Amy tätschelte Emilys Hand. „Es tut mir leid, Em. Das hört sich hart an. Und im Moment kannst du den Stress nicht gebrauchen.“
Emily lächelte ihre Freundin an. „Jetzt, nachdem ich mit dir gesprochen habe, fühle ich mich schon viel besser. Es ist schön, dich hier zu haben.“ Sie wackelte mit den Augenbrauen. „Also, Harry. Glaubst du, er ist der Eine?“
Amy errötete, als die Unterhaltung wieder einmal im ihre aufblühende Beziehung zu Harry drehte.
„Es läuft richtig gut“, gab sie zu. „Wir sind so verschieden aber ergänzen uns so vollkommen.“
Emily grinste. „Ich wusste schon immer, dass du einen jüngeren Mann brauchst.“
„Oh, erinnere mich nicht“, meinte Amy und verdrehte die Augen. „Er ist nur fünf Jahre jünger als ich, aber es fühlt sich wie eine ganze Generation an. Wenn ich ein Pop-Lied erwähne, das ich in der High School toll fand, erzählt er mir, dass er sich daran erinnert, es als Zehnjähriger gehört zu haben! Ich meine, er ist der Zwanzig immer noch näher als der Vierzig.“
„Ich glaube nicht, dass Sechsunddreißig nahe an der Vierzig ist“, entgegnete Emily, die sich daran erinnerte, selbst als Spätgebärende eingestuft worden zu sein, und welche Risiken damit zusammenhingen. Es war ihr schon immer unangenehm gewesen, wenn Leute auf ihr Alter zu sprechen kamen, selbst, wenn sie es unabsichtlich taten.
„Na gut“, sagte Amy. „Aber einunddreißig hört sich für mich unglaublich jung an! Ich denke nicht gerne darüber nach. Ich werde so viel früher vierzig sein als er.“
„Denkst du schon so weit in die Zukunft?“, fragte Emily mit hochgezogenen Augenbrauen.
Amy zuckte mit den Schultern. „Anscheinend. Ich kann nichts dagegen tun. Wir passen einfach so gut zusammen. Alles ist so einfach. Sogar, wenn wir uns streiten, ist es nicht so schlimm, weil ich irgendwoher weiß, dass wir es wieder ausbügeln.“
„Das ist ja wunderbar“, erwiderte Emily, während sie in sich hineinlächelte. Amys Beschreibung glich ihrer eigenen Beziehung zu Daniel. Sie war nicht einfach, es gab immer noch Herausforderungen, aber über allem herrschte eine Gewissheit, dass alles gut werden würde. „Über was streitet ihr euch?“
„Über die Zeit“, erklärte Amy. „Und natürlich die Entfernung.“
„Ja, was wirst du deswegen unternehmen?“, fragte Emily. „Glaubst du, du wirst hierherziehen? Oder Harry nach New York?“
„Ich weiß es nicht. Den Sommer über bleibe ich hier, weshalb ich erst einmal nicht weiter denke. Ich musste sowieso mal wieder aus der Stadt rauskommen. Ich schätze, ich warte ab, wie es geht, wenn ich ein paar Monate hier verbracht habe. Das Hin und Zurück war kein Spaß, aber ich frage mich, ob die lange Entfernung gar nicht mehr so problematisch sein wird, wenn die Anfangsphase vorüber ist.“
Emily lachte. „Es ist so lustig, dich so sprechen zu hören. Es gab einmal eine Zeit, in der dir ein Wochenende hier schon zu viel war.“
Amy schien das peinlich zu sein. „Naja“, meinte sie dann abwehrend, „das war ja auch damals. Jetzt ist alles anders.“
„Du bist verliebt“, stellte Emily fest. „Jetzt weißt du auch, warum ich hierbleiben musste.“
Amy nickte widerwillig. Sie hasste es, im Unrecht zu sein.
In diesem Moment trat die Verkäuferin heran. „Es tut mir leid, meine Damen“, sagte sie, „aber wir schließen jetzt. Möchten Sie noch etwas kaufen, bevor ich die Kasse abschließe?“
„Nein, danke“, erwiderte Emily im gleichen Moment wie Amy „Ja“ sagte.
Emily sah ihre Freundin verwirrt an.
„Wir nehmen den Stillsessel“, bestimmte Amy.
„Ames, auf keinen Fall!“, rief Emily. „Er ist so teuer!“
Amy schüttelte den Kopf. „Das ist schon in Ordnung. Du verdienst ihn. Und er hat für uns bereits eine Bedeutung. Wir hatten ein sehr tiefes Gespräch in diesem Sessel. Jetzt müssen wir ihn nehmen, weil er sentimentalen Wert besitzt.“
Emily hielt ihre Hände ergeben hoch. Es hatte keinen Sinn, mit Amy darüber zu streiten. Am besten sollte sie ihre Freundin einfach walten lassen. Immerhin genoss sie es, ihren Freundinnen einen Gefallen zu tun.
