Mein Dank gilt zunächst den Herausgebern dieser Reihe, welche mir mit der Einladung zu diesem Beitrag ein besonderes Vertrauen ausgesprochen haben. Für die großzügige Förderung meiner wissenschaftlichen Schritte ins Gebiet der Psychotraumatologie bin ich Prof. Dr. Ulrich Schnyder außerordentlich verbunden. Diese Schritte wären jedoch ohne die Erfahrung der klinischen Arbeit mit Menschen, welche unter den strukturzersetzenden Folgen traumatischer Erfahrungen litten, oberflächlich geblieben. Diesen Menschen, welche ich bei ihren Verarbeitungsprozessen begleiten durfte, und dem Psychoanalytischen Seminar Zürich, ganz besonders aber meinem Supervisor Heini Schwob, welche wiederum mich hierbei begleiteten, gilt mein besonderer Dank.
1 Geleitwort zur Reihe
2 Vorwort
3 Dank
4 1 Psychotraumatologie und Psychoanalyse: eine bewährte Legierung wird entmischt
5 1.1 Psychoanalytische Beiträge zu den Traumakonzepten des späten 19. Jahrhunderts
6 1.2 Vom Grauen lernen: Krieg und Völkermord als Schulzimmer der Psychotraumatologie
7 1.3 Psychotraumatologische Konstrukte und ihre psychodynamischen Ursprünge
8 2 Traumatheorien
9 2.1 Das traumatische Ereignis im DSM-5
10 2.2 Drei aktuelle Traumatheorien
11 2.3 Traumakonzept und Psychoanalyse
12 2.3.1 Die psychoanalytische Begriffsinflation
13 2.3.2 Frühes psychoanalytisches Traumaverständnis
14 2.3.3 Vom objektiven Ereignis zur subjektiven Erfahrung
15 2.3.4 Die unmittelbare Reaktion
16 2.3.5 Die Ebene der Persönlichkeitsstrukturen
17 2.3.6 Die Repräsentation des Traumas
18 2.3.7 Die soziale Dimension
19 3 Von der konzeptuellen zur empirischen Forschung
20 3.1 Posttraumatische Psychopathologie
21 3.2 Psychoanalytisches Traumakonzept und empirische Forschung
22 3.2.1 Die unmittelbare Reaktion
23 3.2.2 Trauma ist kein objektives Ereignis, sondern eine subjektive Erfahrung
24 3.2.3 Persönlichkeitsstrukturen als Wirkort traumatischer Erfahrungen
25 3.2.4 Symbolisierungsfähigkeit und Integrierbarkeit der traumatischen Erfahrung
26 3.2.5 Trauma als nicht abschließbarer sozialer Prozess und das interpersonelle Vermeidungskonzept
27 4 Evidenzlage der psychodynamischen Traumatherapie
28 4.1 Zur Evidenzlage der evidenzbasierten Psychotraumatherapie
29 4.2 Evidenzlage der psychodynamischen Psychotraumatherapie
30 5 Psychodynamische Traumatherapie
31 5.1 Behandlungsrational
32 5.2 Technische Aspekte
33 5.2.1 Settingklärung
34 5.2.2 Der therapeutische Raum, Zuhören, und Widerstandsanalyse
35 5.2.3 Benennen, was sich ereignet
36 5.2.4 Abstinenz
37 5.2.5 Der Umgang mit der Vermeidung
38 5.2.6 Die Übertragungsanalyse
39 5.2.7 Durcharbeiten
40 5.2.8 Sukzession
41 5.2.9 Verstehen
42 5.2.10 Die Verwechslung von Würde und Leistung
43 5.2.11 Vertrauen als empirisches Konzept
44 5.2.12 Gegenübertragung
45 5.3 Sonderstatus Traumatherapie?
46 6 Traumaspezifische Symptome – die Rolle der Dissoziation
47 6.1 Peritraumatische Dissoziation
48 6.2 Strukturelle Dissoziation
49 6.3 Zur konzeptuellen Bedeutung des dissoziativen Abwehrmodus’
50 7 Traum und Trauma
51 7.1 Kategorisierung posttraumatischer Albträume
52 7.2 Replikative posttraumatische Albträume
53 7.2.1 Die Assoziation replikativer Albträume mit der PTBS
54 7.2.2 Ansätze zur Erklärung replikativer Albträume
55 7.3 Detailanalyse posttraumatischer Träume
56 7.4 Implikationen für die klinische Arbeit
57 8 Trauma, Bindung und Mentalisierung
58 8.1 Trauma und Bindung
59 8.1.1 Wirkung traumatischer Ereignisse auf die Entwicklung des Bindungssystems
60 8.1.2 Bindung als Risiko- und Resilienzfaktor nach traumatischen Ereignissen
61 8.1.3 Können traumatische Erfahrungen ein bereits stabilisiertes Bindungsmuster nachhaltig verändern?
