Hendrik Conscience - Das Wunderjahr (1566)

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Die Geusen betrachteten ihn mit Bewunderung.Seine Züge, die erst so kalt schienen, waren nun von edlem Ausdrucke belebt; helle Feuerstrahlen schossen aus seinen feuchten Augen.

»Ich,« hob er wieder an, »habe mein Herz an der Leuchte des Genius und der Kunst versengt. – Ich habe mein Leben in beständigem Fieber zugebracht; meine Haare sind grau geworden, meine Stirne hat sich in Falten gelegt, derweil ich noch jung bin, – und das Alles, weil ich, wie Gott seinen Geschöpfen, den Wesen, die mein Pinsel geschaffen hat, Theile meiner Seele geliehen habe, um sie in’s Leben zu rufen.«

»Allerdings mag Euere Furcht nicht ungegründet seyn. Die Bilder werden am Tage der Befreiung viel zu leiden haben,« antwortete Schuermans.

»Ja,« versetzte der Maler, »und dann werden sie meine Gemälde aus Gottes Tempel werfen; und wie tolle Hunde, meine Hoffnung aus Unsterblichkeit in Stücke reißen; meinen Namen mit jenen einer zahllosen Reihe von Meistern, die unser Vaterland gezeugt hat, für immer aus der Welt schaffen; und die Fremdlinge werden einst mit Schmerz die nackten Tempelwände anstarren, Thränen über die zerstörten Bildwerke vergießen – und Bruchstücke derselben als Heiligthümer in ihr Land mitnehmen.«

Der junge Lodewyk konnte den Künstler nicht genug ansehen. Noch nie hatte er in eines Menschen Auge so edles Feuer flammen sehen. Er stand in Gedanken versunken vor dem Künstler und trachtete ihn durch freundliche Worte zu beruhigen. Doch Van Hoort schien zu gewiß den Bildersturm zu ahnen, der in Kurzem herankommen müße. Er fuhr fort:

»In unserer lieben Frauen Kirche hängt eines meiner Bilder; an diesem habe ich zwölf Monate wie außer mir gearbeitet; der Welt mit meiner Schöpfung entrückt, zwölf Monate ohne ein anderes Gefühl, als das der Kunst lebend; durch ein quälendes Fieber mein Leben um ein Jahrzehend verkürzt; ich habe, wie jener Griechische Künstler, vor dem Werke meiner Hände gekniet und gebetet.«

Ein schwerer Seufzer erstickte feine Stimme.

»Auch bin ich,« fuhr er fort, »für dieses Stück allein in Sorge; ich habe gefleht, daß es in Sicherheit gebracht werde; – aber sie wollten nicht drauf eingehen – ich habe s es ihnen verkauft, sagen sie. – Verkauft!« seufzte er, »jawohl, ich habe es verkauft, weil mich die Noth drängte; sonst wäre mein leidender Christus nie aus meiner Stube gekommen.«

Schuermans und Lodewyk versicherten ihn, daß, so sie irgend etwas zur Rettung dieses Bildes beitragen könnten, sie ihm darin beizustehen nicht versäumen würden.

»Ich habe Kraft und Muth genug,« antwortete Van Hoort, mein Gemälde zu beschützen. Ich habe Alles berechnet. Am Tage der Verwüstung werde ich, mit Feuerwaffe und Dolch, meinen Christus vertheidigen – und wann es von der Wand herabfällt, will ich mein Blut, der Kunst und meinem Gott zum Opfer, über ihm vergießen! – Nein, meine theure Schöpfung will ich nicht überleben!«

»Ach Herr,« fiel der Wirth ihm hier in die Rede, »was kümmert Euch so, daß sie dieß Eine allenfalls in Stücke schlagen? Immerhin wie das alte Sprichwort sagt: so lang ein Haus in Antwerpen steht, wird da ein Künstler wohnen.«

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