Und wo sind wir jetzt? Ich bin »ohne Gewalt«; fern sei es von mir, einen einzigen zu richten. Aber da ich doch diese Sache aufgeklärt wünsche, so will ich mich selbst vornehmen und mein Leben prüfen nach nur einer lutherischen Aussage über den Glauben: »der Glaube ist ein unruhig Ding«. Ich nehme denn an, daß Luther aus seinem Grabe aufgestanden ist; daß er schon mehrere Jahre, aber ungekannt, unter uns gelebt hat; daß er auf das Leben geachtet hat, welches von uns geführt wird, und, wie auf alle anderen, so auch auf mich aufmerksam gewesen ist. Ich nehme an, daß er nun eines Tages mich anredet und sagt: »bist Du ein Gläubiger, hast Du den Glauben?« Jeder, der mich als Schriftsteller kennt, wird wissen, daß ich doch vielleicht der wäre, der von allen am besten durch ein solches Examen kommen würde, denn ich habe ja beständig gesagt: »ich habe den Glauben nicht«, – wie ein Vogel, der angstvoll flieht vor einem Unwetter, so habe ich ausgedrückt, daß ich Unrat merke, »ich habe den Glauben nicht«. Dies könnte ich also Luther sagen, ihm sagen: nein, lieber Luther, ich bin doch so ehrerbietig zu sagen: »ich habe den Glauben nicht«. Doch das will ich nicht geltend machen, sondern, wie alle anderen sich Christen und Gläubige nennen, so will ich auch sagen: »ich bin ein Gläubiger«, denn sonst erhalte ich ja über das keine Aufklärung, was ich aufgeklärt wünsche. Also ich antworte: »ja, ich bin ein Gläubiger«. »Wie«, antwortet Luther, »davon habe ich Dir nichts angemerkt, und ich habe doch auf Dein Leben geachtet. Du weißt, der Glaube ist ein unruhig Ding. Wo hat der Glaube, von dem Du sagst, daß Du ihn habest, Dich unruhig gemacht; wo hast Du für die Wahrheit gezeugt und wo gegen die Unwahrheit; welche Opfer hast Du gebracht, was von Verfolgung erlitten für Dein Christentum; und daheim in Deinem häuslichen Leben, wo ist Deine Selbstverläugnung und Entsagung zu merken gewesen?« »Ja, aber, lieber Luther, ich kann Dir versichern, ich habe den Glauben.« »Versichern, versichern, was ist das für eine Rede? Den Glauben betreffend bedarf es keiner Versicherung, falls man ihn hat, denn der Glaube ist ein unruhig Ding, und gleich zu merken; und keine Versicherung kann helfen, falls man ihn nicht hat.« »Ja, aber glaube mir doch nur, ich kann Dir so feierlich wie möglich versichern … « »Ach halt doch ein mit dem Geschwätz, was kann Deine Versicherung nützen!« »Ja, aber wenn Du doch nur eine von meinen Schriften lesen wolltest, so würdest Du sehen, wie ich den Glauben darstellen kann; so weiß ich denn auch, ich muß ihn haben.« »Ich glaube, der Mensch ist toll! Wenn dem so ist, daß Du den Glauben darstellen kannst, so beweist das nur, daß Du ein Dichter bist, und wenn Du es gut machst, daß Du ein guter Dichter bist, aber es beweist nichts weniger, als daß Du ein Gläubiger bist. Vielleicht kannst Du auch weinen, wenn Du den Glauben darstellst; das würde dann beweisen, daß Du ein guter Schauspieler wärest; Du erinnerst Dich wohl der Geschichte von dem Schauspieler im Altertum, der in dem Grade das Gerührtsein darzustellen vermochte, daß er sogar weinte, wenn er vom Theater nach Hause kam, und mehrere Tage nachher weinte – das bewies nur, daß er ein guter Schauspieler war. Nein, mein Freund, der Glaube ist ein unruhig Ding; er ist Gesundheit, aber stärker und heftiger als das hitzigste Fieber, und wie es nicht hilft, daß ein Kranker versichert: ich habe das Fieber nicht, wenn der Arzt es am Pulse fühlt, und anderseits, daß ein Gesunder sagt: ich habe Fieber, wenn der Arzt am Pulse fühlt, daß es nicht wahr ist – ebenso, wenn man nicht den Puls des Glaubens in Deinem Leben fühlt, so hast Du den Glauben nicht. Wenn man dagegen des Glaubens Unruhe als Deines Lebens Puls vernimmt, so kann von Dir gesagt werden, Du habest den Glauben und Du »zeugest« vom Glauben. Und das heißt dann wieder im eigentlichen Sinne predigen; denn predigen heißt weder den Glauben in Büchern darstellen, noch ihn in »stillen Stunden« als Redner darstellen, – es sollte ja, wie ich in einer Predigt gesagt habe, eigentlich »nicht in der Kirche, sondern auf der Gasse gepredigt werden«, – und der Prediger soll auch nicht ein Redner sein, sondern ein Zeuge, das heißt: »der Glaube, dies unruhige Ding, soll in seinem Leben erkennbar sein«.
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