Dick Francis - Doping

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Dick Francis "Doping". Originaltitel: "For Kicks".
Eines Tages bekommt der australische Pferdezüchter Daniel Roke unvermutet Besuch von einem Engländer, der sich als Earl October vorstellt. Der englische Graf sucht ihn wegen eines ganz besonderen Anliegens auf: Ihn beschäftigt ein mysteriöser Doping Skandal in England, und er braucht einen erfahrenen Fachmann zur Aufklärung des Falls. Daniel Roke soll, als Stallmann verkleidet, in den Gestüten der verdächtigen Trainer arbeiten und heimlich seine Nachforschungen anstellen. Der Job ist gefährlich, bereits hat ein Journalist bei seiner Recherche zum Fall auf rätselhafte Weise sein Leben verloren. Aber Daniel Roke nimmt das Angebot Octobers an, und er lernt so das harte Leben der Pferdepfleger kennen, von denen manch einer an seine Grenzen kommt…
«Einen Dick Francis zu lesen bedeutet, das Gewohnte, das Liebgewonnene wiederzuentdecken, wieder zu genießen. Und dabei ist jede Geschichte frisch, neu, phantasiegesättigt. Mit Präzision und Feinfühligkeit, mit dezentem Geschmack und enormem Wissen werden die zahllosen Knoten in den Handlungsteppich geknüpft. Der Leser befindet sich vollkommen, aber unmerklich in der Hand dieses Großmeisters des Kriminalromans.«

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Nach dem vierten Rennen folgte ich ihm in die Bar und rempelte ihn kräftig an, als er sein Glas hob. Das Bier schwappte ihm über die Hand und lief an seinem Ärmel runter, und fluchend fuhr er herum und hatte mein Gesicht direkt vor seiner Nase.

«Entschuldigung«, sagte ich.»Ach, Sie sind’s!«Ich legte eitel Überraschung in meine Stimme.

Seine Augen wurden schmal.»Was machen Sie denn hier? Sparking Plug läuft doch jetzt.«

Ich blickte finster.»Ich bin nicht mehr bei Inskip.«

«Haben Sie jetzt einen Job, wie ich ihn empfohlen habe? Gut.«

«Noch nicht. Das kann auch ein Weilchen dauern, denke ich.«

«Wieso? Ist nichts frei?«

«Anscheinend ist keiner versessen auf mich, seit ich bei Inskip rausgeflogen bin.«

«Was sind Sie?«fragte er scharf.

«Bei Inskip rausgeflogen«, wiederholte ich.

«Weshalb?«

«Es hat ihnen nicht gepaßt, daß Sparking Plug vor acht Tagen, als Sie mich angesprochen haben, verloren hat. Sie könnten zwar nichts beweisen, meinten sie, aber sie würden keinen Wert mehr auf mich legen und tschüs.«

«Das ist aber schade«, sagte er und wollte sich verkrümeln.

«Wer zuletzt lacht, lacht am besten«, feixte ich und hielt ihn am Arm fest.»Passen Sie auf, Mann, die kriegen ihr Fett.«

«Wie darf ich das verstehen?«In seinem Tonfall lag unverhohlene Verachtung, aber seine Augen waren gespannt.

«Sparking Plug siegt heute auch nicht«, erklärte ich.

«Kann er gar nicht, weil er’s am Magen hat.«

«Und woher wissen Sie das?«

«Ich habe seinen Leckstein mit Paraffinöl getränkt«, sagte ich.»Seit ich am Montag weg bin, schleckt er ein bewährtes Abführmittel. Das dämpft die Lust am Rennen. Der gewinnt garantiert nicht. «Ich lachte.

Schwarzer Schnurrbart warf mir einen entgeisterten Blick zu, machte sich von mir los und eilte aus der Bar. Ich folgte ihm vorsichtig. Er stürmte förmlich hinunter in den Buchmacherring und schaute sich verzweifelt um. Die Rothaarige war nirgends zu sehen, doch sie mußte in der Nähe gewesen sein, denn auf einmal kam sie zügig an den Rails entlang zu der Stelle, wo sie sich vorhin getroffen hatten. Schon war Schwarzer Schnurrbart bei ihr. Er redete heftig auf sie ein. Sie hörte zu und nickte. Ein wenig beruhigt ließ er sie stehen und ging vom Buchmacherring wieder zum Führring. Die Frau wartete, bis er außer Sicht war, betrat dann entschlossen die Mitgliedertribüne und ging an der Absperrung entlang wieder zu Bimmo Bognor. Der kleine Mann beugte sich über den Zaun vor, während sie ernst etwas zu ihm sagte. Er nickte mehrmals, worauf sie wieder lächelte, und als er sich umdrehte, um mit seinen Schreibern zu reden, sah ich, daß auch er breit grinste.

Ohne Eile ging ich an den Buchmacherständen entlang und sah mir die Quoten an. Sparking Plug war wegen seiner wasserbedingten Niederlage neulich nicht Favorit, aber mehr als 60 zu 10 traute sich niemand anzubieten. Zu diesem Kurs setzte ich bei einem sichtlich erfolgreichen und fröhlichen Buchmacher in der hintersten Reihe vierzig Pfund — meinen gesamten Inskiplohn — auf meinen früheren Schützling.

Wenige Minuten später, immer noch im Ring, hörte ich, wie Mr. Bimmo Bognor einem Strom von Kunden 80 zu 10 für Sparking Plug anbot, und sah, wie er in der Gewißheit, nichts auszahlen zu müssen, ihr Geld einstrich.

