Ihr Herzschlag beschleunigte sich wie immer, wenn sie sich in Ricos Antiquitätenladen in ein verstecktes Schmuckstück verliebte. Sie konnte sehen, dass auch Daniel begeistert war, als er es betrachtete; es war ein zusätzliches Plus, dass sie ihre Dates am liebsten hier verbrachten.
Die beiden genossen den Nervenkitzel, etwas Seltenes und Exotisches für die Pension zu entdecken, doch sie genossen auch die Unterhaltung, die der alte, vergessliche Mann ihnen bot. Während Ricos Kurzzeitgedächtnis kein Stück verlässlich war, konnte er sich so gut wie kein anderer an lang zurückliegende Ereignisse erinnern, und häufig erzählte er ganz unerwartet Anekdoten über die Bewohner der Stadt oder erteile Geschichtsunterricht über Sunset Harbor. Außerdem trafen sie dort häufig Serena, die Emily mittlerweile als gute Freundin betrachtete, auch wenn diese fünfzehn Jahre jünger war als sie selber.
Dann schaute Emily auf und entdeckte einen reizenden Frisierspiegel mit Goldrand.
„Oh, und der hier wäre ebenfalls perfekt.“
Sie huschte durch den Laden, Daniel war ihr dicht auf den Fersen, während sie von einer Kommode zur nächsten sprang. Dabei schrieb sie die Preise und Produktnummern der Gegenstände, an denen sie interessiert war, auf, sodass sie am Ende Rico einfach nur die Liste geben musste. Immerhin würde sie mehrere Gegenstände kaufen und es war nicht sonderlich ratsam, den armen Mann zu verwirren.
„Was ist mit dem hier?“, fragte Emily Daniel, während sie ein großes Himmelbett betrachtete. „Cynthia meinte, dass das Bett größer sein müsste und dass sich meine Gäste wie Mitglieder eines Königshauses fühlen sollten.“
Daniel kam von der Stelle, an dem er ein paar Vogelbäder aus Stein untersucht hatte, zu ihr hinüber und blieb neben ihr stehen.
„Wow. Ich meine, ja, deine Gäste werden sich definitiv königlich fühlen, wenn sie in diesem Teil schlafen. Es ist riesig. Meinst du, das passt auch wirklich ins Zimmer?“
Emily holte ein Metermaß hervor und begann, das Bett abzumessen. Anschließend überprüfte sie die Daten auf dem Diagramm in ihrer Tasche. Sie hatte die Raumabmessungen aufgeschrieben, um sicherzugehen, dass sie nur Möbel kaufte, die auch wirklich in die Zimmer passten. Ihr Plan sah vor, die anderen beiden Hauptzimmer zu renovieren und all ihre finanziellen Mittel auszuschöpfen, um sie so perfekt wie möglich zu gestalten. Dann, sobald die ersten drei Zimmer genügend Geld eingebracht hatten, wollte sie schnell auf zwanzig Räume aufstocken, die sie zu einem günstigen Preis vermieten würde.
„Es würde auf jeden Fall in die Hochzeitssuite passen!“ Emily strahlte. Sie war von dem wunderschönen Bettgestell so begeistert, dass schon allein der Gedanke daran, es zu besitzen und in eines der Schlafzimmer zu stellen, ausreichte, um ihr einen gewissen Kick zu geben.
Daniel griff nach dem Preisschild und sah es sich an. „Hast du gesehen, wie teuer es ist?“
Emily beugte sich vor und las das Schildchen. „Es gehörte einem norwegischen Adligen aus dem fünfzehnten Jahrhundert“, las sie vor. „Natürlich wird es teuer sein.“
Daniel warf ihr einen verwirrten Blick zu. „Warum bist du so ruhig? Die Emily, die ich kenne, würde jetzt schon hyperventilieren.“
„Ha, ha“, entgegnete Emily trocken, obwohl sie wusste, dass er Recht hatte. Sie war eine von denen, die sich immer um alles Sorgen machten, doch diesmal war es anders. Vielleicht lag es an der tickenden Uhr, der läutenden Glocke oder dem Sand, der durch die Sanduhr ihrer Beziehung rieselte. Etwas an dieser Endgültigkeit ließ sie alle Vorsicht in den Wind schießen. „Man muss schließlich auch Geld ausgeben, um Geld einzunehmen, nicht wahr?“, bemerkte sie mutig. „Wenn ich jetzt spare, werde ich es später bereuen. Die Pension würde in sich zusammenbrechen.“
„Das klingt zwar ein bisschen dramatisch“, entgegnete Daniel mit einem Lachen. „Aber ich weiß, was du meinst. Du musst jetzt investieren, um eine Grundlage zu schaffen.“
Emily atmete tief durch.
