„Ich habe ihn kaum gehört", sagte er. Er bewegte den Kopf hin und her, um die Nackenmuskeln zu entspannen. „Ich hoffe nur, daß es jetzt genug ist. Wie oft haben wir die Klappen und das Fahrwerk jetzt ausgefahren und eingefahren? Dreimal? Wenn er es noch mal verlangt, werde ich... "
,Halt', sagte er zu sich selbst. ,Laß sie nicht merken, in was für einem Zustand du bist...' Sie beugte sich zu ihm hinüber und wischte ihm mit einem Taschentuch über Gesicht und Stirn. ,Komm jetzt', ermahnte er sich. ,Reiß dich zusammen! Das ist alles nur eine nervöse Reaktion. Denk an Treleaven, denk daran, daß er genauso übel dran ist. Er ist zwar sicher am Boden, aber...
Und was geschieht, wenn er etwas vergißt...?'
„Haben Sie gesehen?" sagte Janet. „Die Sonne geht auf."
„Natürlich", log er und hob die Augen. Vor ihnen im Westen war der Wolkenteppich in Rosa und Gold getaucht. Die weite Wölbung des Himmels war nun schon heller geworden. Im Süden konnte er zwei Berggipfel sehen, die wie Inseln in einem wogenden Ozean aus den Wolken ragten.
„Es wird nicht mehr lange dauern." Er hielt inne. Dann: „Janet..."
„Ja?"
„Bevor wir runtergehen, sehen wir noch ein letztes Mal - ich meine, noch einmal nach den Piloten. Vermutlich werden wir ziemlich aufbumsen. Ich möchte nicht, daß die beiden herumgeworfen werden." Janet warf ihm ein dankbares Lächeln zu. „Können Sie einen Moment allein weitermachen?" fragte sie. „Keine Angst. Ich schreie schon, wenn etwas ist." Sie streifte den Kopfhörer ab und stand auf. Als sie sich umwandte, öffnete sich die Tür zur Passagierkabine, und Baird schaute herein.
„O - Sie sind vom Funkgerät weg!" bemerkte er. „Ich wollte gerade einen Blick auf den Captain und den Copiloten werfen, um zu sehen, ob man etwas für sie tun kann."
„Nicht nötig", sagte Baird. „Ich habe vor ein paar Minuten nach ihnen geschaut, als Sie gerade sehr beschäftigt waren."
„Doktor", rief Spencer, „wie steht's hinten?"
„Deshalb komme ich", sagte Baird. „Die Zeit wird allmählich knapp... "
„Könnten wir Ihnen über Funk irgendeine Hilfe verschaffen?"
„Ich würde mit dem Arzt da unten gern meine Diagnose vergleichen, aber es dürfte im Augenblick wichtiger sein, das Gerät für Sie frei zu halten. Wie lange brauchen wir noch?"
„Tja - eine knappe halbe Stunde, würde ich sagen. Was meinen Sie?"
„Ich weiß nicht recht", sagte Baird zweifelnd. Er stand hinter Spencer. Jeder Zentimeter seines Körpers schien aus Müdigkeit zu bestehen. Er hatte die Ärmel seines Oberhemds hochgekrempelt und die Krawatte gelöst. „Zwei Patienten sind im Zustand völliger Erschöpfung", sagte er. „Wie lange sie noch ohne Behandlung durchhalten, kann ich nicht sagen. Aber sicher nicht mehr lange, das steht fest. Ein paar andere werden bald genauso schlimm dran sein, wenn ich mich nicht sehr täusche."
Spencer verzog das Gesicht. „Hilft Ihnen jemand?"
„Ja. Sonst hätte ich's gar nicht geschafft. Vor allem dieser Bursche aus Lancashire ist großartig. Er hat sich wirklich als..."
In die Kopfhörer kam Leben: „Hallo - 714! Hier ist Vancouver. Bitte kommen."
Spencer winkte Janet in den Sitz zurück. Hastig legte sie sich die Kopfhörer um. „Ich gehe wieder nach hinten", sagte Baird. „Viel Glück!"
„Ein Moment", sagte Spencer und nickte dem Mädchen zu.
„714 hier", sprach Janet ins Mikrophon. „Wir werden sofort wieder rufen, Vancouver!"
„Doktor", sagte Spencer eilig, „ich möchte Ihnen reinen Wein einschenken. Es kann verdammt kitzlig werden. Es wird einiges passieren!" - Der Doktor sagte nichts. „Sie wissen, wie ich das meine. Wahrscheinlich werden die Leute da hinten ein bißchen durchgerüttelt. Versuchen Sie doch, sie irgendwie etwas abzusichern, ja?" Baird suchte nach Worten. Dann antwortete er in rauhem Ton: „Tun Sie, was Sie können. Alles andere überlassen Sie mir." Er klopfte dem jungen Mann leicht auf die Schulter und ging nach hinten. „Okay jetzt", sagte Spencer zu dem Mädchen. „Bitte kommen, Vancouver. Fahren Sie fort", rief sie. „Hallo - 714", antwortete die klare, ruhige Stimme Treleavens. „Nachdem wir Ihnen jetzt eine verdiente Schnaufpause gegönnt haben, müssen wir aber weitermachen.