Zufrieden lächelnd ging ich auf die Tribüne und sah von ganz oben zu, wie Sparking Plug aus der Konkurrenz Hackfleisch machte und mit beleidigenden zwanzig Längen gewann. Schade nur, daß ich da oben nicht hören konnte, was Mr. Bognor von dem Ergebnis hielt.

Mein fröhlicher Buchmacher blätterte mir anstandslos zweihundertvierzig Pfund in Fünfernoten hin. Um Schwarzem Schnurrbart und eventuellen Vergeltungsschlägen zu entgehen, begab ich mich zu den billigen Plätzen im Innenraum der Rennbahn und verbrachte dort langweilige zwanzig Minuten, ging durch den Ausgang vom Geläuf zurück, als die Teilnehmer des letzten Rennens aufgaloppierten, und stahl mich die Treppe hinauf zur Tribüne für das Stallpersonal.

Humbers Reisefuttermeister stand ziemlich weit oben. Ich drängte mich unsanft an ihm vorbei und stolperte absichtlich über seine Füße.

«Passen Sie doch auf, wo Sie hintreten«, sagte er verärgert und fuhr zu mir herum.

«Verzeihung, Mann. Hühneraugen, oder was?«

«Das geht Sie einen Feuchten an«, sagte er und musterte mich böse. Er würde mich wiedererkennen.

Ich biß auf meinen Daumennagel.»Wissen Sie, wer von dem Verein hier Davies’ Futtermeister ist?«fragte ich.

«Der da drüben mit dem roten Halstuch. Warum?«

«Ich brauche Arbeit«, versetzte ich, und bevor er etwas dazu sagen konnte, drängelte ich mich zu dem Mann mit dem roten Halstuch durch. Sein Stall hatte ein Pferd in dem Rennen. Ich fragte ihn leise, ob sie zwei drin hätten, und er schüttelte den Kopf und sagte nein.

Aus dem Augenwinkel sah ich, daß Humbers Futtermeister die abschlägige Antwort nicht entgangen war. Wie gewünscht glaubte er offensichtlich, ich hätte nach Arbeit gefragt und sei abgewiesen worden. Nachdem dieser Keim gelegt war, schaute ich mir beruhigt das Rennen an (Humbers Pferd wurde Letzter) und verließ die Rennbahn unauffällig über den Sattelplatz und den Mitgliederparkplatz, ohne von Schwarzem Schnurrbart oder einem rachsüchtigen Bimmo Bognor abgefangen zu werden.

Der Sonntag danach, den ich teils in meinem öden Zimmer, teils auf den menschenleeren Straßen verbrachte, überzeugte mich endgültig, daß ich nicht noch vierzehn Tage untätig in Newcastle herumhängen konnte, und auch der. Gedanke an eine einsame Weihnacht in den kaffeebraunen vier alten Wänden war wenig verlockend. Zudem hatte ich zweihundert Pfund Buchmachergeld neben dem Rest von Octobers Vorschuß in meinem Gürtel, und erst am zweiten Weihnachtsfeiertag in Stafford lief wieder ein Pferd von Humber. Ich brauchte nur zehn Minuten, um zu entscheiden, was ich bis dahin anfangen sollte.

Am Sonntag abend schrieb ich October einen Bericht über Bimmo Bognors geheimen Nachrichtendienst, und um ein Uhr früh nahm ich den Schnellzug nach London. Den Montag verbrachte ich mit Einkaufen, und Dienstag abend, gepflegt, von Kopf bis Fuß neu eingekleidet und ausgestattet mit einem teuren Paar Kästle-Skiern, trug ich mich in das Fremdenbuch eines gemütlichen, erstklassigen kleinen Hotels in einem verschneiten Dolomitendorf ein.

Die vierzehn Tage in Italien änderten nichts am Ergebnis meiner Arbeit für October, doch für mich waren sie sehr wichtig. Zum erstenmal seit dem Tod meiner Eltern machte ich richtig Urlaub, zum erstenmal seit neun Jahren dachte ich sorglos und unbeschwert nur an mich selbst.

Ich wurde jünger. Anstrengende Tage auf den Hängen und eine Reihe von durchtanzten Apres-Ski-Abenden ließen die Jahre des Verantwortungsbewußtseins wie Häute von mir abfallen, bis ich mich wie siebenundzwanzig statt wie fünfzig fühlte, wie ein junger Mann statt wie ein Familienvater, bis die innere Befreiung, die mit meiner Abreise aus Australien begonnen und mich durch meine Zeit bei Inskip getragen hatte, plötzlich abgeschlossen schien.

Besonders schön war auch die Zeit mit einer der Empfangsangestellten, einer lebhaften, gutgewachsenen jungen Frau, die mich auf den ersten Blick mochte und sich nicht lange bitten ließ, nachts in mein Bett zu kommen. Sie nannte mich ihre Weihnachtsüberraschung. Ich sei ihr ausgelassenster Liebhaber seit langem und sie sei gern mit mir zusammen. Wahrscheinlich trieb sie es wesentlich wilder als Patty, aber sie war mit sich im reinen, und ich fühlte mich sauwohl mit ihr anstatt beschämt.

Am Tag meiner Abreise, als ich ihr ein goldenes Armband schenkte, küßte sie mich und sagte, ich solle nicht wiederkommen, denn beim zweitenmal sei alles nicht mehr so schön. Für Junggesellen war dieses Mädchen ein Geschenk des Himmels.

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