Rita Brown - Herz Dame sticht

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Im idyllischen Crozet, Virginia, ist man ganz auf Pferderennen kon­zentriert. Kein Wunder, kaum ein gesellschaftliches Ereignis bietet soviel Gelegenheit zu Klatsch und Tratsch, zur Befriedigung von Eitelkeiten und Rivalitäten. Doch gelten nicht immer die Regeln sportlicher Fairneß: Nach einem Rennen im nahe gelegenen Montpe­lier wird der englische Jockey Nigel Danforth tot aufgefunden - auf­gespießt nicht nur sein Herz, sondern auch eine Spielkarte: Kreuz­dame. Die Ermittlungen haben kaum begonnen, da trifft es Nigels Kollegen Coty Lamont. Seine Karte: Pikdame.
Ein Gruß aus dem Zockermilieu? Crozets Posthalterin Mary Minor
Haristeen ist skeptisch: In den Stallungen wird zwar hoch gepokert und ausgiebig gekokst, doch es geht um mehr als ein paar läppische tausend Dollar Spielschulden oder um das Kilo Kokain, das spurlos verschwunden ist. Skepsis, sagen sich da Harrys Tiger­katze Mrs. Murphy und ihre Freundin, die Corgihündin Tee Tucker, ist eine zutiefst menschliche Untugend. Der richtige Riecher ist ge­fragt, und der führt die vierbeinigen Detektivinnen zu der schönen Addie Valiant, Nigels Geliebter. Sie ist der neue Stern am Jockey­Himmel und wird an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag die Mil­lionen ihrer seit fünf Jahren verschollenen Mutter erben. Bis dahin sind es nur noch wenige Tage, und alles spricht dafür, daß auch die Herzdame noch zum Zuge kommen soll...
Diesmal bekommen Mrs. Murphy und Tee Tucker tatkräftige Un­terstützung von ihren Kollegen aus dem Rennstall, denn die Rasse­pferde Bazooka und Orion sind nicht nur schnell, ihnen ist auch nicht entgangen, daß des Nachts zwielichtige Gestalten direkt unter ihren Hufen geheimnisvolle Ausgrabungen veranstalten, die eine grausige Wahrheit ans Boxenlicht bringen.

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Jim und Larry hielten wieder bei Harry an. Diesmal sprang Mim vom Rücksitz. Sie hatte Will und Linda nicht gesehen. Die Männer fuhren weiter.

»Ich möchte mir das vierte Rennen von hier aus ansehen. Boom Booms Vorträge über gewürzten Rahmkäse auf Endiviensalat ertrage ich nicht eine Sekunde länger! Es geht entweder um Endivien oder um >Lifeline< .« Sie warf ihr wollenes Cape nach hinten.

»Dieses Hindernis ist für die meisten zu weit weg, um zu Fuß her­zukommen.« Harry blickte die Absperrung entlang. »Ah, aber nicht für Greg Satterwaite. Wie ich sehe, arbeitet er sich am Außenrail vor. Als nächstes geht er wahrscheinlich zu den Außenstallungen. Gott bewahre, daß ihm jemand entginge.«

»Wem sagen Sie das«, rief Mim aus. »Hat der ehrenwerte Senator mich gesehen?«

»Noch nicht. Er ist ganz damit beschäftigt, Hände zu schütteln und breit zu grinsen.« Zur Veranschaulichung verzog Harry das Gesicht zu einer übertrieben freundlichen Grimasse.

Mim huschte hinter einen dicken Baum. Eine Rauchwolke würde sie verraten, sollte jemand hinschauen. Harry sah über Mims Heim­lichtuerei hinweg: Sie wußte, daß Mim nicht rauchen sollte. Trotz­dem würde sie ihr niemals sagen, was sie zu tun oder zu lassen hatte.

»Hallo, wie geht's?« Satterwaite streckte seine bereits geschwolle­ne Hand aus.

