Nachdem die letzte Münze verschwunden war, sah er auf und seufzte. Als er weiter sprach, war seine Stimme ruhig. »Ich sagte Ihnen vorhin, es sei nichts Persönliches, sondern nur ein Geschäft. Nun, das ist nicht die ganze Wahrheit. Denn die beschlagnahmten Galeeren gehörten mir . Ich arbeite mit ihnen, weil sie unabhängig vom Wind sind. Sie sind schnell und manövrierfähig und man braucht keine große Mannschaft. Ein gutes Team kann den Kanal in zwei Stunden überqueren. Aber ohne Galeeren ist das Risiko, mit einem Goldtransport abgefangen zu werden, wesentlich größer. Und wenn ich nicht liefere, macht Bonaparte seine Häfen dicht, und damit entgeht mir das Geschäft. Ich habe Kunden, die von mir abhängen. Ich habe Verpflichtungen, Investoren, die es nicht gut aufnehmen würden, wenn ich sie im Stich ließe. Mein Ruf steht auf dem Spiel. Und das macht die Sache auch persönlich.« Morgan unterbrach sich, dann sagte er: »Und darum sind Sie hier, meine Herren. Der Teufel soll die Bastarde von der Regierung holen; mit Ihrer Hilfe werde ich denen eine Lektion erteilen, die sie nie vergessen werden.«
»Wie?«, fragte Lasseur.
»Ich werde es ihnen mit gleicher Münze heimzahlen. Sie haben mir etwas weggenommen, also werde ich ihnen auch etwas wegnehmen. Die glauben, sie haben die Goldtransporte gestoppt. Ich werde sie eines anderen belehren. Ich werde dafür sorgen, dass Bonaparte sein Gold bekommt.«
»Hawkwood sagte: »Und wie wollen Sie das machen?«
»Ich werde es stehlen.«
»Von der Regierung? «
»Nicht direkt.«
»Von wem dann?«
Morgan lachte. »Von Wellington.«
» Lord Wellington?«, fragte Hawkwood vorsichtig.
Morgan warf Pepper den Beutel mit den Münzen zu, der ihn geschickt mit einer Hand auffing. »Kennen Sie noch einen anderen?«
Hawkwood ignorierte die Gegenfrage. »Das Letzte, was ich hörte, war, dass Wellington noch in Spanien ist. Wie wollen Sie denn sein Gold stehlen?«
»Nun, genaugenommen gehört es der Armee, denn damit sollen ja Old Noseys Truppen bezahlt werden.«
»Sie wollen, dass wir Ihnen helfen, der britischen Armee Gold zu stehlen?« Rousseau zwinkerte hinter seinen Brillengläsern.
Hawkwood warf einen schnellen Blick über die Gesichter rings am Tisch. Alle waren gleichermaßen fassungslos.
Nach einer längeren Pause fragte Souville endlich: »Wie viel Gold?«
Morgan legte die Handflächen auf den Tisch und beugte sich vor. »Im Werte von fünfhunderttausend Pfund.«
Beaudouin, dessen Augen weit aufgerissen waren, brach als Erster das Schweigen. »Wie viel ist das in Francs?«
»Ungefähr zwölf Millionen«, sagte Rousseau, der sich zurücklehnte und seine Brille mit einem Hemdzipfel putzte.
»Allmächtiger!«, entfuhr es Leberte.
Morgan sah sich im Raum um. »Darf ich davon ausgehen, dass ich Ihr Interesse geweckt habe, meine Herren?«
Das kannst du wohl sagen , dachte Hawkwood, dem fast schwindelig war.
»Dieses Gold«, sagte Lasseur vorsichtig, »wo ist es denn jetzt?«
»Es ist weniger wichtig, wo es im Moment ist. Worauf es ankommt, ist, wo es in vier Tagen sein wird.«
»Und wo ist das?«
»In Deal.«
» In Deal? « Lasseur sah Morgan ungläubig an.
»Das ist schon seit Jahren der Umschlagplatz für Gold.« Morgan lächelte spöttisch. »Sie müssen zugeben, es entbehrt nicht einer gewissen Ironie.«
»Und wo in Deal?« Le Jeune klang misstrauisch.
»Dort gibt’s eine Festung«, sagte Lasseur und sah Morgan an, damit der es bestätigte.
