Jennifer hatte mit Loretta Marshal bereits eine Woche zuvor telefoniert. Miß Marshal hatte Jennifer gebeten, sie in einer Vaterschaftsklage gegen Curtis Randall, einen reichen Unternehmer, zu vertreten.
Jennifer hatte mit Ken Bailey gesprochen. »Wir brauchen Informationen über Curtis Randall. Er lebt in New York, aber soweit ich weiß, verbringt er ziemlich viel Zeit in Palm Beach. Ich möchte etwas über seine Vergangenheit wissen und ob er mit einem Mädchen namens Loretta Marshal geschlafen hat.«
Sie hatte Ken die Namen der Palm- Beach-Hotels gegeben, die Loretta Marshal ihr genannt hatte. Zwei Tage später hatte Ken Bailey Bericht erstattet.
»Es trifft zu. Sie haben zwei Wochen zusammen in Hotels in Palm Beach, Miami und Atlantic City verbracht. Vor acht Monaten hat Loretta Marshal eine Tochter bekommen.« Jennifer lehnte sich zurück und blickte ihn nachdenklich an. »Das klingt nach einem Fall für uns.«
»Glaube ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Die Sache hat einen Haken. Loretta Marshal hat ungefähr mit jedem, einschließlich der Mannschaft der New York Yankees, geschlafen.«
»Du meinst, als Vater kommt eine ganze Anzahl von Männern in Frage?« »Ich meine, die halbe Welt kommt als Vater in Frage.«
»Ist irgendeiner der anderen reich genug, um das Kind unterstützen zu können?«
»Nun, ich schätze, die Yankees sind ziemlich reich, aber an Curtis Randall kommt keiner ran.« Er überreichte ihr eine lange Namensliste.
Loretta Marshal betrat das Büro. Jennifer war nicht sicher gewesen, was sie erwartete. Eine hübsche, hohlköpfige Prostituierte aller Wahrscheinlichkeit nach. Aber Loretta Marshal war eine echte Überraschung. Sie war nicht nur nicht hübsch, sondern beinahe hausbacken. Ihre Figur war gewöhnlich. Von der Zahl ihrer romantischen Eroberungen her hatte Jennifer eine sinnliche, hinreißende Schönheit erwartet. Loretta Marshal war der Prototyp der Volksschullehrerin. Sie trug einen karierten Wollrock, eine Bluse mit Kragenknöpfen, eine dunkelblaue Strickjacke und einfache Schuhe. Am Anfang war Jennifer sicher gewesen, daß Loretta Marshal plante, Curtis Randall für ein Kind zahlen zu lassen, das gar nicht von ihm war. Nach einem einstündigen Gespräch mit der jungen Frau hatte ihre Meinung sich geändert. Loretta Marshal war offensichtlich ehrlich.
»Natürlich habe ich keinen Beweis, daß Curtis Melanies Vater ist«, sagte sie mit einem schüchternen Lächeln. »Curtis ist nicht der einzige Mann, mit dem ich geschlafen habe.«
»Weswegen glauben Sie dann, daß er der Vater Ihres Kindes ist, Miß Marshal?«
»Ich glaube es nicht. Ich bin sicher. Es ist schwer zu erklären, aber ich weiß sogar, in welcher Nacht Melanie gezeugt wurde. Manchmal kann eine Frau so was fühlen.« Jennifer beobachtete sie, auf der Suche nach irgendeinem Zeichen von Schuld oder Falschheit. Es gab keins. Das Mädchen war ohne jede Verstellung. Vielleicht, dachte Jennifer, ist das ein Grund für ihre Anziehungskraft auf Männer. »Lieben Sie Curtis Randall?«
»O ja, und Curtis hat gesagt, er liebt mich auch. Natürlich bin ich nicht mehr sicher, daß er es immer noch tut, nachdem das passiert ist.«
Wenn Sie ihn geliebt haben, dachte Jennifer, wie konnten Sie dann mit all den anderen Männern ins Bett gehen? Die Antwort mochte in dem traurigen, hausbackenen Gesicht und der einfachen Figur liegen.
