»Klar.«
»Noch etwas.« Harry machte ein fragendes Gesicht, und Cynthia fuhr fort: »Wenn hier Rauschgift im Spiel ist, könnte es sein, daß die Person, die diese Verbrechen begangen hat, nicht rational handelt.«
»Kann ein Mörder überhaupt rational handeln?«
»Absolut! Ich sage ja nur, spiel lieber mit verdeckten Karten.« Sie zuckte zusammen. »Ich wünschte, das hätte ich nicht gesagt.«
»Ich auch«, fiel die Katze ein.
Die Füchse blieben im Bau, die Feldmäuse kuschelten sich in ihre Nester, die Blauhäher, diese großmäuligen Diebe, wagten sich nicht hinaus Der Regen ließ schließlich nach, doch die Temperatur sackte ab, und festes Eis bedeckte den Erdboden.
Zum Glück gab es nicht viel Verkehr, da Sonntag war. Das verringerte zwar die Zahl der Karambolagen, gab aber auch den meisten Menschen das Gefühl, bei sich zu Hause von der Welt abgeschnitten zu sein.
Mrs. Murphy jagte auf dem Heuboden, während Tucker in der geheizten Sattelkammer schlief. Simon, das Opossum, schlummerte tief auf seiner alten Pferdedecke, die Harry zu seinem Wohl gestiftet hatte. Die Eule oben in der Kuppel schlief ebenfalls.
Die Tigerkatze wußte, wo die Kletternatter schlief, und machte einen großen Bogen um sie. Die Natter war inzwischen fünf Jahre alt und selbst im Winterschlaf eine furchteinflößende Erscheinung.
Murphy kauerte auf einem Heuballen, einer wohlduftenden Mischung aus Wiesengras und Alfalfa, und lauschte auf die piepsenden Mäuse. Sie hatten in der hinteren Ecke des Heubodens einen Heuballen ausgehöhlt und Bindfäden, Papierstückchen, sogar Bleistiftstummel hineingeschleppt, bis die Behausung richtig eingerichtet und kuschelig war. Mrs. Murphy wußte, daß regelmäßig eine Maus herauskam, über den Heuboden und seitlich eine Box hinunter- und dann zwischen den Gitterstäben hinaushuschte. Das Ziel war gewöhnlich die Futterkammer oder die Sattelkammer. Die Mäuse hatten ein Loch in Harrys verblaßte jägergrüne Stalljacke gefressen. Mrs. Hogendobber hatte sie ihr geflickt, denn für Harry war Stallarbeit ohne diese Jacke unvorstellbar.
Harry warf Tomahawk, Gin Fizz und Poptart halbe Futterrationen vom Heuboden herunter, was bei den Tieren unten endloses Gejammer hervorrief. Wenn die Pferde nicht ins Freie gebracht und ordentlich bewegt werden konnten, schränkte Harry die Futtermenge ein. Sie fürchtete Koliken wie die Pest. Ein Pferdedarm konnte verstopfen oder, schlimmer noch, sich verdrehen, und dann wälzte sich das Tier in seiner Qual auf der Erde und verendete manchmal sehr schnell. Normalerweise konnte eine Kolik aber wirksam behandelt werden, wenn sie früh genug erkannt wurde.
Die drei Pferde - zwei Wallache und eine Stute -, aufsässig, da bei guter Gesundheit, konnten sich eine Kolik nicht vorstellen, und so schimpften und stöhnten sie, knallten ihre Futtereimer scheppernd gegen die Wand und riefen einander zu, was für ein schrecklicher Mensch Harry sei, sie um ihr Futter zu betrügen.
Mrs. Murphy wollte ihnen gerade sagen, sie sollten still sein und sich glücklich schätzen, als eine Maus aus dem Nest geflitzt kam. Die Katze sprang auf und in die Luft, eine perfekte Flugbahn zum Zuschlagen, doch als die listige Maus einen Schatten sah und dann die Katze roch, lief sie im Zickzack und schaffte es bis zur Boxenwand.
Mrs. Murphy konnte nicht seitlich an der Box hinunter, weshalb sie sich auf den Balken darüber begab und sich genau in dem Moment in Poptarts Box hinunterfallen ließ, als die Maus zwischen den Gitterstäben aufkreuzte. Mrs. Murphy stieß sich mit dem Hinterteil ab, sauste zu dem Boxengitter, griff mit den Pfoten das Ende eines Gitterstabes, dann rutschte sie in die Box zurück, weil ihre Krallen an dem Eisen keinen Halt fanden.
