„Oh?“, fragten sie beide im Chor.
Plötzlich fühlte sich Keira schüchtern. Eine Wohnung zu mieten, war ein riesiger Schritt für sie, für sie alle wahrscheinlich. Es würde ein Übergang sein, endlich, von einem Mädchen zu einer Frau. Für Mallory würde es das Ende ihrer andauernden Sorge sein, wie ihre Jüngste mit der Welt zurechtkam. Für Bryn würde es bedeuten, dass sie ihre Unabhängigkeit wieder zurückbekam, weniger Verantwortung tragen zu müssen, die Last, die sie seit jeher als ältere der beiden Schwestern auf ihren Schultern trug, würde ein wenig leichter werden.
„Ich habe eine Anzahlung für eine Kaution hinterlegt, um meine eigene Wohnung zu mieten.“
Es gab einen Moment verblüffter Stille. Dann begann Bryn zu jubeln. Mallory zeigte ein breites Grinsen.
„Schatz, ist das wahr?“, fragte sie.
Keira lächelte schüchtern und nickte. „Ja.“
Bryn sprang plötzlich von ihrem Stuhl auf. Sie kam herum zu Keira und warf ihre Arme um ihren Hals. „Oh, GOTT SEI DANK!“, rief sie.
Keira musste in ihrer engen Umarmung lachen. „Okay, okay, ich weiß, ich war nervig, aber echt mal!“
Bryn ließ etwas lockerer. „Es ist nicht, dass du nervig warst“, sagte sie, „es ist nur, dass Felix... nun, er hat mich gefragt, ob wir zusammenziehen wollen. Und ich habe mich etwas zurückgehalten...“
„Ich wusste es!“, rief Keira.
Auf der anderen Seite des Tisches brach Mallory in Tränen aus. „Meine beiden Mädchen sind so erwachsen.“
Natürlich konnte nun das letzte Kästchen auf der Bingo-Karte abgehakt werden. Weinen!
*
Keira ging hinaus in die kalte Nachtluft und zog ihren Mantel näher um sich. Das Abendessen mit ihrer Mom und Bryn war erfrischend gewesen. Sie hatte es wesentlich mehr genossen, als sie es erwartet hätte.
Bryn war auf ihrem Weg zu Felix, wo sie die Nacht verbringen wollte, also hatte Keira die Wohnung zu sich selbst. Sie war jedoch ziemlich müde und fühlte sich danach, gleich ins Bett zu gehen. Morgen würde sie wieder zurück ins Büro müssen und sie wollte sich frisch und erholt fühlen. Die letzten paar Wochen war sie so grummelig gewesen. Hoffentlich würde ihre positive Einstellung sich bis morgen halten.
Vor sich sah sie das U-Bahn-Schild. Als sie in dessen Richtung lief, konnte Keira eine Vibration in ihrer Tasche spüren. Ihr Handy. Sie griff in die Tasche und zog das Telefon heraus.
Zu ihrer Überraschung war es dieses Mal eine Textnachricht von Cristiano. Als sie sie öffnete, schien ihr Herz fast aufzuhören zu schlagen.
Wer auch immer das ist, lass Cristiano in Ruhe. Er hat ein neues Leben.
Keira starrte die Nachricht an und war schockiert. Die Nachricht war gar nicht von Cristiano, sondern von jemandem, der sein Handy benutzte. Eine neue Freundin?
Das Herz rutschte ihr in die Knie. All die gute Arbeit, die sie an diesem Abend geleistet hatte, schien sich plötzlich tief in ihr drinnen aufzulösen. Wie konnte er sich so schnell neu orientiert haben? Nach all den Gesprächen, die sie geführt hatten, darüber, dass er nur mit einer Frau ausgehen würde, wenn er sich vorstellen konnte, sie zu heiraten. Wie viele gab es davon denn für ihn, dass er innerhalb so kurzer Zeit eine Neue gefunden hatte? Heiratsmaterial in Cristianos Augen zu sein, schien offensichtlich wirklich nicht viel zu bedeuten. Hatte er Keira getäuscht?
Sie warf ihr Handy zurück in ihre Handtasche. Wütend stürmte sie die Treppe zur U-Bahn hinunter und hinein in die wartende Bahn. Sie warf sich auf einen Sitz und starrte das schwarze Fenster an.
Ihre Gedanken schienen sich schier zu überschlagen, gedanklich nahm sie all die gemeinsam verbrachten Momente auseinander und suchte nach irgendetwas Bedeutsamen, irgendwelchen neuen Hinweisen in der Zeit, die sie zusammen verbracht waren.
