Sie zieht die Augenbrauen zusammen, um ihre Gefühle zu verbergen, wendet sich dann ab und will hinausgehen. Bevor sie meinen Blicken entschwindet, sage ich: »Ich liebe dich, vergiß das nie!«
Aber erst am nächsten Nachmittag antwortet sie mir. Ich will soviel wie möglich von ihr wissen. So frage ich sie, was sie eigentlich aus al-Zijadijja hierhergeführt habe.
»Ich muß ja schließlich meinen Lebensunterhalt verdienen«, entgegnet sie in dem mir so vertrauten Tonfall der Rif-Bewohner. Dann erzählt sie von ihrer Familie, berichtet, warum sie von zu Hause geflohen sei und wie sie bei Madame Zuflucht gesucht habe, indem sie ihr ins Gedächtnis rief, wer ihr Vater war.
Mitleidig wende ich ein: »Aber sie gehört zu den Khawaga, und die Pension ist, das weißt du selbst am besten, wie ein Suk, auf dem Waren angeboten und erfeilscht werden.«
»Ich kenne mich auf dem Suk ebensogut aus wie auf dem Feld!« betont sie voller Stolz und Selbstvertrauen. Sie hat ihre Erfahrungen im Leben gemacht und ist nicht so leicht aus der Bahn zu werfen. Aber kann ich ihr die Geschichte überhaupt so glauben? Mädchen, die vom Dorf in die Stadt fliehen, tun das doch nur, weil sie…
»Das alles ist sicher nur geschehen, damit wir uns hier begegnen!« sage ich und schaue sie verliebt an.
Sie mißt mich mit einem fragenden Blick, voller Zweifel und doch voll unverhohlener Zuneigung.
»Ich liebe dich«, bekräftige ich, »das kann ich dir nicht oft genug sagen, Zuchra!«
»Hören Sie endlich damit auf!«
»Ich werde nicht eher damit aufhören, als bis du mir das gleiche sagst und dich vertrauensvoll in meine Arme schmiegst!«
»Daran denken Sie also!«
»Ich finde an nichts mehr Freude, bevor mir das nicht vergönnt ist!«
Als sie hinausgeht, ist ihr Gesicht klar, ohne jede Spur von Verdruß oder gar Zorn. Ich gratuliere mir, daß ich erreicht habe, was ich wollte. Außerdem wird mir klar, daß mich meine alte Sehnsucht zu heiraten wieder befallen hat. Es ist wirklich eine alte Sehnsucht, die wieder aufgebrochen ist, heftig, wie eine Quelle, deren lebhaft sprudelndes Wasser sich gegen alle Widerstände seinen Weg sucht. Ich wünschte von ganzem Herzen, Zuchra, wenn nicht… Ja, wenn nicht! Diese gottverdammt blöden, tödlichen Binsenwahrheiten!
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Zwei weitere junge Männer sind hinzugekommen: Husni Allam und Mansur Bahi. Ich trachte danach, sie kennenzulernen, denn ich habe eine Art Jäger- und Sammlerinstinkt, wenn es darum geht, neue Bekannte und Freunde zu erwerben, der mich jedes neue Gesicht voller Erwartung anschauen läßt. Zudem stammt Husni Allam aus einer alten, angesehenen Familie in Tanta. Er ist stolzer Besitzer von hundert Feddan Acker, hat ein hübsches Gesicht, einen kräftigen Körperbau, ist also das, was ein jeder von uns sich wünschte zu sein. Ich verabscheue seine Klasse, aber ich bin von jedem entzückt, der zu ihr gehört und den mir besondere Umstände über den Weg führen. Jeder kann sich ausmalen, wie ein junger Mann wie er leben kann, obwohl die Zeiten andere geworden sind. Und wenn er so großzügig ist, wie es sich für seinesgleichen nun einmal gehört, dann werden wir wohl zahllose herrliche Nächte miteinander verbringen!
Mansur Bahi ist von ganz anderer Art: Rundfunksprecher beim Sender Alexandria und Bruder eines hohen Offiziers aus dem Sicherheitsdienst. Auch das ist schön und vorteilhaft. Aber er wirkt ungewöhnlich introvertiert. Er macht den Eindruck einer edlen Statue, von einem Bildhauer gefertigt, und hat so unschuldige Gesichtszüge, wie man sie eigentlich nur bei einem Kind findet. Wo ist der Schlüssel zu seiner Seele, wo der Zugang zu dem schmalen, verwinkelten Gäßchen, das zu seinem Herzen führt? Wie viele kommen vom Dorf in die Stadt auf der Suche nach Arbeit, und wie zahlreich sind die Schwierigkeiten, die man nur mit der Hilfe eines hohen Offiziers aus dem Sicherheitsdienst überwinden kann!
