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Indes, beim Zeitlohn verbleibt das Weisungsrecht vollständig beim Arbeitgeber – wodurch eine ineinandergreifende Arbeitsorganisationletztlich erst möglich wird. Allerdings bleibt auch das Qualitäts- und Leistungsrisiko damit letztlich vollständig beim Arbeitgeber. Dies ist ein Grund dafür, dass auf den Grundlohn häufig Zusatzleistungen aufsetzen, wie eben Akkordlohn (s. Kap. 1 Rn. 38) oder Leistungsvergütung (s. Kap. 20 Rn. 1).
2. Vergütungen jenseits der Grundentgelte
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Hinsichtlich der nachfolgenden Entgeltbestandteile wird sehr im Einzelfall zu entscheiden sein, ob diese zur tariflichen „Grundvergütung“ zu zählen sind oder ob ihnen ein anderer Charakter zuzubilligen sein wird. Für tarifliche Zulagen etc. definieren die Tarifverträgeselbst regelmäßig auch, welche Entgeltbestandteile in die Berechnung einzubeziehen sind, teilweise auch sehr detailliert.
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Beispiel:
Manteltarifvertrag für die chemische Industrie, Protokollnotiz
Die Tarifvertragsparteien verstehen im Manteltarifvertrag:
1. unter „Tarifentgelt“ die gemäß § 8 BETV in den bezirklichen Entgelttarifverträgen als Stunden- bzw. Monatssätze ausgewiesenen Tarifentgelte;
2. unter „Monatsentgelt“ das monatliche Tarifentgelt, die tariflichen und die übertariflichen Zulagen, soweit diese regelmäßig monatlich gezahlt werden und nicht von der Arbeitszeit abhängig sind;
3. unter „laufende Monatsbezüge“ das Monatsentgelt und alle anderen monatlich regelmäßig gezahlten Beträge einschließlich Pauschalen für Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonntags- und Feiertagsarbeit;
4. unter „Arbeitsverdienst“ die laufenden Monatsbezüge.
5. Bei der Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsleistung können Entgeltbestandteile, die monatlich regelmäßig, aber nicht in gleicher Höhe anfallen, nach den durchschnittlichen Verhältnissen der letzten 12 abgerechneten Kalendermonate oder eines anderen durch Betriebsvereinbarung festzulegenden Zeitraums berechnet werden; ...
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Im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes, § 11 Abs. 1 BUrlG, wird die Grundvergütung mit dem Durchschnittsverdienst der letzten 13 Wochen zu definieren sein – mit Ausnahme der Mehrarbeitsvergütung –, also Akkordlohn, Provision etc. eingeschlossen.11 Für Fortzahlung des Entgelts im Krankheitsfall und bei Feiertagen sieht dies § 4 EfzG vergleichbar, lediglich nicht in einer Retrospektive, sondern gemäß Lohnausfallprinzip; d.h., dass außer Zahlungen mit Auslagenersatz und der Mehrarbeitsvergütung (§ 4 Abs. 1a EfzG) im Grundsatz alle Vergütungsbestandteile Berücksichtigung finden müssen.12 Einmalzahlungen sind nach beiden Regelungen indes nicht zu berücksichtigen.13
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Anders indes im Sinne des Kündigungsschutzrechts, dort §§ 1a Abs. 2, 10 Abs. 3 KSchG: Danach ist maßgeblich der regelmäßige Verdienst des Endmonats inklusive Geld- und Sachleistungen, und insbesondere Einmalzahlungen wie Tantieme, Jahresabschlussbeteiligung etc. sind auf den Monat umgelegt einzubeziehen.14 Ein einheitlicher Begriff eines (tariflichen) Grundentgelts ist daher nicht zu sehen.
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Um Leistungsanreize zu setzen und unternehmerische Risiken und Chancen auch auf Arbeitnehmerebene zu spiegeln, werden häufig auf den Grundlohn Zusatzleistungen aufgesetzt oder Teile des Grundlohns15 leistungsorientiert ausbezahlt; diesbezüglich sei auf die diese Entgeltbestandteile ausführlich behandelnden Kapitel verwiesen (Akkordlohn s. Kap. 1 Rn. 38, Leistungsvergütung s. Kap. 20 Rn. 1 ff.).
b) Zusätzliches Urlaubsgeld
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Nahezu alle größeren Flächentarifverträge sehen ein zusätzliches Urlaubsgeld– häufig vereinfacht „Urlaubsgeld“16 genannt, im Gegensatz zum „Urlaubsentgelt“, das die laufenden Bezüge während des Urlaubs darstellt – vor. Dabei finden sich folgende Erscheinungsformen:
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Höhe des Urlaubsgeldes: Hier finden sich zwei Grundmodelle. Das eine regelt einen festen Entgeltbetrag je Urlaubstag (z.B. in der chemischen Industrie 20,45 EUR17). Das andere orientiert sich mit seiner Berechnungsformel an der Grundvergütung (ggf. auch mit Zulagen) (so z.B. in der M+E-Industrie 50 % von 1/21,75 tel des täglichen Entgelts18).