»Ja, die gibt es dort, aber dort wird das Gold nicht gelagert, Captain. Das ist ja das Schöne an der Sache.«
Lasseur runzelte zweifelnd die Stirn. »Wo dann?«
»In der Residenz der Admiralität.«
»Warum in aller Welt sollten sie es denn dort lagern?«
»Weil sie dort alles Gold lagern, das durch die Stadt fließt. Ehe die Regierung das Haus kaufte, gehörte es einem Bankier. Es gibt noch immer einen Tresorraum dort, und alles Hartgeld sowie die Goldbarren liegen dort. Entweder es kommt mit dem Schiff, um unter Bewachung nach London transportiert zu werden, oder es kommt von einer Londoner Bank, um ins Ausland geschickt zu werden, meist geht es nach Spanien, um dort die Truppen zu bezahlen.«
»Und wie wollen Sie an das Gold kommen? Wollen Sie anklopfen und bitten, dass man es Ihnen aushändigt?« Lasseur sah äußerst skeptisch aus.
»Ich hatte mir etwas vorgestellt, was sie vielleicht schneller überzeugen würde.«
Hawkwood stellte fest, dass bisher noch keiner die wichtigste Frage gestellt hatte. Es sah aus, als müsse er es tun.
»Warum wir? Was ist mit Ihrer eigenen Mannschaft? Sie sagten mir heute Morgen, wenn es etwas gäbe, woran es Ihnen nicht mangele, dann seien es Arbeitskräfte.«
Morgan nickte. »Das ist richtig, Captain, und es entspricht auch der Wahrheit. Aber es kann nie schaden, Extrakräfte zu rekrutieren, besonders Männer, die gezeigt haben, dass sie sich vor einer Herausforderung nicht fürchten und die gewillt sind, etwas zu riskieren, um ihr Ziel zu erreichen. Diesen Anforderungen entsprechen Sie alle. Sie haben auf den Gefängnisschiffen die Hölle erlebt, und trotzdem haben Sie sich durch Ihre Gefangennahme nicht unterkriegen lassen. Sie sind durch Scharfsinn entkommen und sind noch am Leben. Das zeigt mir, dass Sie über den nötigen Charakter verfügen. Sie sind alle erfahrene Seeleute und Soldaten. Das bedeutet, dass Sie Disziplin gewohnt sind und im Team arbeiten können. Doch noch wichtiger, Sie haben keinerlei Treuepflicht gegenüber König George, deshalb bezweifle ich, dass Sie unsere Absicht verraten werden. Um es kurz zu machen, meine Herren, mein Angebot ist wie folgt: Ich biete Ihnen die Gelegenheit, sich an dem Land zu rächen, das Sie schlimmer behandelt hat als Ratten im Käfig. Man sagt, Rache sei süß. Was sagen Sie? Wollen Sie davon kosten?«
Morgans Augen blitzten. »Denken Sie an den Ruhm. Statt mit eingekniffenem Schwanz als Kriegsgefangene nach Hause zu kommen, kommen Sie als freie Bürger, mit Reichtümern beladen. Bei Gott, meine Herren, man wird Sie wie Helden willkommen heißen! Wenn Ihr Kaiser hört, was Sie für ihn getan haben, haben Sie für immer ausgesorgt!«
»Und Sie machen das, weil man Ihre Boote beschlagnahmt hat?«, sagte Lasseur, wobei er Morgan fest ansah.
»Ich tue es aus zwei Gründen, Captain. Der erste ist, dass ich ihnen heimzahlen will, was sie mir und den Einwohnern von Deal weggenommen haben. Der zweite ist - nun, wie ich vermute, würde mir Ihr Kaiser für zwölf Millionen Francs so manchen Gefallen tun. Er wird seine Häfen offen halten und ich werde weiterhin meine Geschäfte machen, mit etwas Glück kann ich neue Galeeren bauen. Das Letzte, was ich brauchen kann, ist, dass der Nachschub zum Erliegen kommt. Ich will meiner Konkurrenz keine Tür öffnen.«
»Ich dachte, Sie hätten keine Konkurrenz«, sagte Hawkwood.
Morgan sah ihn scharf an. »Es gibt überall einen Platzhirsch. Im Moment bin ich das, und ich werde dafür sorgen, dass es so bleibt. Sehen Sie es als Speziallieferung an. Eine Geste meines guten Willens.«
»Sie erwähnten eine Begleitung«, sagte Hawkwood.
»Das ist nichts, womit wir nicht fertig werden«, sagte Morgan zuversichtlich.
»Vielleicht sollten Sie uns erlauben, darüber zu urteilen«, sagte Lasseur trocken.
Morgan sah Pepper an.
Der schien endlich aufzuwachen. »Eine kleine Einheit von Navysoldaten.«
»Ist das alles?«, sagte Lasseur. »Sie hatten mir einen Moment Angst gemacht, ich dachte, es würde schwierig sein.«
»Wie klein?«, fragte Hawkwood.
»Sollen nicht mehr als dreißig Mann sein. Aber die werden kein Problem sein.«
»Warum nicht?«
»Weil sie nicht dauernd auf das Gold aufpassen werden.«
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