Jemand fragte: »Und wer genau sind die Erben?«
»Phelans sechs Kinder«, erwiderte Hark. «
»Und was ist mit den drei Frauen?«
»Das sind keine Erbinnen, sondern Ex-Frauen.«
Das verärgerte deren Anwälte, die nach längerem Hin und Her drohten, den Raum zu verlassen. Als jemand vorschlug, man möge ihnen trotzdem die Möglichkeit geben, sich zu äußern, war die Schwierigkeit aus der Welt geschafft.
Grit, der dynamische Prozessanwalt, der Mary ROSS Phelan Jackman und ihren Mann vertrat, stand auf und sprach sich für eine offene Kriegserklärung aus. »Uns bleibt keine Wahl, als das Testament anzufechten«, sagte er. »Da niemand den alten Knacker in unzulässiger Weise beeinflusst hat, müssen wir beweisen, dass er verrückt war. Teufel, er ist vom Dach gesprungen. Und er hat eins der bedeutendsten Vermögen der Welt einer unbekannten Frau vermacht. In meinen Augen ist das verrückt. Bestimmt können wir Psychiater finden, die das bestätigen.«
»Was ist denn mit den dreien, die ihn begutachtet haben, bevor er gesprungen ist?« fragte jemand über den Tisch hinweg.
»Das war dämlich«, knurrte Grit zurück. »Man hat euch eine Falle gestellt, und ihr seid prompt reingetappt.«
Das ärgerte Hark und die anderen Anwälte, die sich mit der Begutachtung von Troy Phelans Geisteszustand einverstanden erklärt hatten. »Hinterher ist man immer klüger«, sagte Yancy und brachte Grit damit erst einmal zum Schweigen.
Das Juristenteam von Geena und Cody Strong wurde von einer hochgewachsenen und üppigen Anwältin in einem Armani-Kostüm angeführt. Ms. Langhorne war früher einmal Juradozentin in Georgetown gewesen, und als sie jetzt das Wort an die Versammelten richtete, tat sie das mit der Aura der Allwissenheit. Punkt eins: Im Staate Virginia würden lediglich zwei Gründe anerkannt, ein Testament anzufechten - unzulässige Beeinflussung und Unzurechnungsfähigkeit des Erblassers. Da niemand Rachel Lane kenne, dürfe man als sicher annehmen, dass sie nur wenig oder keinen Kontakt mit dem Erblasser gehabt habe. Mithin werde man nur schwer, wenn überhaupt, beweisen können, dass sie ihn bei der Abfassung seines Letzten Willens auf irgendeine Art in unzulässiger Weise beeinflusst habe. Punkt zwei: Mithin bleibe nichts anderes übrig, als alles auf die Karte >Unzurech-nungsfähigkeit< zu setzen. Punkt drei: Es sei sinnlos, mit >Betrug< zu argumentieren. Zwar habe der alte Troy zweifellos Anwälte und Angehörige unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu dieser Demonstration seiner Zurechnungsfähigkeit zusammengebracht, doch lasse sich daraus kein Anfechtungsgrund herleiten. Bei einem zwischen zwei Parteien geschlossenen Vertrag sei das möglich, nicht aber bei einem Testament. Ihre Kanzlei habe bereits die nötigen Erkundigungen angestellt, und sie könne die einschlägigen Fälle zitieren, falls jemand das wünsche.
Sie bediente sich eines Merkzettels, auf dem die wichtigsten Punkte zusammengefasst waren, und wirkte glänzend vorbereitet. Hinter ihr saßen sechs Anwälte aus ihrer Kanzlei, um sie notfalls zu unterstützen.
Punkt vier: Es werde ausgesprochen schwierig sein, den Befund der drei Psychiater zu erschüttern. Sie habe das Videoband gesehen. Vermutlich würden die Anwälte eine solche Auseinandersetzung verlieren, aber man würde sie für ihre Mühe bezahlen müssen. Daher lautete ihre Schlussfolgerung, man solle das Testament mit Nachdruck anfechten und auf eine einträgliche außergerichtliche Einigung hoffen.
Obwohl ihr Vortrag volle zehn Minuten dauerte, erbrachte er nur wenig Neues. Man ließ sie ausreden, und niemand unterbrach sie, um sich nicht den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit einzuhandeln.
Als nächster war Wally Bright - der Mann mit den Abendkursen - an der Reihe. Ganz im Gegensatz zu Ms. Langhorne war er völlig unvorbereitet, hatte weder einen Stichwortzettel noch Unterlagen und schien auch nicht zu wissen, was er als nächstes sagen würde. Er ließ einfach Dampf ab, sagte, was ihm gerade in den Sinn kam, und tobte voller Inbrunst gegen Ungerechtigkeit im allgemeinen.