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Plötzlich greife ich nach ihrem Arm. Ich warte, bis sie das Glas Tee auf den Tisch gestellt hat, greife plötzlich nach ihrem Arm. Sie verliert das Gleichgewicht und fällt mir, der ich im großen Sessel sitze, auf den Schoß. Ich umarme und küsse sie auf die Wange — die sie mir zugewandt hält — und gebe ihr einen raschen, nervösen, gierigen Kuß auf den Mund. Sie stemmt sich mit beiden Händen kräftig gegen meinen Arm, reißt sich dann von mir los, steht auf und tritt ärgerlich einige Schritte zurück. Gespannt und vorsichtig blicke ich zu ihr auf und lächle ihr dann besänftigend zu. Sie wirkt sehr gelassen. Dann entspannt sich ihr Gesicht, wird klar wie das Meer an einem ruhigen Herbstmorgen. Ich bedeute ihr, sie solle doch wieder zu mir kommen, aber sie tut es nicht, geht jedoch auch nicht aus dem Zimmer. Wie in einem Fieberwahn springe ich auf sie zu und reiße sie in wahnwitzigem Verlangen an mich, ohne daß sie nennenswerten Widerstand leistet. Dann begegnen sich unsere Lippen in einem langen, hungrigen Kuß.
Ich spüre den Duft ihres Haars und flüstere ihr zu: »Komm doch heute nacht zu mir!«
»Was wollen Sie denn von mir?« Sie sieht mich aufmerksam prüfend an.
»Dich will ich, Zuchra, dich!« Ich beobachte, wie sie ernst und nachdenklich wird, und frage: »Wirst du kommen?«
Bitter fragt sie zurück: »Was wollen Sie denn wirklich von mir?«
Langsam erwache ich aus meiner Erregung und antworte vorsichtig: »Wir reden miteinander und lieben uns!«
»Aber das tun wir doch jetzt schon!«
»In einer Eile und Angst, die keinerlei Freude aufkommen lassen!«
»Mir gefällt nicht, was Sie von mir denken!«
»Du verstehst mich falsch!«
Sie schüttelt den Kopf, als wolle sie mir sagen, daß sie mich durchaus richtig verstanden hat. Dann geht sie hinaus und lächelt trotz allem.
Kummer überkommt mich. Seufzend sage ich mir: Wenn sie doch aus einer guten Familie stammte, wenn sie gebildet wäre oder Geld hätte! Ich muß mir mit einer Flut von Schimpfworten Luft machen.
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Es ist die Nacht mit Umm Kulthum.
Ich hätte sie von meiner Stimmung her am liebsten im Haus von Ali Bakir verbracht, denn dort hätten wir uns in einer angenehmen, ruhigen Atmosphäre zusammengefunden, um zu lauschen. Auch Raf at Amin hatte mich eingeladen, zu ihm zu kommen. Aber nach einigem Nachdenken entschließe ich mich, die Nacht in der Pension zu verbringen, um die anderen Gäste besser kennenzulernen. Ich erblicke eine große Platte mit gebratenem Fleisch und trinke schnell, um Mut für den Überfall zu fassen, der unausweichlich wird. Es herrscht eine geradezu märchenhafte Atmosphäre. Ich trage die Mär von der »Familie al-Buheri« und allerlei über meine Position als Prokurist vor, nicht nur aus gespieltem Stolz, sondern auch in Erwartung der Reichtümer, die fließen werden, wenn Ali Bakir sein Abenteuer glücklich hinter sich gebracht hat. Gespräche über Politik brechen über uns herein wie das unabänderliche Schicksal. Haben Sie schon gehört…? Was sagen Sie zu…? Wollen Sie meine Meinung wissen, in aller Offenheit? Instinktiv begreife ich, daß ich die Revolution zu repräsentieren habe, möglicherweise gemeinsam mit Mansur. Es regnet Lobpreisungen, und wir prosten uns gegenseitig zu. Ich beobachte Zuchra und sage mir, daß eigentlich sie zuallererst die Revolution zu repräsentieren hätte, denn mir fällt ein, wie sie sie einmal in meiner Gegenwart gerühmt hat und wie mich die Ehrlichkeit und die unschuldige Begeisterung in ihren Worten faszinierten. Mansur Bahis Zweifel an meiner Aufrichtigkeit sind unverkennbar. Mein Lieber, begreif doch: Ich bin von Natur aus ein Feind der Feinde der Revolution. Ich gehöre zu denen, denen sie Segnungen verheißt, versteh doch!
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»Es sind ebensoviele Türen zugeschlagen worden wie neue geöffnet wurden!«
»Denk einmal an die Volksmassen, dann urteile von neuem!«
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