Tja, ich hatte es verdorben – was soll ich darum herumreden. Schon am Tag nach dem Mord war offensichtlich, daß ich, wie man so schön sagt, geliefert war. Sie fanden das Messer. Auch wenn ich es leichthin mit der Behauptung abtun wollte, der Hochstapler habe es mir schon vor vielen Jahren entwendet, und auch wenn Murray mir, ohne daß er es wußte, mit seiner Theorie zu Hilfe kam, das Messer sei nicht die wirkliche Tatwaffe, beobachtete ich doch jeden Ihrer Schritte genau und begriff bald, daß Sie das Geheimnis der falschen Beine durchschaut hatten.
Sie haben das Gespräch auf Ahriman den Ägypter gebracht. Und gleich darauf fragte Inspektor Elliot den wackeren Welkyn nach dem Ding aus, das durch den Garten gehüpft war. Dann übernahmen Sie wieder mit ein paar eindringlichen Worten zum Thema Hexerei und zogen sehr geschickt Molly mit hinein. Ich legte Widerspruch ein, und Sie konterten mit vielsagenden Andeutungen. Als nächstes arbeiteten Sie heraus, wie all diese Dinge miteinander zusammenhingen; Sie begannen mit Victoria Daly und kamen über das Verhalten des verstorbenen Patrick Gore am Abend des Mordes zu Betty Harbottle und dem Bücherkabinett auf dem Dachboden.
Ihre Bemerkungen bei der Besichtigung des Automaten waren der vorletzte Schritt zur Entlarvung. Sie deuteten an, daß der Mörder sich in dieser Kammer an dem Automaten zu schaffen gemacht habe und daß dieser Umstand zu seiner Entdeckung führen werde; zugleich sagten Sie aber auch, daß Betty Harbottle ihn nicht gesehen habe und daß es deswegen für ihn auch nicht notwendig sein werde, sie zum Schweigen zu bringen. Als nächstes forderte ich Sie heraus zu demonstrieren, wie der Automat funktionierte. Sie gingen kaum darauf ein, sondern sagten nur, der Schausteller habe seinerzeit gewiß das traditionelle Gewand des Zauberkünstlers getragen. Und zum Schluß brachten Sie noch ein paar Worte an, die suggerieren sollten, daß Mollys Hexenkult binnen kurzem aufgedeckt werde, wenn es nicht sogar schon geschehen sei. Daraufhin stieß ich den Automaten die Treppe hinunter. Glauben Sie mir, mein Freund, ich habe in jenem Augenblick nicht daran gedacht, daß ich Ihr Leben in Gefahr brachte. Ich wollte nur, daß die Figur einen Schaden nahm, der groß genug war, daß kein Mensch jemals mehr ihr Geheimnis würde ergründen können.
Bei der gerichtlichen Untersuchung am folgenden Tage fielen zwei weitere Punkte auf. Knowles log offensichtlich, und Sie wußten es. Madeline Dane wußte weitaus mehr über Mollys Unternehmungen, als wir uns leisten konnten.
Molly, das muß ich leider sagen, mag Madeline nicht. Sie beschloß, Madeline durch Einschüchterung zum Schweigen zu bringen, und sollte das nicht helfen, durch härtere Maßnahmen. Daher Mollys nicht gerade inspirierte Idee, einen Telefonanruf von Madeline vorzutäuschen, in dem diese vorgeblich darum bat, daß der Automat nach Monplaisir gebracht werde: Sie wußte, wie tief Madelines Furcht vor dieser Maschine saß, und ich mußte ihr versprechen, sie zu Madelines Erbauung noch einmal zum Leben zu erwecken. Was ich dann aber doch nicht getan habe; ich hatte anderes zu tun.
Es war ein Glück für Molly und mich, daß ich im Garten von Monplaisir war, als Sie und der Inspektor dort mit Madeline und Page zu Abend aßen. Ich hörte Ihre Unterhaltung mit an und hatte nun keine Zweifel mehr, daß Sie alles wußten – die Frage war nur noch, was Sie davon beweisen konnten. Als Sie und der Inspektor das Haus verließen, fand ich es weitaus nützlicher, Ihnen durch den Wald zu folgen und zu horchen, was Sie noch zu sagen hatten.
Ich begnügte mich damit, die harmlose alte Hexe ans Fenster zu schieben, dann folgte ich Ihnen nach. Was ich von Ihrer Unterhaltung hörte, bestätigte mir, daß ich Ihre Schritte richtig gedeutet hatte. Heute sehe ich es klar vor mir, wie Sie vorgegangen sind, doch auch seinerzeit hatte ich mehr als nur einen Schimmer. Ich kannte Ihr Ziel: Knowles. Ich wußte, welches für mich die schwache Stelle war: Knowles. Ich wußte, daß es einen Zeugen gab, der mich an den Galgen bringen konnte: Knowles. Ich konnte mich darauf verlassen, daß er sich lieber foltern ließe, bevor er den Namen des Mörders preisgäbe. Aber ich wußte auch, daß es eine Person gab, bei der er nicht zulassen würde, daß ihr auch nur ein Haar gekrümmt würde, und das war Molly. Es gab nur ein einziges Mittel, ihn zum Sprechen zu bringen. Sie mußten Mollys Hals in die Schlinge legen und Sie mußten diese Schlinge enger und enger ziehen, bis er es nicht ertragen konnte. Das würden Sie als nächstes tun; ich war klug genug und konnte die Indizien genauso deuten wie Sie, und mir war klar, daß wir keine Chance mehr hatten.