Aber je mehr sie darüber nachdachte, desto weniger wurde ihre Wut. Anstatt an dem schlimmstmöglichen Szenario festzuhalten, welches sich ihre Gedanken zusammenreimen konnten—das Cristiano sie angelogen hatte, darüber dass er in Herzensangelegenheiten vorsichtig war—schaffte sie es, sich selbst wieder zu Verstand zu bringen. Manchmal war eine Affäre die beste Beziehung. Er war für sie ja auch eine Affäre nach der Beziehung mit Shane gewesen und die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, war wundervoll gewesen. Vielleicht war diese neue Frau auch nur eine Affäre für ihn, anstatt seiner neuen Ehefrau. Vielleicht hatte er dies von Keira gelernt, dass es manchmal okay ist, mit jemandem einfach nur so zusammen zu sein, weil man es wollte und nicht weil man immer einen großen Plan im Hinterkopf haben muss.
Sie erinnerte sich an Mallorys Worte darüber, wie jede Beziehung eine Möglichkeit bot, etwas zu lernen und daran zu wachsen und dass sie vorwärts und aufwärts gehen sollte. Cristiano machte in der Tat bestimmt gerade dasselbe durch. Und Keira konnte spüren, dass auch sie da durch musste. Es war besser, als an ihrer Wut und an ihrem verletzten Ego festzuhalten und es hatte nur wenige Augenblicke der U-Bahnfahrt gedauert und sie war bereit zu beginnen es gehen zu lassen.
Sie stieg aus der Bahn aus und stieg die Treppen hinauf, bis sie wieder auf Straßenhöhe war. Sie kam aus der U-Bahn als eine weisere Frau, als welche sie eingestiegen war. Als sie in die Bahn einstieg, war sie traurig und verletzt gewesen, aber jetzt als sie ausgestiegen war, fühlte sie sich erleichtert. Dies war wirklich der Schlussstrich mit ihr und Cristiano. Es war wirklich das Ende. Es war an der Zeit vorwärts zu gehen, jetzt und für die Zukunft.
Keira klopfte mit dem Handrücken gegen Elliots Bürotür. Sie war offen, aber sie fühlte trotzdem, dass sie höflich sein sollte.
„Guten Morgen, Keira“, sagte er, und drehte den Kopf über seine Schulter, um sie anzusehen. „Komm rein, komm rein.“
Keira betrat das Büro und setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber. Sie fühlte sich von Elliots Büro immer eingeschüchtert, fast so, als wäre sie ein Schulkind im Büro des Direktors.
„Alles in Ordnung?“, fragte er und hob seinen Kopf, um ihr in die Augen zu sehen.
Keira schluckte, ihre Nerven lagen immer ein klein wenig blank und sie hatte einen Frosch im Hals, wann immer sie mit ihrem Boss sprach. „Ja, genau genommen möchte ich mich entschuldigen.“
„Wofür?“, antwortete Elliot und zog die Stirn in Falten.
„Für die letzten paar Wochen seit ich aus Frankreich zurück bin. Ich habe mich nicht von meiner besten Seite gezeigt.“ Jetzt, da sie begonnen hatte zu sprechen, wollte sie alles herauslassen und die Worte flossen ihr buchstäblich aus dem Mund. „Und ich weiß, ich habe versucht zu vermeiden, einen Ort für den nächsten Auftrag auszusuchen, ich denke, ich brauchte nach Cristiano einfach ein wenig Zeit. Ich habe mir Sorgen gemacht, weißt du? Ein neuer Auftrag, ein neues gebrochenes Herz. Aber ich hätte einfach ehrlich sein sollen, anstatt das Thema komplett zu vermeiden. Es tut mir leid.“ Sie atmete tief durch und lächelte dann. Sie fühlte sich erleichtert, dass sie endlich ihren Sorgen Luft gemacht hatte.
„Oh“, antwortete Elliot ein bisschen verständnislos. „Um ehrlich zu sein, habe ich das gar nicht gemerkt.“
Keira verzog das Gesicht. „Hast du nicht? Aber du hast mir fast täglich Emails geschickt, in denen du gefragt hast, wohin ich für meinen nächsten Auftrag reisen möchte.“
Elliot zuckte mit den Schultern. „Ich schreibe eine Menge E-Mails Keira. Sieh mal, gerade jetzt schreibe ich dir auch eine. Sieht so aus, als erübrigt sich das jetzt.“ Er klickte einige Knöpfe an, faltete dann seine Arme vor der Brust zusammen und sah sie an.
Es gab eine lange Pause. Keira zwinkerte. „Nun, worum ging es in der E-Mail?“
„Oh ja“, sagte Elliot und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf sie. „Es ging um deinen neuen Auftrag im Ausland.“
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