Harry unterdrückte den boshaften Drang, sie herzhaft zu quetschen. »Morgen, Senator.«

»Ich hoffe sehr, daß ich auf Ihre Stimme zählen darf. Dies ist eine schwierige Wahl für mich.«

»Können Sie«, sagte Harry ohne große Begeisterung. Politik war ihr ein Greuel.

Eine dicke Rauchwolke stieg hinter dem Baum in die Höhe.

»Danke, danke für Ihre Unterstützung.« Er lächelte, seine Jacket­kronen schimmerten, dann begab er sich zu seinem nächsten Opfer.

Wenige Sekunden später schlich Mim hinter dem Baum hervor. »Puh! Gerettet. Wenn Politiker wissen, daß man Geld hat, reden sie, bis sie blau anlaufen. Der Herr bewahre uns vor unserer Regierung!«

»Wir sind angeblich eine Demokratie. Der Herr bewahre uns vor uns selbst.« Harry lachte, dann bemerkte sie, daß Mim die Zigarette noch zwischen den Fingern hielt; sie brannte bis zum Stummel ab.

Mim trat sie auf der Erde aus. »Sagen Sie Jim nichts davon.«

»Mach ich nicht.« Aber sie war erstaunt, daß Mim nach ihrem Kampf gegen den Brustkrebs ihre Gesundheit aufs Spiel setzte.

Harry warf einen Blick ins Programmheft. »Sie haben Royal Dan­zig in diesem Rennen laufen. Übrigens, meinen Glückwunsch zur ersten Abteilung des Montpelier Cup. Ransom Mine hat dieses Hin­dernis so klar genommen, daß er förmlich flog.«

»Wenn er gesund bleibt, wird er einer der größten, wie Victorian Hill.« Mim sprach von einem wunderbaren Pferd, einem Star der frühen neunziger Jahre.

»Wer war der größte Springer, den Sie je gesehen haben?«

Mim antwortete, ohne zu zögern: »Battleship, von Man O'War aus der Quarantine, 1927 gezüchtet. Den Anblick dieses Pferdes in Mrs. Scotts hellblauen Farben mit dem rosasilbernen Kreuz werde ich nie vergessen. Ich war damals noch klein, aber es hat einen großen Ein­druck auf mich gemacht. Hier war irrsinnig viel los, denn Mrs. Scott war in der Blüte ihrer Jahre. Battleship gesehen zu haben war einfach himmlisch.«

»Und Marylou Valiants Zinger?« Harry erinnerte sich an den lang­beinigen kastanienbraunen Hengst.

»Wenn er sich nicht am Knie verletzt hätte, ja, ich glaube, er wäre wirklich sehr gut geworden.« Sie blickte zum Himmel hinauf. »Ich hoffe, sie schaut heute von da oben zu. Die Leute werden sagen, ich hätte Adelia und Chark aus Verbundenheit angestellt. Zugegeben, das mag eine kleine Rolle gespielt haben, aber die Wahrheit ist, sie sind gut. und werden immer besser. Und was für ein Unterschied im Stall, seit das schreckliche Pärchen nicht mehr da ist!« Sie ver­schränkte die Arme. »Wissen Sie, es war ein Tröpfeln wie die chine­sische Wasserfolter, nachdem Marylou verschwunden war. Der Tag, an dem ich mir eingestand, daß sie tot sein muß, war einer der fin­stersten meines Lebens. Und ich habe versprochen, alles in meiner Macht stehende für ihre Kinder zu tun.«

»Sie haben Ihr Versprechen mehr als gehalten.«

»Die Schwerstarbeit war ja schon getan. Das haben Marylou und Charley besorgt. Als Chark nach Cornell ging und Addie nach Fox­croft, habe ich sie in den Ferien ab und zu bei Schulveranstaltungen gesehen. Schwierig war nur, zu wissen, wann ich hart bleiben muß­te.« Sie lachte über sich selbst. »Bei Marilyn hatte ich damit nie Pro­bleme, aber. sie haben ja auch einen so schweren Verlust erlitten. Manchmal frage ich mich, ob ich hätte strenger sein sollen, vor allem mit Addie.«

Bevor Harry etwas sagen konnte, hörten sie den Schuß. Mim trat zurück. Harry konzentrierte ihren Blick auf den Streckenabschnitt, in dem sie das Feld zuerst sehen konnte.