Zwei von Lillians Anwälten erhoben sich gleichzeitig, wie an der Hüfte zusammengewachsene siamesische Zwillinge. Beide trugen schwarze Anzüge und hatten die bleichen Gesichtszüge von Immobilienanwälten, die nur selten die Sonne zu sehen bekamen. Wenn der eine einen Satz begann, beendete ihn der andere. Stellte der eine eine rhetorische Frage, lieferte der andere die Antwort. Der eine erwähnte ein Dokument, und der andere holte es aus dem Aktenkoffer. Sie gingen zügig vor, sprachen zur Sache und wiederholten in knappen Worten, was bereits gesagt worden war.
Rasch einigte man sich zu kämpfen, denn erstens hatte man nur wenig zu verlieren, zweitens konnte man nichts anderes tun, und drittens war es die einzige Möglichkeit, einen Vergleich zu erzwingen - ganz zu schweigen davon, dass man viertens dabei einen beachtlichen Stundensatz für die beim Kampf aufgewendete Arbeitszeit in Rechnung stellen konnte.
Yancy befürwortete mit besonderem Nachdruck einen Prozess. Dazu hatte er allen Grund. Ramble war der einzige minderjährige Erbe und hatte so gut wie keine Schulden. Die mündelsichere Anlage, aus der er am einundzwanzigsten Geburtstag fünf Millionen bekommen würde, war schon vor Jahrzehnten treuhänderisch festgelegt worden und ließ sich nicht widerrufen. Mit diesen garantierten fünf Millionen stand Ramble finanziell sehr viel besser da als all seine Geschwister. Warum sollte er, der nichts zu verlieren hatte, nicht klagen, um vielleicht mehr zu bekommen?
Erst nach einer geschlagenen Stunde sprach jemand die Anfechtungsklausel im Testament an. Mit Ausnahme Rambles liefen die Erben Gefahr, das Wenige zu verlieren, das ihnen Troy hinterlassen hatte, sofern sie das Testament anfochten. Diesen Einwand taten die Anwälte mit leichter Hand ab. Für sie war die Anfechtung beschlossene Sache, und sie wussten, dass ihre habgierigen Mandanten tun würden, was sie ihnen rieten.
Vieles blieb ungesagt. Zuerst einmal würde der Prozess beschwerlich sein. Am klügsten und zugleich kostengünstigsten wäre es, eine auf diesem Gebiet erfahrene Kanzlei als Prozessbeauftragten zu benennen. Die anderen konnten aus dem zweiten Glied nach wie vor ihre Mandanten betreuen und würden von jeder Entwicklung der Sache in Kenntnis gesetzt. Für ein solches Vorgehen war zweierlei nötig: Kooperationsbereitschaft und eine freiwillige Beschneidung der meisten Egos im Raum.
Diese Punkte wurden während der dreistündigen Sitzung nicht einmal angesprochen.
Ohne dass sie es geplant hätten - denn dazu wäre Zusammenarbeit nötig gewesen -, war es den Anwälten gelungen, einen Keil zwischen die Erben zu treiben, so dass sich keine zwei von derselben Kanzlei vertreten ließen.
Mit Hilfe einer geschickten Manipulation, die zwar im Jurastudium nicht gelehrt wird, die man aber gleichwohl danach auf ganz natürliche Weise erwirbt, hatten sie ihre Mandanten dazu gebracht, ausführlicher mit ihnen zu reden als mit den Miterben. Vertrauen war ebenso wenig eine Tugend der Phelans wie ihrer Anwälte.
Alles deutete auf einen langen, verwickelten Prozess hin.
Nicht eine einzige tapfere Stimme erhob sich mit dem Vorschlag, das Testament so anzuerkennen, wie es war. Niemandem lag im entferntesten daran, den Wunsch des Mannes zu achten, der das Vermögen angehäuft hatte, zu dessen Aufteilung sie sich jetzt verschworen.
Als das Gespräch zum dritten oder vierten Mal um die Tische kreiste, schlug jemand vor festzustellen, wie hoch die Schulden eines jeden der sechs Erben zum Zeitpunkt von Mr. Phelans Tod gewesen waren, doch ging dieser Antrag in einem Sperrfeuer kleinlicher juristischer Erwägungen unter.
»Die Schulden der Ehepartner inklusive?« fragte Hark, der Anwalt von Rex, dessen Frau Amber, die Stripperin, als Inhaberin der Sexclubs auch für den größten Teil der Verbindlichkeiten haftete.
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