»Ich glaube, Captain Lasseur wird das mögen. Es ist vom Weingut Bertin. Man sagt, es sei Kaiser Bonapartes Lieblingsmarke.« Er sah seinen Leutnant an. »Cephus?«
Pepper kam auf seinen langen Beinen angestelzt. Morgan verteilte die Gläser und hob das seine. »Auf den Profit!«
Die vier Männer tranken. Hawkwood sah sich im Raum um. Er war bemerkenswert nüchtern und zweifellos von einem Mann eingerichtet. Bis auf ein bequemes Sofa vor dem Kamin war es eher ein Büro als ein Wohnzimmer. Der erste Eindruck erinnerte Hawkwood an Hellards Wohnraum auf der Rapacious . Bei näherem Hinsehen jedoch sah er, dass die Möbel, auch wenn sie einfach waren, von bedeutend besserer Qualität waren. Und im Gegensatz zu Hellards Quartier gab es hier Bilder an den Wänden, die meisten mit Pferdemotiven. Er fragte sich, ob Morgan wohl Familie hatte. Mit dem Weinglas in der Hand sah der Schmuggler jeder Zoll wie ein wohlhabender Gutsherr aus, während Pepper, der ganz in Grau gekleidet war, sein effizienter, aber ebenfalls respektgebietender Verwalter hätte sein können.
Morgan wandte sich an Lasseur. »Haben Sie gut geschlafen, Captain? Captain Hooper meinte, dass er in der neuen Umgebung nur schwer einschlafen konnte.«
»Ich nicht«, sagte Lasseur. »Obwohl ich eher an schaukelnde Betten gewöhnt bin.«
»Ach, natürlich. Und auf den Hulks gibt es auch Hängematten, nicht wahr? Übrigens, habe ich es schon erwähnt, dass Sie und Cephus hier etwas gemeinsam haben? Cephus ist auch zur See gefahren, ehe wir uns trafen. War’s nicht so, alter Freund?«
Lasseur betrachtete Pepper mit neuem Interesse. »Sie waren in der Navy, Mr. Pepper?«
»Das ist lange her«, sagte Pepper.
Er machte keinerlei Anstalten, ausführlicher zu werden. Lasseur warf einen schnellen Blick auf Peppers linken Arm, sagte aber nichts. Hawkwood wusste nicht, ob er aus Höflichkeit oder aus Rücksicht auf Peppers Verhalten schwieg.
»Das war, ehe er eine lukrativere Beschäftigung fand«, fügte Morgan hinzu.
»Der Handel?«, fragte Lasseur.
»Richtig.« Morgan lachte. »Schmeckt Ihnen der Wein, Captain?«
»Ich freue mich, bestätigen zu können, dass Seine Majestät einen ausgezeichneten Geschmack haben«, sagte Lasseur.
»Und wozu ist man denn im Geschäft, wenn man seine Ware nicht probieren kann, nicht wahr?« Morgan nahm einen Schluck aus seinem Glas und schmatzte genießerisch. »Setzen Sie sich doch. Machen Sie sich’s bequem.«
Hawkwood nahm sich einen Stuhl. Lasseur setzte sich auf das Sofa.
Morgan stellte das Glas hin und öffnete ein furniertes Holzkästchen. »Eine Manila?«
Mit einem Ausdruck der Freude nahm Lasseur sich eine Zigarre. Er hielt das fest gewickelte Blatt unter die Nase und sog genüsslich den Duft ein.
Hawkwood lehnte ab. Morgan nahm sich ebenfalls eine Zigarre und bot Pepper das Kästchen an, doch der schüttelte den Kopf.
Hier geht es ja wirklich sehr zivilisiert zu , dachte Hawkwood misstrauisch und fragte sich, was Morgan im Schilde führte. Morgan war doch nicht der Typ, der Leute nur zu höflichem Geplauder einlud, und Pepper sah aus, als würde er sich lieber seinen gesunden Arm auch noch abbeißen, als überhaupt mit jemandem zu plaudern, ob höflich oder nicht.
Während Lasseur seine Zigarre anzündete und einen ersten Zug tat, sagte Morgan: »Das war ein interessanter Vorstoß, den Sie da vorhin machten, Captain.«
Lasseur lehnte sich in die Polster zurück und blies den Rauch aus. »Aber fair, glaube ich, im Hinblick auf die Gewinnspanne, besonders, wenn Sie erwarten, dass die Männer ihr Leben dafür aufs Spiel setzen.« Lasseur hob sein Glas und warf Hawkwood einen schnellen Blick zu, ehe er trank. »Im Übrigen glaube ich, dass Sie auch bis fünfundzwanzig gegangen wären.«
Morgan riss die Augen auf. Doch dann vertieften sich die Fältchen um seine Augen, als er mit seiner noch kalten Zigarre auf Lasseurs Gesicht deutete. »Das könnte sogar sein.« Er sah Hawkwood an. »Wie ist’s mit Ihnen, Captain Hooper? Sie haben bisher noch nicht viel gesagt. Ich habe das Gefühl, hier drin geht mehr vor sich, als Sie uns verraten.« Damit tippte er sich an den Kopf. »Ich wette, diese Narben, die Sie da haben, könnten einige Geschichten erzählen. Habe ich Recht?«
»Die beweisen nur, dass ich nicht schnell genug aus dem Weg gegangen bin«, sagte Hawkwood. »Im Übrigen haben alle Soldaten Narben.«
Er nahm einen Schluck Wein. Lasseur hatte Recht. Er war vorzüglich.