Wieder dieses unheimliche Donnern, und dann stürmten die Pferde dicht an dicht heran. Mims purpurrote Farben waren in der Mitte des Feldes, ein guter Platz für diese Abteilung des Rennens, das nur über 3200 Meter ging. Die Rennbrille vor den Augen, konzentrierte sich Addie auf den Sprung. Harry horchte auf das Schnaufen und die Rufe der Jockeys, als sie über das Buschwerk setzten, auf das >Wop­-wop< und >Wisch-wisch<, als die Hinterhufe das Laub berührten. Und schon waren sie fort, rasten weiter, glitten in die Landsenke und stürmten wieder bergauf zum nächsten Hindernis.

Mim lauschte angestrengt auf den Rennbahnkommentator, der die Plazierungen durchgab. Als sie über Harrys Hindernis setzten, hob ein Pferd am Ende des Feldes zu früh ab und krachte durch das Hin­dernis, stolperte auf der anderen Seite, fing sich aber wieder.

Harry beobachtete das Pferd, das nicht verletzt, aber schrecklich erschöpft war. »Verdammt, warum bleibt er nicht stehen?«

»Weil es Linda Forloines ist. Die hetzt ein Pferd zu Tode.«

»Aber ich habe Linda erst vor zwanzig Minuten gesehen.«

»Zack Merchants Jockey ist im Führring getreten worden, gerade als er aufsitzen wollte. Linda ist schnurstracks zu Zack gelaufen, der natürlich verzweifelt war. Das Resultat spricht für sich.«

Der Lärm der Menge, eine eigenartig dumpfe Vereinigung von Stimmen, folgte den Pferden, und dann erschien das Feld wieder auf dem Hügel, Royal Danzig immer noch auf einem sicheren Platz in der Mitte.

Harry schüttelte den Kopf. »Linda ist 'ne ganz schräge Nummer.«

»Allerdings.« Mim schürzte die Lippen. Es lag ihr nicht, üblen Klatsch zu verbreiten, aber sie hatte einen solchen Widerwillen ge­gen die Forloines, daß es ihrer ganzen vorbildlichen Disziplin be­durfte, ihre Verachtung nicht jedem mitzuteilen, der es hören wollte.

»Zack Merchant ist auch nicht gerade einer von der edlen Sorte.« Harry fand es schrecklich, wie er mit Pferden umging; vor Kunden und neuen Auftraggebern kehrte er zwar den Tierliebhaber hervor, doch die anderen Pferdezüchter wußten von seinen brutalen Metho­den. Bislang gab es aber keine Möglichkeit, Mißhandlungen beim Rennsport zu ahnden. Es wäre ein bißchen so, als würde man einem Mann verbieten, seine Frau zu prügeln. Man mochte ihn deswegen hassen. Man mochte den Wunsch haben, ihm die Fresse einzuschla­gen, aber irgendwie - man konnte es nicht, solange man ihn nicht auf frischer Tat ertappte.

Die Stimme des Rennbahnkommentators überschlug sich. »Vier Längen voraus in diesem Rennen ist Royal Danzig, Royal Danzig, Royal Danzig, Isotone geht mit Abstand als zweiter über die Zielli­nie, gefolgt von Hercule und Vitamin Therapy.«

»Gratuliere!« Harry gab Mim die Hand; Mim war keine Frau, die man spontan umarmte.

Mim nahm vorsichtig die dargereichte Hand. Ihr Gesicht lief rot an. Sie traute ihrem Glück nicht. Schließlich waren die Ergebnisse noch nicht offiziell. »Danke.« Sie blinzelte. »Ich gehe jetzt zu Chark und Addie. Das hat sie klug angestellt, im Feld zu bleiben bis zur Zielge­raden.«

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