62 8.2 Trauma und Mentalisierung
63 8.3 Trauma und epistemisches Vertrauen
64 9 Zusammenfassung
65 Literaturverzeichnis
66 Stichwortverzeichnis
1 Psychotraumatologie und Psychoanalyse: eine bewährte Legierung wird entmischt
Einführung
Bereits in den Studien über Hysterie (Freud & Breuer, 1895/1987) stehen traumatische Erfahrungen und ihre Folgen – damals noch unter dem diagnostischen Schlagwort der traumatischen Hysterie – im Fokus der Aufmerksamkeit. Hiermit wird deutlich, dass keine andere Psychotherapieschule auf eine so lange Auseinandersetzung mit dem Konzept des Traumas zurückblickt wie die Psychoanalyse. Zentrale Phasen der Entwicklung der Psychotraumatologie seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert werden im Folgenden blitzlichtartig beleuchtet. Einerseits werden dabei jeweils zeitgenössische psychoanalytische Beiträge betont. Anderseits werden so die psychodynamischen Wurzeln zahlreicher heute gebräuchlicher Konzepte der Psychotraumatologie freigelegt. Abschließend wird die Frage nach der Signifikanz des aktuellen psychodynamischen Beitrags und ihrer Außenwahrnehmung formuliert.
• Übersicht über die Phasen der Entwicklung der modernen Psychotraumatologie und des sich hierin abbildenden Wechsels von Anerkennung und Leugnung der Bedeutung traumatischer Erfahrungen seitens der scientific community.
• Kennenlernen zentraler psychotraumatologischer Konstrukte, deren psychodynamische Ursprünge einer weitgehenden Amnesie verfallen sind.
• Würdigung und Relativierung des psychoanalytischen Beitrags im Kanon der Psychotraumatologie.
Der Basler Psychoanalytiker Christian Kläui unterteilt die Entwicklung der Psychoanalyse in drei Phasen (Kläui, 2010). Im Zentrum der ersten Phase stehen das Symptom und seine Beseitigung. In der Behandlung der traumatischen Hysterie (Freud & Breuer, 1895/1987) strebt Freud die Auflösung des Symptoms per Wiederherstellung der Erinnerung an. Bald jedoch werden die Grenzen eines rein symptomfokussierten Ansatzes sichtbar. In der Behandlung von Dora erkennt Freud (1905) schließlich, dass sich die Symptome seiner PatientInnen nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungserfahrungen begründen, sondern dass sich die so geprägten Muster auch in der therapeutischen Beziehung aktualisieren. Nichtberücksichtigung dieses Übertragungsgeschehens, so erkennt Freud, gefährdet den Erfolg einer rein symptomzentrierten Behandlung. Diese zweite Phase steht also im Zeichen der Analyse der Übertragung, der Auflösung des malignen Einflusses unserer inneren, auf frühe Interaktionserfahrungen zurückgehenden Beziehungsmodelle. Die dritte Phase beginnt gemäß Kläui mit den späten Schriften Freuds (Freud, 1920, 1937) und wird vom Autor anhand von Referenzen zur Psychoanalyse Lacans präzisiert. Freud erkennt, »dass die Übertragung, indem sie die Liebeskonstellationen der Kindheit wieder aufleben lässt, auch die traumatischen Momente des Scheiterns in unseren Begegnungen mit den geliebten Anderen zur Wiederkehr bringt« (Kläui, 2010, S. 384). Seine Theoriebildung greift dies mit Konzepten wie Wiederholungszwang und negativer therapeutischer Reaktion auf. Kläui postuliert so eine Mangelanthropologie:
»Denn die Norm, die mit einer so verstandenen Psychoanalyse ins Spiel kommt, heisst eigentlich: normal ist die Kluft in uns selbst, die sich nie schliessen lässt, sondern nur in der unendlichen Reihe der Verschiebungen, die unser Begehren kennzeichnet, umkreisen lässt« (ebd., S. 387).
Damit stellt sich dem Menschen eine Aufgabe, die sicherlich nicht zeitgemäß ist:
»Ans Ende kommt die Analyse erst, wenn wir quer durch all unser Verlangen nach Anerkennung und Liebe anerkennen können, dass wir hier auf etwas ausgerichtet bleiben, das wir nie restlos beantworten können und das unser unbewusstes Wünschen immer wieder antreibt, so dass es in keinem noch so gut zufrieden gestellten Anspruch aufgehen und Erfüllung finden kann« (ebd., S. 386).
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