Hanspeter Born
Pilet-Golaz und das Jahr 1940
Impressum
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Umschlagsgestaltung: |
Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Liebefeld |
Umschlagsbild: |
KEYSTONE-SDA / Photopress-Archiv |
Satz: |
Stephan Cuber, diaphan gestaltung, Liebefeld |
Druck und Einband: |
CPI books GmbH, Ulm |
Verwendete Schriften: |
Adobe Garamond Pro, Copperplate |
Papier: |
Umschlag, 135g/m 2, Bilderdruck glänzend, holzfrei; Inhalt, 90g/m 2, Werkdruck bläulichweiss, 1,75-fach, holzfrei |
ISBN 978-3-907146-72-9
eISBN 978-3-907146-86-6
Printed in Germany
www.muensterverlag.ch
1.Wieder Krieg
2.Einziger Romand im Bundesrat
3.Wie sich vor Spionage und Sabotage schützen?
4.Tücken der Zensur
5.Geistige Landesverteidigung im Äther
6.«Ein flotter Gruss an unsere Soldaten»
7.Abhörprotokolle
8.Nachrichten aus dem Reich
9.Der Novemberalarm
10.Alltag
11.Ein Elefant im Porzellanladen
12.Der Nationalrat muckt auf
13.Zum zweiten Mal Bundespräsident
14.Durchzogene Festtage
15.In den Fettnapf getreten
16.Gäste aus West
17.Abschied von einem Grossen
18.Drôle de guerre
19.Umschiffte Klippen
20.Erste Tage als Aussenminister
21.Wieder vollzählig
22.«Euse General»
23.Weckruf
24.Abkommen mit den Alliierten
25.Aprilwetter
26.Fingerspitzengefühl
27.Ribbentrop droht
28.Sturm nach der Stille
29.«Fall Gelb»
30.Verschnaufpause
31.Debakel
32.Luftgefechte über dem Jura
33.Englische Bomben, deutsche Bombenleger
34.Frankreich kapituliert
35.Die Schlinge um den Hals
36.Waffenstillstand
37.Genesis einer Rede
38.Lost in Translation
39.Tatsachen
40.«Fall Schweiz zur Zeit nicht akut»
41.Seelisches Durcheinander
42.Die Ehre bewahren, die Zukunft retten
43.Mers-el-Kébir
44.Réduit
45.Solothurner folgt auf Solothurner
46.Es gibt auch «gute» Deutsche
47.Trumps unerwünschte Einmischung
48.Weisungen an den General
49.Hitler spricht
50.Die Verschwörung des Lull zu Luzern
51.Auf Kapitulationskurs?
52.«Ich will nicht mehr»
53.Die Schweiz bleibt im Völkerbund
54.Bundesfeiertag
55.Rütli
56.Berlin ist verstimmt
57.«Kronrat»
58.Das Kreuz mit der Armee
59.Blaupause für die «neue» Schweiz
60.Grimm
61.Gestörte Ferien
62.Professor Burckhardt und die germanische Kultur
63.Dr. Grawitz besucht die Schweiz
64.Battle of Britain
65.Landammann Etter?
66.«Durer»
67.Waadtländer bon sens
68.Dammbruch
69.Schriftsteller Jakob Schaffner
70.Ein Gespräch zu viert und ein Besuch am Scheuerrain
71.Schadensbegrenzung
72.Manöverluft
73.M Pilet-Golaz glaubte nicht an einen deutschen Endsieg
74.Schützenhilfe
75.Es wird dunkel
76.Herr Schulthess möchte nochmals nach Berlin
77.Für den General wird es ungemütlich
78.Der Bundesrat handelt
79.Die Schweiz atmet auf
80.Wahltheater
81.Feldgrüne Intrigen
82.Hausamanns Erzählungen
83.Jongleurakt
84.Brot und Arbeit
85.«Dutti» schlägt die Tür zu
86.Bukarest, Lissabon, Washington
87.Bürde abgelegt
Nachwort
Personenverzeichnis
«Les peuples n’aiment guère la vérité…Peut-être les historiens pas non plus …» .