»Das stimmt schon, aber manche gehen tiefer als andere, nicht wahr?«, sagte Morgan.
Hawkwood gab keine Antwort, sah aber, dass jetzt ein Schatten auf Morgans Gesicht lag.
»Wir haben ein kleines Problem, meine Herren.«
»Ein Problem?«, sagte Hawkwood vorsichtig.
Morgan ließ sich Zeit, um seine Zigarre anzuzünden. Hawkwood vermutete, er brauchte Zeit zum Nachdenken.
Als die Zigarre zu seiner Zufriedenheit brannte, fuhr Morgan fort. »Wir haben etwas Ärger mit dem Zoll. Ein Berufsübel, ich weiß, aber es gibt hier einen berittenen Offizier, der uns hinterherschnüffelt. Er entwickelt sich zu einem regelrechten Ärgernis.«
Hawkwood überlegte, was für eine Antwort Morgan wohl erwartete. Für leere Phrasen schien es nicht der richtige Moment. Er nahm einen weiteren Schluck Wein und wartete. Lasseur dachte offenbar dasselbe. Der Privateer stieß ein durchsichtiges Rauchfähnchen aus und versuchte, nonchalant auszusehen, während er einen Tabakkrümel von seiner Unterlippe entfernte.
Morgan fuhr fort. »Er wurde erst vor ein paar Monaten eingestellt und versucht seitdem, sich zu profilieren. Vielleicht denkt er, wir hätten keine Inventur gemacht, aber das haben wir. Die Sache ist, er ist nicht von hier. Normalerweise rekrutiert der Zoll Einheimische. Es ist nicht wie bei der Miliz: Dort hält man das Risiko, dass jemand das Gesetz umgeht, für geringer, wenn er in der unmittelbaren Nachbarschaft keine Verwandtschaft hat. Deshalb frieren die Jungs aus Kent sich in Dumfries den Arsch ab, die armen Kerle, und in Dungeness ist’ne Kompanie aus Flintshire.«
Morgan zog an seiner Zigarre, ehe er sie aus dem Mund nahm und zwischen den Fingern rollte. Er betrachtete das Ende und sah hoch.
»Wie ich schon sagte, er kommt aus einer anderen Grafschaft. Übrigens heißt er Jilks, und er erweist sich als … nun ja, als gewissenhafter, als wir erwartet hatten.«
»Ich gehe davon aus, Sie haben es mit einem Anreiz versucht?«, sagte Hawkwood.
Morgan nickte. »Hat nicht funktioniert. Ist stolz darauf, auf dem Weg der Tugend zu wandeln. Aber im Laufe des letzten Monats sind ein paar unserer Ladungen aufgehalten worden. Vor zwei Wochen hatten wir in Sandwich eine Ladung, wo wir hundert Fässer verloren haben und zwei unserer Männer verwundet wurden. Wir hörten, dass er auch hinter dem Überfall in Warden steckte. Das Letzte, was wir brauchen, ist, dass er von der Sache in Deal etwas erfährt und uns verpfeift. Wenn das passiert, sind wir alle aufgeschmissen. Damit meine ich Sie, mich selbst und Bonapartes Möglichkeit, seine Truppen zu bezahlen, auch zukünftige Ladungen - der ganze verdammte Handel. Das können wir nicht riskieren.« Morgan unterbrach sich. »Wir müssen diesen Hundesohn ausschalten, ehe es zu spät ist.«
»Ausschalten?«, sagte Lasseur.
»Entfernen«, sagte Morgan, tat einen langen Zug aus seiner Zigarre und füllte die Lunge mit Rauch.
Das Wort hing in der Luft.
»Sie wollen, dass er umgebracht wird«, sagte Lasseur nüchtern.
»Das wäre die perfekte Lösung.«
Lasseur setzte sich auf, plötzlich dämmerte es ihm.
Die kleinen Nadelstiche, die Hawkwood am Rückgrat gespürt hatte, fühlten sich plötzlich wie Eiskristalle an.
Es wird seinen Preis haben .
»Und Sie möchten, dass wir uns darum kümmern«, sagte Hawkwood.
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