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Fälligkeitund Rückerstattung des zusätzlichen Urlaubsgeldes: Zur Fälligkeit ist das Urlaubsgeld üblicherweise im Zusammenhang mit dem tatsächlich gewährten Urlaub gestellt (meist streng akzessorisch) oder aber, durch entsprechende Öffnungsklauseln im Tarifvertrag19 abgesichert, mittels Betriebsvereinbarung zu regeln.
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Rechtsqualitätdes Urlaubsgeldes: Das Urlaubsgeld kann sowohl als (voll rückzuzahlende) Gratifikation wie auch als (teilrückzuzahlende) Vergütung für Arbeitsleistung geregelt werden. Am häufigsten wird tarifvertraglich eine Rückzahlung von (nur) ratierlich zu berechnendem zusätzlichen Urlaubsgeld – also für diejenigen Urlaubstage, für die der Arbeitgeber auch keine Urlaubsvergütung zu leisten braucht, insbesondere bei unterjährigem Austritt – geregelt.20 Dadurch wird auch verdeutlicht, dass dem zusätzlichen Urlaubsgeld im Wesentlichen der Charakter der Gegenleistungfür erbrachte Arbeitsleistung zugebilligt wird. Genauso ist aber zulässig, eine zusätzliche Urlaubsvergütung in Gratifi kationsform(auch mit vollständiger Rückgewährungspflicht bei Ausscheiden vor einem bestimmten Termin) zu vereinbaren.21
c) Jahresleistung, Weihnachtsgeld, Sonderzahlung
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Ebenso enthalten die meisten Flächentarifverträge eine zusätzliche Vergütung zum Jahresende; je nach Tarifvertrag sind diese Zahlungen als „tarifliche Sonderzahlung“, „tarifliche Einmalzahlung“, „Jahresleistung“ bezeichnet und stellen letztlich das eher bekannte „ Weihnachtsgeld“ dar. Auch hier ist die Höhe der Leistung unterschiedlich. Leistungen von 50 % bis 100 % eines Monatsentgelts sind üblich.22
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Gemeinsam ist diesen Zahlungen meist einmal die Fälligkeit, in der Regel mit der November- oder Dezemberabrechnung,23 häufig ist die Fälligkeit vermittels einer tariflichen Öffnungsklausel betrieblich anderweitig vereinbar. Zum anderen knüpft sie häufig – anders als das Urlaubsgeld – an den Bestand des Arbeitsverhältnissesan,24 und häufig auch an den weiteren Bestand des Arbeitsverhältnisses in Zukunft25; sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, erfolgt keine Auszahlung bzw. besteht ein Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers. Die Rechtsqualitätdieser Zahlungen ähnelt damit sehr viel mehr als das Urlaubsgeld einer Gratifikation.26
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Praktisch alle Tarifverträge sehen ein ziseliertes System an Zuschlägenvor. Standard sind Zuschläge für Mehrarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit und Schichtarbeit. Auch üblich sind Zuschläge für Nachtarbeit und Arbeit unter besonderer Belastung sowie Rufbereitschaft – Letzteres häufig als Pauschale. Auch Exoten wie „Spätarbeit“ finden sich vereinzelt.27 Im Übrigen sei zur Ausformung und Gestaltung dieser Vergütungsbestandteile auf die Kapitel 32, Kapitel 33 (Rn. 6) und Kapitel 34 (Rn. 22) verwiesen.
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Neben Zuschlägen finden sich auch weitere Sondervergütungsarten, wie etwa Vertretungsvergütungen, Bereitschaftsvergütungen (Bereitschaft s. Kap. 28 Rn. 18 ff.), selten auch Mitarbeitererfolgsbeteiligungen.28 Zu anderen Sondervergütungen – in der Regel außerhalb des Tarifwerkes – an anderer Stelle (Halteprämien s. Kap. 21).
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