(Marcel Pilet-Golaz, in einem Brief vom 30.12.1948 an Sir David Kelly, britischer Gesandter in der Schweiz von 1940–1942)
Noch vor Morgengrauen schreckt das Geknatter von Fliegerabwehrkanonen Clare Hollingworth aus dem Bett. Es ist Freitag, der 1. September 1939. Aus ihrem Hotelzimmer im polnischen Kattowitz sieht die junge englische Journalistin deutsche Bomber nach Osten vorüberfliegen. Sie telefoniert der britischen Botschaft in Warschau, um den Beginn der Feindseligkeiten zu melden. Ein Diplomat am andern Ende der Leitung glaubt der Reporterin des Daily Telegraph nicht. Darauf hängt sie den Telefonhörer aus dem Fenster. Der Mann hört das Knallen der Geschütze. Es ist Krieg.
An jenem Freitag tritt die Schweizer Landesregierung um 10 Uhr zusammen. Der Bundesrat hat natürlich erfahren, dass in der Nacht Hitlers Luftwaffe polnische Flugplätze und Städte bombardierte. Deutsche motorisierte Divisionen und Panzerverbände sind in Polen eingefallen. Die Bundesräte – und nicht nur sie – fragen sich, ob Frankreich und Grossbritannien ihre Bündnisverpflichtung gegenüber Polen einhalten und Deutschland den Krieg erklären werden. Kommt es zu einem neuen Weltenbrand, der noch schrecklicher sein könnte als der Grosse Krieg 1914 bis 1918? Wird die neutrale Schweiz wie damals verschont bleiben oder gegen ihren Willen in das Kriegsgeschehen verwickelt werden?
An der Bundesratssitzung vom 1. September nimmt zeitweise auch der tags zuvor von der Bundesversammlung zum General gewählte und nachher vom Berner Volk begeistert gefeierte Henri Guisan teil. Per Flugzeug hat man ihn aus Lausanne kommen lassen. Post- und Eisenbahnminister Marcel Pilet-Golaz ist glücklich über die Wahl seines Waadtländer Landsmannes, unter dessen Kommando er als Offizier in der 1. Division einst Dienst geleistet hat. Einige Tage zuvor läutete in der Wohnung am Berner Scheuerrain das Telefon. Der 19-jährige Maturand Jacques, einziges Kind des Ehepaars Pilet-Golaz, ging an den Apparat. Am andern Ende der Leitung meldete sich « le commandant de corps Guisan ». Guisan wollte vom Bundesrat wissen, wie seine Chancen bei der unmittelbar bevorstehenden Generalswahl stünden. Pilet konnte ihn beruhigen. Guisan war der Wunschkandidat sämtlicher Bundesräte. Die Bundesversammlung werde ihn mit grosser Mehrheit wählen, was sie dann auch tat.
An der Sitzung referiert Militärminister Rudolf Minger über die aussenpolitische Lage, «die sich in den letzten Tagen zugespitzt hat». Er hält es für dringend notwendig, «die Sicherheit der Landesgrenzen und den Schutz unserer Neutralität der Armee anzuvertrauen.» Minger kennt die Meinung des Generalstabs, wonach mit der Möglichkeit eines französischen Entlastungsangriffs durch Schweizer Gebiet zu rechnen ist. Der neue General, der gute Beziehungen zu höchsten französischen Heerführern unterhält, teilt die Ansicht des Generalstabs nicht. Für Guisan, wie für den Grossteil der schweizerischen Öffentlichkeit, kommt die einzige Gefahr aus dem Norden. Der General schlägt dem Bundesrat vor, die Armee aufzubieten und ihr den Schutz unserer Neutralität anzuvertrauen.
Für Pilet-Golaz lassen die von der Nachrichtensektion festgestellten französischen Truppenkonzentrationen an der Westgrenze auf die Furcht Frankreichs «vor einem deutschen Überfallangriff auf die Schweiz schliessen.» Guisan und Pilet sind sicher, dass die auf Verteidigung eingestellte französische Armee unsere Neutralität respektieren wird. Wie Minger nimmt er an, dass die «internationale Situation sich sehr rasch verschlimmern werde». Im Gegensatz zu Aussenminister Motta glaubt Pilet nicht an eine Verständigung zwischen London und Berlin in letzter Minute. Einmütig beschliesst der Bundesrat die sofortige vollständige Mobilmachung der Armee.
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