„Okay, gut. Jetzt, da du auf meiner Seite bist, bin ich bereit, die Sache anzupacken.“
Der Gedanke, ihre ganzen Ersparnisse auszugeben und finanziell gesehen kurz vor dem Ruin zu stehen, ließ Emily nicht in einen Freudentanz ausbrechen. Sie war normalerweise vorsichtig und überdachte ihre Entscheidungen gut, sie wog stets die Vorteile mit den Nachteilen ab, bevor sie sich auf etwas einließ – zumindest hatte sie das, bis sie ihren Job überstürzt gekündigt und ihren Freund in New York verlassen hatte und nach Maine geflüchtet war. Vielleicht war sie ja impulsiver als bisher angenommen. War Cynthia deshalb so exzentrisch geworden? Immerhin fügte sie ihrer Garderobe mit jedem Jahr, das verging, eine weitere leuchtende Farbe hinzu und färbte ihr Haar in einem anderen Farbton. So sehr Emily ihre liebe Freundin auch mochte, so erzitterte sie doch bei dem Gedanken, wie sie zu werden.
Emily zwang sich, sich nicht mehr mit der älteren Frau zu vergleichen, sondern sich auf die Aufgabe vor ihr zu konzentrieren.
„Ich glaube, ich werde es kaufen“, sagte sie zu Daniel, wobei sie fast schon darauf hoffte, dass er nein sagte und ihr einen guten Grund nannte, es nicht zu tun.
Er erwiderte jedoch nur: „Cool.“
In diesem Moment trat Rico zu ihnen. „Ellie.“ Er strahlte. „Es ist ja so schön, dich zu sehen.“ Der ältere Mann hatte immer Schwierigkeiten, sich an Emilys Namen zu erinnern.
„Hi Rico“, sagte sie. „Hast du noch mehr Himmelbetten wie dieses hier?“ Sie erinnerte sich an den geheimen Raum, den Rico ihr gezeigt hatte, einen Ort, an dem er die größeren und oft auch teureren Gegenstände lagerte, die man nicht so einfach bewegen konnte. In ihm verbargen sich Unmengen an Schätzen, sogar noch mehr als in dem ausladenden Haus ihres Vaters.
„Natürlich“, erwiderte Rico, während er eine runzelige Hand auf ihren Arm legte. „Sie sind hinten. Weißt du, wo es hingeht?“
Emily nickte. Rico hatte ihr und Daniel vor ein paar Tagen den geheimen Raum am Ende des Korridors gezeigt.
„Wenn das so ist, dann schau dich einfach um“, meinte Rico. „Ich vertraue dir.“
Emily lächelte in sich hinein und fragte sich, wie er ihr überhaupt vertrauen konnte, wenn er sich nicht einmal an ihren Namen erinnerte. Dann gingen sie und Daniel den dunklen, unbeleuchteten und gewundenen Flur entlang und betraten schließlich den großen Raum im hinteren Bereich des Ladens. Genau wie bei ihrem letzten Besuch fröstelte Emily schnell und war von der unglaublichen Größe des Raumes überwältigt. Es fühlte sich so an, als würde man eine Höhle betreten. Sie zitterte und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Daniel bemerkte ihr Zittern, weshalb er sie dicht an sich zog. Die Wärme, die er abstrahlte, tröstete Emily.
Sie drangen tiefer in den Raum vor, wobei sie an kleinen Schränken und Kommoden, Schreibtischen und Kleiderschränken vorbeikamen.
„Narnia, ich komme“, scherzte Emily, als sie die besonders verzierte Tür eines Holzschrankes öffnete. Dann schrieb sie den Preis und die Artikelnummer auf ihre Einkaufsliste.
Schließlich erreichten sie die Stelle, an der alle Betten gelagert wurden.
„Hier“, sagte Emily mit einem Blick auf einen antiken, aus dunklem Holz gefertigten Rahmen eines Himmelbettes. Die vier senkrechten Balken sahen genau wie die Baumstämme aus, aus denen sie geschnitzt worden waren. Es hatte schon fast etwas Magisches an sich. „Das ist genau das, was ich brauche. Noch so eines und die teuren Zimmer werden einen ziemlich luxuriösen Flair verstrahlen, findest du nicht?“
Daniel schien von diesem Bett besonders beeindruckt zu sein. „Es ist unglaublich gut gebaut. Ich meine, das erkennt man an der Tatsache, wie gut es die Zeit überstanden hat, aber auch an dem Lack, der Art, wie er dem Holz eine natürliche Farbe verleiht.“ Er schien sich in das Bett verliebt zu haben, doch gleich nachdem er die Worte ausgesprochen hatte, wurde er sofort von einem anderen Bett abgelenkt. „Emily, schau dir das hier an, schnell!“
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