Wilson Argrow wurde ganz plötzlich von Trumble in ein Offenes Haus in Milwaukee verlegt, wo er genau eine Nacht verbrachte, bevor er einfach verschwand. Da er eigentlich nicht existierte, konnte man ihn auch nicht finden. Jack Argrow erwartete ihn am Flughafen, und gemeinsam flogen sie nach Washington, D. C. Zwei Tage nachdem sie Florida verlassen hatten, meldeten sich die Gebrüder Argrow — Kenny Sands und Roger Lyter — in Langley zurück und erhielten einen neuen Auftrag.
Drei Tage vor seiner Abreise zum Parteitag in Denver kam Aaron Lake nach Langley, um mit dem CIA-Direktor zu Mittag zu essen. Es war ein erfreulicher Anlass: Der erfolgreiche Kandidat wollte sich noch einmal bei dem politischen Genie bedanken, das ihn aufgefordert hatte, sich um das Amt des Präsidenten zu bewerben. Die Rede, mit der Lake die Nominierung annehmen würde, war bereits seit einem Monat fertig, aber Teddy hatte noch ein paar Vorschläge, die er erörtern wollte.
Lake wurde in Teddys Büro eskortiert, wo der alte Mann ihn, die Beine wie immer unter einer Decke verborgen, erwartete. Er sah müde und blass aus, fand Lake. Die Assistenten gingen hinaus, die Tür wurde geschlossen, und Lake bemerkte, dass der Tisch nicht gedeckt war. Sie nahmen einander gegenüber und mit wenig Abstand Platz.
Die Rede gefiel Teddy, und er machte nur einige allgemeine Bemerkungen darüber.»Ihre Reden werden zu lang«, sagte er leise. Doch Lake hatte in letzter Zeit so viel zu sagen.
«Wir sind noch dabei, sie zu bearbeiten«, antwortete er.
«Sie haben die Wahl in der Tasche, Mr. Lake«, sagte Teddy ohne große Begeisterung.
«Ich habe ein gutes Gefühl, aber es wird ein harter Kampf werden.«
«Sie werden mit fünfzehn Prozent Vorsprung gewinnen.«
Lake horchte auf. Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht.»Das ist, äh, ganz schön viel.«
«Sie liegen in den Umfragen knapp vorn. Nächsten Monat wird der Vizepräsident knapp vorn liegen. So wird es hin und her gehen, bis Mitte Oktober. Dann wird es einen atomaren Zwischenfall geben, der die Welt in Angst und Schrecken versetzen wird. Und Sie, Mr. Lake, werden der Messias sein.«
Diese Aussicht erschreckte selbst den Messias.»Ein Krieg?«fragte Lake leise.
«Nein. Es wird Tote geben, aber es werden keine Amerikaner sein. Man wird Natty Tschenkow die Schuld geben, und die Wähler dieses Landes werden zu den Urnen drängen. Es könnte sein, dass Ihr Vorsprung sogar zwanzig Prozent betragen wird.«
Lake holte tief Luft. Er wollte Fragen stellen, vielleicht auch Einwände gegen das Blutvergießen
erheben, doch er wusste, dass das sinnlos war. Was Teddy für Oktober geplant hatte, wurde bereits vorbereitet, und nichts, was Lake sagen oder tun konnte, würde daran etwas ändern.
«Hämmern Sie es den Leuten ein, Mr. Lake. Bringen Sie Ihre Botschaft rüber: Die Welt wird immer verrückter, und wir müssen militärisch stark sein, um unsere Lebensart zu bewahren.«
«Diese Botschaft hat bislang ja auch gut funktioniert.«
«Ihr Gegner wird zu verzweifelten Mitteln greifen. Er wird Ihnen vorwerfen, Sie hätten außer diesem einen Thema nichts zu bieten, und er wird auf dem Geld herumreiten, das Ihnen zur Verfügung steht. Er wird ein paar Punkte gutmachen, aber das ist kein Grund zur Panik. Im Oktober wird die Welt nicht mehr so sein, wie sie bis dahin war. Vertrauen Sie mir.«
«Das tue ich.«
«Sie haben die Wahl in der Tasche, Mr. Lake. Sie müssen nur immer dieselbe Botschaft verbreiten.«»Das werde ich.«
«Gut. «Teddy schloss die Augen, als wollte er ein kleines Nickerchen machen. Dann öffnete er sie wieder und sagte:»Und jetzt zu etwas ganz anderem. Ich bin ein bisschen neugierig, was Sie tun werden, wenn Sie im Weißen Haus sind.«
Lake war verwirrt — sein Gesicht verriet es.
Teddy setzte seine Attacke fort.»Sie brauchen eine Partnerin, Mr. Lake, eine First Lady, eine Frau, die dem Weißen Haus durch ihre Anwesenheit eine Atmosphäre von Anmut und Eleganz verleiht.