Nur eines blieb uns noch, und das war die Flucht. Wäre ich die seelenlose und ganz und gar unglaubwürdige Person, als die Sie mich jetzt gewiß beschrieben finden, so hätte ich Knowles mit der Leichtigkeit umgebracht, mit der man eine Zwiebel schält. Aber wer könnte Knowles umbringen? Wer könnte Madeline Dane umbringen? Wer könnte Betty Harbottle umbringen? Das sind echte Menschen, die ich gekannt habe, und nicht einfach nur Puppen in einem Kriminalroman, und deshalb kann man auch nicht wie mit Schießbudenfiguren auf dem Jahrmarkt mit ihnen umgehen. Ich war müde und, ehrlich gesagt, auch ein wenig erschrocken – als sei ich in einen Irrgarten geraten und fände nicht mehr heraus.
Ich folgte Ihnen und dem Inspektor zum Herrenhaus und ging zu Molly. Ich machte ihr klar, daß die Flucht unsere einzige Hoffnung war. Vergessen Sie nicht, wir waren im Glauben, wir hätten noch reichlich Zeit; Sie und der Inspektor wollten am Abend nach London, und die Entlarvung würde noch einige Stunden auf sich warten lassen. Molly stimmte zu, daß wir nichts anderes mehr tun konnten – und ihr war auch, als habe sie Sie am Fenster des Grünen Zimmers stehen sehen, als sie das Haus verließ, den Koffer in der Hand. Ich glaube allerdings, daß es unklug von Ihnen war, uns gehen zu lassen, damit wir uns durch die überstürzte Flucht ans Messer liefern. Ein solches Vorgehen, Doktor, ist nur dann ratsam, wenn Sie sicher sein können, daß Sie Ihre Beute auch wieder zu fassen bekommen, wenn es soweit ist.
In einem Punkt – wenn ich das noch zum Abschluß dieses Berichtes sagen darf – machte Molly mir ein wenig das Leben schwer. Sie brachte es nicht fertig zu gehen, ohne daß sie vorher noch einmal bei Madeline vorbeigeschaut hatte. Als wir im Wagen davonfuhren, hatte sie die absurdesten Vorstellungen im Kopf (ich kann das sagen, denn sie weiß, daß ich sie liebe), wie sie es dem »Biest« in Monplaisir heimzahlen könne.
Ich konnte sie nicht aufhalten. Binnen weniger Minuten waren wir dort und ließen den Wagen in der Gasse beim alten Haus von Colonel Mardale. Wir kamen in den Garten – und blieben stehen und lauschten. Denn durch die Glastür zum Eßzimmer, die einen Spaltweit offenstand, hörten wir eine ausgesprochen klarsichtige Analyse der Geschehnisse um Victoria Dalys Tod sowie des Charakters der Hexenmeisterin, die dahintersteckte; wir hörten sie aus dem Munde von Mr. Page. Der Automat stand nach wie vor da, und ich schob ihn nur deswegen zurück in den Kohlenschuppen, weil Molly ihn durch die Glastür auf Madeline schleudern wollte. Ein solches Betragen ist gewiß kindisch, doch die Feindseligkeit meiner Herzdame gegenüber Madeline ist persönlicher Natur – genau wie meine Feindschaft mit dem verstorbenen Patrick Gore es war; und ich kann Ihnen sagen, daß nichts, was in der ganzen Affäre bisher geschehen war, sie so sehr in Rage brachte wie jener kleine Vortrag im Eßzimmer.
Ich wußte nicht, daß sie aus Farnleigh Close eine Pistole mitgebracht hatte. Ich sah es erst, als sie sie aus der Handtasche zog und damit ans Fenster klopfte. Woraufhin, Doktor, mir klar wurde, daß ich sofort handeln mußte, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen konnten wir es in dem Augenblick wirklich nicht brauchen, daß die beiden Frauen sich in die Haare gerieten, und zum zweiten hatte im selben Moment ein Wagen (Burrows’) vor dem Haus gehalten. Ich klemmte mir Molly unter den Arm und machte ihr klar, daß wir keine Zeit mehr zu verlieren hatten. Zum Glück lief drinnen das Radio, so daß dies alles unbemerkt blieb. Gewiß war es nur eine sich nun anschließende Liebesszene von außerordentlicher Wirrheit – eine Szene, die sich an der offenen Glastür abspielte –, die mich in meiner Wachsamkeit nachlassen ließ, so daß Molly sich losreißen und noch einen Schuß in Richtung Eßzimmer abgeben konnte, als wir uns schon zur Flucht umgewandt hatten. Meine Dame ist ein guter Schütze, und sie hatte nicht vor, jemanden zu verletzen; sie läßt ausrichten, daß es lediglich als Kommentar zur Moral der armen Madeline gemeint gewesen sei und daß sie es jederzeit wieder tun würde.
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