»Verdammt!« fluchte sie laut.
»Du kriegst die Mäuse nie, Murph.« Poptart kaute ruhig ihr Heu. »Sie warten, bis du aufkreuzt, und rennen dann wie verrückt. Sie frißt gerade Körner in der Futterkammer und lacht über dich.«
»Ach, wie nett von dir, mir das zu sagen«, fauchte Murphy. »Ich sehe nicht, daß du irgend etwas tust, um den Stall von Geschmeiß zu befreien. Überhaupt, Poptart, sehe ich nicht, daß du irgendwas tust, außer dich vollzufressen.«
Gelassen und über die Schmähung erhaben, senkte die große Stute den Hals, bis sie Murphys Nase berührte. »He, Kurze, du bist in meiner Box gefangen, also hüte deine Zunge.«
»Jaja.« Damit sprang die Katze auf den breiten grauen Rücken des Pferdes. Poptart drehte sich erschrocken längsseits der Gitterstäbe. Mit einer einzigen fließenden Bewegung schwang sich Mrs. Murphy durch das Boxengitter und landete auf der Sattelkiste davor.
Poptart blinzelte durch die Gitterstäbe, als Mrs. Murphy jubelte: »Du bist vielleicht größer, aber ich bin schlauer!«
Das Pferd, mit einem starken Sinn für Humor ausgestattet, kicherte und machte sich dann wieder über die Wiesengras-Alfalfa-Mischung her, die köstlich schmeckte.
Die Katze trabte in die Futterkammer. Und richtig, sie konnte die Maus hinter dem Futterbehälter hören. Harry kleidete ihre Futterbehälter mit Weißblech aus, weil Mäuse sich durch fast alles hindurchfressen konnten. Doch Körner schwappten über, und die Mäuse hatten ein kleines Loch in die Wand gefressen. Sie holten sich ein paar Körner und liefen dann in ihr Loch, um die Beute zu genießen.
Mrs. Murphy setzte sich vor das Loch.
Eine winzige Nase lugte heraus, die schwarzen Barthaare waren kaum sichtbar. »Ich weiß, daß du da bist, und ich komm nicht raus. Geh nach Hause und friß Thunfisch.«
Murphy schlug auf das Loch, und die kleine Nase zog sich zurück. »Ich bin eine Katze. Ich töte Mäuse. Das ist mein Job.«
»Töte Maulwürfe. Die sind nämlich gefährlicher. Wenn ein Pferd in einen Maulwurfhaufen tritt? Knacks.«
»Bist wohl sehr schlau, was?«
»Nein, bloß praktisch«, quiekte die Maus.
»Wir sind alle Teil der Nahrungskette.«
»Verkrümel dich!« Zur Untermalung ihres Standpunkts warf die Maus ein Stückchen gepreßten Hafer heraus.
»Ich krieg dich schon noch«, warnte Mrs. Murphy. »Ihr Kerle könnt in einer Woche ein Kilo Körner fressen. Das kostet meine Mutter Geld, und sie ist ziemlich arm dran.«
»Nein, ist sie nicht. Sie hat dich, und sie hat diesen albernen Hund.«
»Versuch bloß nicht, mir zu schmeicheln. Ich bin dein Feind, wie du weißt.«
»Feinde sind relativ.«
Mrs. Murphy dachte darüber nach. »Bist wohl ein kleiner Philosoph, was?«
»Ich glaube nicht an Feinde. Ich glaube, es gibt Situationen, wo wir uns Nahrungsquellen streitig machen. Wenn nicht genug für alle da ist, kämpfen wir. Ist genug da, schön. Im Moment reicht es für alle, und ich esse nicht soviel, und meine Familie auch nicht. Also friß mich nicht... oder die Meinen.«
Die Tigerkatze leckte sich die Pfote und rieb sich damit über die Ohren. »Ich werde darüber nachdenken, was du gesagt hast. Aber es ist mein Job, diesen Stall und dieses Haus sauberzuhalten.« »Du hast schon das Handschuhfach des Transporters ausgeräumt. Du hast deine Pflicht erfüllt.« Die Maus spielte auf Murphys grausame Ausrottung einer Feldmausfamilie an, die sich im Handschuhfach angesiedelt hatte. Sie hatten die Drähte durchgenagt, die in den Sicherungskasten führten, und den Transporter mausetot gemacht. Als Murphy die Eindringlinge verputzt hatte, ließ Harry ihren Transporter reparieren, was sie die stattliche Summe von 137,82 Dollar kostete.
»Wie gesagt, ich werde darüber nachdenken.«
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