt?

Es war gerade, als hätte Gott es auf den armen Ralph speziell abgesehen, um ihn für irgend etwas zu strafen.

Weil er kein Geld hatte, lebte Ralph bei seinen Eltern. Die waren sehr fromm. Sie glaubten an Gott und daran, daß man von ihm bestraft wurde, wenn man eines seiner Gebote übertrat. Und weil ihr Sohn ein solcher Pechvogel war, waren sie davon überzeugt, daß das nur daher kommen konnte, daß er die Gebote brach.

Eines Tages rief ihn sein Vater in die Bibliothek.

„Ralph, es ist nicht anders möglich, du tust offenbar Falsches und Schlechtes. Ich habe noch keinen Menschen gesehen, der so glücklos in seinem Leben ist wie du. Übertrittst du denn eines der Gebote?" „Nein, Vater."

„Bist du dessen auch sicher?' Nehmen wir doch einfach gleich das erste Gebot: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Brichst du dieses Gebot?" „Nein, Vater."

„Gut. Reden wir dann vom zweiten Gebot: Du sollst den Namen Gottes, deines Herrn, nicht mißbrauchen. Hast du das jemals getan, geflucht?" „0 nein, Vater."

„Dann das dritte Gebot. Heiligst du den Feiertag?"

„Aber natürlich", sagte Ralph. „Jeden Sonntag gehe ich in die Kirche, und ich spiele am Sonntag nie und gehe auch nicht ins Kino oder tue sonst etwas, außer an Gott zu denken."

Sein Vater nickte. „Und nun das vierte Gebot: Ehrst du Vater und Mutter?"

„Aber ja doch", bekräftigte Ralph. „Ich ehre euch alle beide." „Das fünfte Gebot", sagte sein Vater. „Du sollst nicht töten. Du hast doch wohl noch niemanden getötet, oder?" „Aber Vater", sagte Ralph indigniert, „als würde ich jemals im Traum daran denken, jemanden zu töten!" „Gut", sagte Ralphs Vater, „ich weiß, daß du die Wahrheit sagst, aber irgendwas mußt du falsch machen, sonst hättest du doch nicht dauernd soviel Pech! Wie steht es denn mit dem sechsten Gebot: Du sollst nicht ehebrechen? Na, das kannst du ja wohl nicht gebrochen haben, nachdem du gar nicht verheiratet bist."

Ralph dachte an seine Freundin und wie er sie verloren hatte. „Nein", bekräftigte er traurig, „bin ich nicht." „Und was ist mit dem siebten Gebot, Du sollst nicht stehlen?" fragte der Vater unerbittlich weiter.

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