Sie zahlten für den Sessel und luden ihn in den Kofferraum von Amys Auto. Als sie sich auf dem Beifahrersitz niederließ, sah Emily, dass sie einen verpassten Anruf der Pension hatte. Sofort hörte sie die Mailbox ab. Es war eine Nachricht von Lois.
„Tut mir leid, dich zu stören, Emily, aber die Männer von Erik & Sons sind hier. Sie sagen, dass sie ein Treffen mit dir arrangiert hatten. Eine Tour von Trevors Haus. Daniel meinte, dass du die Schlüssel hättest, weshalb er die Tour nicht mit ihnen machen kann.“
„Oh nein!“, rief Emily. „Amy, gib Gas. Ich bin spät dran für ein Treffen!“
Das Echo in Trevors Haus ließ Emily erzittern. Es fühlte sich so leer und unbewohnt an. So menschenleer.
Wayne Erik nahm Emily zur Seite. „Es ist ein wunderschönes Haus“, sagte er. „Trevor hat sich gut darum gekümmert.“
„Es war viele Jahre lang sein Sommerhaus, bevor er Vollzeit hier eingezogen ist“, erklärte Emily. „Das hat womöglich dazu beigetragen, dass es kaum Abnutzungsspuren gibt.“
Das und die Tatsache, dass Trevor eigentlich niemanden in seinem Leben gehabt hatte, weder Familie noch Freunde, die ihn hätten besuchen können. Er hatte jahrelang alleine in diesem großen Haus verbracht. Emily fragte sich, ob ihr Vater ein ähnliches Leben führte. Alt und alleine. Vielleicht hatte er Nachbarn, die dachten, dass er von seiner Familie verlassen worden wäre, die sich darum sorgten, dass er sich alleine fühlte. Der Gedanke löste ein schmerzhaftes Ziehen in ihr aus.
Daniel trat zu ihr und berührte sie leicht am Ellbogen. „Geht es dir gut?“, fragte er sanft.
Emily nickte. „Ich bin nur immer so traurig, wenn ich hierherkomme“, erklärte sie.
Daniel legte seinen Arm um ihre Schultern. „Ich weiß. Es ist gut, dass wir das Haus umbauen, auch wenn es sich nicht immer richtig anfühlt, Trevors Note aus diesen Haus zu entfernen. Aber das Gleiche hast du auch mit der Pension getan und es war die richtige Entscheidung gewesen.“
„Du hast Recht“, stimmte Emily zu.
Sie hielten sich an den Händen, während sie zusammen mit den Architekten durch das Haus gingen und hin und wieder anhielten, um einen Blick auf die Pläne zu werden und sie mit den tatsächlichen Begebenheiten zu vergleichen. Die Erik-Brüder hatten verschiedene Optionen für den Umbau des Hauses gezeichnet, je nachdem, wie viele Räume Emily und Daniel als Gästezimmer verwenden wollten, wie groß das Restaurant und die offene Küche sein sollten und wie viel sie auszugeben gedachten. Die günstigste Option beinhaltete die wenigste Arbeit und so viele der Originalinnenwände wie möglich würden bestehen bleiben, aber Emily war sich sicher, dass sie das gesamte Erdgeschoss komplett offen haben wollte. Dies war jedoch Teil des teuersten Plans. Aus unternehmerischer Sicht mussten sie auch das zusätzliche Einkommen durch die neuen, zu vermietenden Zimmer mit einrechnen, doch Emily wollte das Haus damit nicht überfüllen. Im zweiten Stock der Pension gab es bereits zahlreiche kleinere, günstigere Räume. Emily wollte diesen Teil der Pension luxuriös und teuer gestalten, etwas, das Besuchern den Atem verschlagen würde.
Sie blieben in der Küche stehen und sahen sich wieder die drei Pläne an.
„Ich will diesen hier für das Erdgeschoss“, meinte Emily, wobei sie auf Waynes Entwurf für die Küche und das Restaurant deutete. „Aber diesen hier für die Zimmer.“ Nun zeigte sie auf Cains Plan für den zweiten Stock. Er beinhaltete nur drei Apartment-artige Räume, in denen Familien untergebracht werden konnten, und die je genügend Platz für ein Wohnzimmer und Badezimmer boten. „Es gefällt mir, dass du sie so entworfen hast, dass jedes Apartment Meerblick hat.“
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