Eine Frau, die die Räume gestaltet, die eine Gastgeberin ist, eine schöne Frau, die jung genug ist, um Kinder zu bekommen. Es ist so lange her, dass Kinder im Weißen Haus waren, Mr. Lake.«
«Sie machen Scherze. «Lake war entsetzt.
«Mir gefällt diese Jayne Cordell aus Ihrem Mitarbeiterstab. Sie ist achtunddreißig, intelligent und wortgewandt und sieht recht gut aus, obwohl sie fünfzehn Pfund abnehmen muss. Ihre Scheidung liegt zwölf Jahre zurück und ist längst vergessen. Ich glaube, sie würde eine gute First Lady abgeben.«
Lake legte den Kopf schief und war auf einmal wütend. Er wollte Teddy die Meinung sagen, doch ihm fehlten die Worte.»Sie müssen verrückt sein«, war alles, was er herausbrachte.
«Wir wissen von Ricky, Mr. Lake «, sagte Teddy sehr kühl und mit bohrendem Blick.
Es wurde Lake eng um die Brust. Er atmete aus und sagte:»O Gott!«Er richtete den Blick auf seine Füße. Sein Körper war vor Schreck erstarrt.
Um es noch schlimmer zu machen, reichte ihm Teddy ein Platt Papier. Lake nahm es und sah sogleich, dass es sich um eine Kopie seines letzten Briefes an Ricky handelte:
Lieber Ricky! >
Ich glaube, es ist am besten, wenn wir unseren Briefwechsel beenden. Ich wünsche dir alles Gute. Herzliche Grüße, Al
Beinahe hätte Lake gesagt, er könne alles erklären — der Schein trüge. Doch er beschloss, fürs Erste nichts zu sagen. Fragen wirbelten ihm durch den Kopf: Wie viel wussten sie? Wie hatten sie seine Post abgefangen? Wer wusste sonst noch davon?
Teddy ließ ihn zappeln. Es gab keinen Grund zur Eile.
Als er wieder klarer denken konnte, meldete sich der Politiker in Lake zurück. Teddy bot ihm einen Ausweg: Spiel nach meinen Regeln, und alles wird gut.
Und so schluckte Lake hart und sagte:»Sie gefällt mir auch.«
«Natürlich gefällt sie Ihnen. Sie ist die ideale Frau für einen Präsidenten.«
«Ja. Sie ist sehr loyal.«
«Haben Sie schon mit ihr geschlafen?«
«Nein. Noch nicht.«
«Dann fangen Sie bald damit an. Halten Sie auf dem Parteitag ihre Hand. Dementieren Sie die Gerüchte nicht und lassen Sie der Natur ihren Lauf. Und geben Sie eine Woche vor der Wahl bekannt, dass Sie zu Weihnachten heiraten werden.«
«Eine große oder kleine Hochzeit?«
«Riesig. Das gesellschaftliche Ereignis des Jahres in Washington.«
«Der Gedanke gefällt mir.«
«Sehen Sie zu, dass sie schnell schwanger wird. Dann können Sie kurz vor Ihrer Amtseinführung bekannt geben lassen, dass die First Lady ein Kind erwartet. Das wird eine wunderbare Geschichte für die Zeitungen. Und es wird so schön sein, endlich wieder Kinder im Weißen Haus zu sehen.«
Lake lächelte und nickte. Auch dieser Gedanke schien ihm zu gefallen. Plötzlich runzelte er die Stirn.»Wird je jemand etwas von Ricky erfahren?«fragte er.
«Nein. Er ist ausgeschaltet worden.«
«Ausgeschaltet?«
«Er wird nie wieder einen Brief schreiben, Mr. Lake. Und Sie werden so sehr damit beschäftigt sein, mit Ihren kleinen Kindern zu spielen, dass Sie keine Zeit haben werden, an Leute wie Ricky zu denken.«
«Ricky? Wer ist das?«
«So ist es recht, Lake.«
«Es tut mir sehr Leid, Mr. Maynard. Sehr Leid. Es wird nicht wieder vorkommen.«
«Natürlich nicht. Ich habe die Unterlagen, Mr. Lake. Vergessen Sie das nie. «Teddy rollte seinen Stuhl rückwärts, wie um anzudeuten, dass das Gespräch beendet sei.
«Es war ein kurzer Augenblick der Schwäche«, sagte Lake.
«Denken Sie nicht mehr daran, Lake. Kümmern Sie sich um Jayne. Kaufen Sie ihr neue Garderobe.
Sie arbeitet zu viel. Sie sieht müde aus. Geben Sie ihr eine leichtere Tätigkeit. Sie wird eine wunderbare First Lady abgeben.«
«Ja, Sir.«
Teddy war an der Tür.»Und keine Überraschungen mehr, Lake.«
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