Sie müssen jetzt unbedingt jedes Wort verstehen. Empfangen Sie mich klar? Bitte kommen. "
„Sagen Sie ihm, ich hätte mich jetzt ein paar Minuten ausgeruht", sagte Spencer, „und wir hören ihn mit Stärke neun... "
„... kurze Ruhe", sagte Janet, „und wir hören Sie mit Stärke neun."
„Ausgezeichnet, George. Unser Flugtraining hat Sie ein bißchen fertiggemacht. Aber Sie werden verdammt froh darüber sein, wenn Sie hereinkommen. Sie befinden sich jetzt auf Warteposition und können anfangen, Höhe zu verlieren. Erst möchte ich aber noch mit Janet sprechen. Hören Sie zu, Janet?"
„Hallo - Vancouver. Ja, ich höre Sie."
„Janet, bevor wir die Landung machen, möchten wir, daß Sie die Notlandungsübungen zur Sicherheit der Passagiere durchführen. Verstehen Sie mich? Bitte kommen."
„Ich verstehe, Captain. Bitte kommen."
„Noch was, Janet. Unmittelbar, bevor Sie landen, müssen wir den Piloten bitten, die Notglocke zu drücken. Und, George - der Schalter für diese Klingel ist oberhalb, rechts vom Copilotensitz. Er ist rot angemalt."
„Sehen Sie ihn?" fragte Spencer, ohne aufzublicken. „Ja", sagte Janet. „Ich hab ihn."
„In Ordnung. Vergessen Sie das nicht."
„Janet", bemerkte Treleaven, „dies ist Ihre letzte fliegerische Aufgabe vor der Landung. Ich möchte nämlich, daß Sie dann nach hinten zu den Passagieren gehen."
„Sagen Sie ihm - nein!" fiel Spencer ein. „Ich brauche Sie hier vorn!"
„Hallo, Vancouver", sagte Janet. „Ich habe Ihre Anweisungen verstanden. Aber der Pilot braucht meine Hilfe. Bitte kommen."
Es entstand eine lange Pause. Dann antwortete Treleaven: „Gut, 714. Ich verstehe Spencers Standpunkt. Aber es ist Ihre Pflicht, Janet, dafür zu sorgen, daß sämtliche Sicherheitsmaßnahmen getroffen sind, bevor wir daran denken können, zu landen. Gibt es bei Ihnen oben jemanden, der die Sache übernehmen könnte?"
„Was ist mit dem Doktor?" erinnerte Spencer. Janet schüttelte den Kopf. „Der hat genug zu tun", sagte sie.
„Aber wir haben noch mehr zu tun", knurrte er. „Ich muß Sie unbedingt hier haben, wenn wir auch nur die geringste Chance haben wollen, runterzukommen." Sie zögerte. Dann drückte sie auf den Mikrophonknopf. „Hallo - Vancouver. Doktor Baird wird sich auf jeden Fall um die kranken Passagiere kümmern, wenn wir landen. Ich glaube, daß er sowieso der beste Mann ist. um die Passagiere für den Notfall zu unterweisen. Außerdem ist noch ein Mann da, der ihm hilft. Bitte kommen."
„Hallo, Janet. Sehr gut! Schnallen Sie sich jetzt los und bringen Sie dem Doktor die ganze Sache bei - aber sehr sorgfältig. Es darf unter gar keinen Umständen irgendwelche Irrtümer geben. Sagen Sie mir, wenn Sie damit fertig sind."
Janet legte die Kopfhörer ab und kletterte aus ihrem Sitz. „Hallo - George", fuhr Treleaven fort, „geben Sie acht, daß Sie jetzt alles mitbekommen. Ich gebe Ihnen alle nötigen Anweisungen, wenn Sie den Flugplatz anfliegen. Ich möchte, daß Sie sich mit der Sache vertraut machen. An einiges werden Sie sich aus Ihren alten Fliegertagen erinnern. Ich bin sicher, Sie wissen, woran Sie sind. Sofern Sie irgendwelche Zweifel haben, wäre jetzt noch Zeit, mir das zu sagen. Wir können so viele Scheinanflüge machen, wie Sie wollen, damit Sie Training bekommen. Aber wenn Sie dann endgültig landen, muß alles einwandfrei klappen. Wir fangen mit der ersten Übung an, sobald Janet wieder da ist."
Im Kontrollraum von Vancouver nahm Treleaven die kalte Zigarette aus dem Mundwinkel und warf sie weg. Er sah zur elektrischen Uhr auf und blickte dann den Kontrolleur an. „Wieviel Benzin haben sie an Bord genommen? " fragte er.
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