»Können Sie mir helfen, Miß Parker?« Jennifer sagte vorsic htig: »Vaterschaftsklagen sind immer schwierig. Ich habe eine Liste von über einem Dutzend Männern, mit denen Sie im vergangenen Jahr geschlafen haben. Vielleicht gibt es noch mehr. Wenn ich eine solche Liste habe, können Sie Gift darauf nehmen, daß Curtis Randalls Anwalt auch eine hat.«
Loretta Marshal erstarrte. »Was ist mit Blutproben, all diesen Dingen...?«
»Blutgruppentests sind in der Beweisführung nur dann zugelassen, wenn sie beweisen, daß der Beklagte nicht der Vater sein kann. Ansonsten sind sie juristisch nicht entscheidend.«
»Es geht mir wirklich nicht um mich. Ich möchte nur Melanie beschützt wissen. Es ist nur gerecht, daß Curtis sich um seine Tochter kümmern muß.«
Jennifer zögerte, wog ihre Entscheidung ab. Sie hatte Loretta Marshal die Wahrheit gesagt. Vaterschaftsfälle waren schwierig, um nicht zu sagen, unangenehm und schmutzig. Mit dieser Frau im Zeugenstand hatten die Verteidiger ein gefundenes Fressen. Sie würden eine Parade ihrer Liebhaber vor Gericht auftreten lassen, und ehe alles vorbei war, würde sie als Hure dastehen. Es war nicht gerade die Art Fall, in die Jennifer hineingezogen werden wollte. Auf der anderen Seite glaubte sie Loretta Marshal. Sie war keine gewöhnliche Goldgräberin, die einen Liebhaber ausnehmen wollte. Sie war davon überzeugt, daß Curtis Randall der Vater ihres Kindes war. Jennifer traf eine Entscheidung.
»Einverstanden«, sagte sie, »wir werden's mal versuchen.«
Jennifer traf eine Verabredung mit Roger Davis, dem Rechtsanwalt von Curtis Randall. Davis war Partner in einer großen Wall-Street-Kanzlei, und die Bedeutung seiner Position ließ sich an seiner geräumigen Ecksuite ablesen. Er war aufgeblasen, arrogant und Jennifer auf Anhieb unsympathisch. »Was kann ich für Sie tun?« fragte er. »Wie ich schon am Telefon ausführte, bin ich wegen Loretta Marshal hier.«
Davis sah sie an und fragte ungeduldig: »Und?« »Sie bat mich, eine Vaterschaftsklage gegen Curtis Randall anzustrengen. Ich würde es vorziehen, das nicht zu tun.«
»Sie wären verdammt blöd, wenn Sie es täten.« Jennifer hielt sich unter Kontrolle. »Wir wollen den Namen Ihres Mandanten nicht vor Gericht zerren. Sie wissen sicher, daß solche Fälle immer ziemlich ekelhaft werden. Deswegen sind wir bereit, einen vernünftigen außergerichtlichen Vergleich zu akzeptieren.«
Roger Davis bedachte Jennifer mit einem eisigen Lächeln.
»Darauf gehe ich jede Wette ein. Weil Sie nämlich nichts in der Hand haben. Gar nichts.«
»Ich denke schon.«
»Miß Parker, ich habe keine Zeit, Süßholz zu raspeln. Ihre Mandantin ist eine Nutte. Sie schläft mit allem, was sich bewegt. Ich habe eine Liste von Männern, mit denen sie im Bett war. Sie ist so lang wie mein Arm. Sie glauben, mein Klient könnte ramponiert werden? Ihr Klient wird zerstört, Miß Parker. Sie ist Lehrerin, soweit ich weiß. Gut, wenn wir mit ihr fertig sind, wird sie nirgendwo mehr lehren können, solange sie lebt. Und ich sage Ihnen noch etwas. Randall glaubt, daß er der Vater des Babys ist. Aber Sie werden es nie beweisen können, nicht in einer Million Jahren.« Jennifer saß zurückgelehnt, das Gesicht ausdruckslos, und hörte zu.
»Nach meiner Meinung hätte Ihre Klientin von jedem Mitglied der Dritten Armee geschwängert werden können. Sie wollen einen Vergleich? Gut. Ich sage Ihnen, was wir tun werden. Wir kaufen Ihrer Klientin Anti-Baby-Pillen, damit es nicht noch mal vorkommt.«
Jennifer stand auf. Ihre Wangen brannten. »Mr. Davis«, sagte sie, »diese kleine Rede wird Ihren Mandanten eine halbe Million Dollar kosten.« Und sie verließ den Raum.
Ken Bailey und drei Gehilfen konnten nichts über Curtis Randall herausfinden, das sich gegen ihn verwenden ließ. Er war Witwer, eine Stütze der Gesellschaft, und er hatte kaum sexuelle Abenteuer.
»Der Hurensohn ist der reinste Puritaner«, beklagte sich Ken Bailey. Sie saßen um Mitternacht im Konferenzraum, wenige Stunden bevor der Vaterschaftsprozeß beginnen sollte. »Ich habe mit einem der Anwälte in Davis' Büro gesprochen, Jennifer. Sie werden unsere Klientin in der Luft zerreißen. Sie bluffen nicht.«
»Warum hältst du deinen Hals für dieses Mädchen hin?« fragte Dan Martin.
»Ich bin nicht hier, um ihr Geschlechtsleben zu beurteilen, Dan. Sie glaubt, daß Curtis Randall der Vater ihres Babys ist. Ich meine, sie glaubt wirklich daran. Sie will das Geld für ihre Tochter - nicht für sich. Ich denke, Sie verdient ihren Prozeß.«
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