Er ist eben aus dem Service-Bereich aufgetaucht und hat mir eröffnet, dass meine Masseuse Marie heute leider krank ist. Jetzt könnte er meinen Termin übernehmen.
»Wenn das für Sie in Ordnung ist«, sagt er und präsentiert mir ein mildes Lächeln.
Und ob das für mich in Ordnung ist, schöner Mann!, entgegnet eine Stimme in mir. Zurückhaltend wie ich bin, sage ich aber nur verhalten »Ja« und erkundige mich noch danach, ob Marie etwas Ernstes fehlt.
»Nein«, sagt Tom in einem ruhigen, sympathischen Ton. »Sie hat nur eine Erkältung.« Während er spricht, dreht er sich etwas von mir weg und zeigt den Flur hinunter.
»Möchten Sie sich dann in Raum sieben fertig machen?«
Das möchte ich. Ich stehe auf und gehe, gefolgt von Tom, den Flur hinunter.
Im Raum sieben ist alles weiß, die Wände, die Massageliege, auch die kleine Bank, die an der Wand steht. Entspannungsmusik läuft. Man hört Meeresrauschen. Hin und wieder erklingt leise eine Gitarre.
»Sie wissen ja Bescheid, nicht wahr?«, will Tom wissen.
»Aber ja.«
»Dann bin ich gleich wieder bei Ihnen.«
Er zieht die Tür hinter sich zu und lässt mich allein.
So wie bei jedem Termin mit Marie streife ich meine Kleider ab. Aber etwas ist anders. Unter jede Bewegung, die ich beim Ausziehen mache, legt sich eine vibrierende Unruhe. Als ich endlich nackt bin und meine Sachen auf der kleinen Holzbank verteile, muss ich eine ganze Weile darüber nachdenken, wo ich meinen Slip hinlege. Ich will, dass Tom ihn sieht, wenn er hereinkommt, aber dann auch wieder nicht. Ich überlege hektisch hin und her. Meine Unentschlossenheit nervt mich schrecklich. Sie passt ganz und gar nicht an diesen Ort mit dem Meeresrauschen. Ich bin doch hier, um zu relaxen.
Schließlich verstecke ich meinen Slip unter meiner Jeans, greife mir das weiße, flauschige Handtuch, das wie immer bereitliegt, und drapiere mich auf der Massageliege. Das Handtuch landet auf meinem Po.
Tom lässt etwas auf sich warten, aber dann geht die Tür langsam auf und wieder zu und wir sind zu zweit.
»Also«, ertönt seine Stimme, »man hat mir gesagt, Sie mögen unser Mandarinenöl, ist das richtig?«
»Genau.«
»Schön«, sagt er.
Ich bitte ihn, die Musik abzuschalten, wie ich es bei Marie auch immer tue. Das ist so ein kleiner Tick von mir. Ich liebe dieses Geräusch, das man hört, wenn Hände über Haut streicheln. Für mich gehört das zu jeder Massage dazu. Und Toms Hände will ich unbedingt auf meiner Haut hören.
Er geht zum Lautsprecher, der in der Raumecke angebracht ist, und schaltet ihn aus. Das Meeresrauschen verklingt. Jetzt gibt es nur noch die Geräusche unserer Körper und ich schließe die Augen, um sie zu genießen.
Ich höre Toms Schritte. Sie kommen zu mir und verstummen. Das Rascheln seiner Kleidung. Das satte Ploppen vom Verschluss einer Flasche. Dann fließt warmes Öl zwischen meine Schulterblätter. Ich strecke mich wohlig. Mandarinenduft hüllt uns ein. Plopp. Tom hat die Flasche mit dem Öl wieder geschlossen. Seine Hände reiben aneinander. Er berührt mich, gleitet mit seinen Handflächen über mich. Angefangen beim Nacken streichen sie meinen Rücken hinunter, bis an die Kante des Handtuchs, das meinen Po bedeckt.
Tom wiederholt die Prozedur. Einmal, zweimal, dreimal. Seine Hände gleiten immer wieder mit leichtem Druck meinen Rücken entlang. Aber sie bewirken etwas ganz anderes als die von Marie. Es gibt keine Entspannung. Mit jedem Streicheln und Drücken werde ich unruhiger. Erregter. Wenn er beim Massieren Smalltalk machen würde, würde mich das ablenken, aber so ...
Als er mit einer langen Bewegung meine Wirbelsäule hinunterfährt, kann ich nicht mehr stillhalten. Ich seufze auf und fange an, auf der Liege hin und her zu rutschen.
»Bereitet Ihnen das Schmerzen?«, fragt er mich.
»Nein, nein. Alles in Ordnung.«
»Tatsächlich?«
»Alles in Ordnung.«
»Hm«, macht er nachdenklich. »Ich habe das Gefühl, dass Sie immer fester werden.«
»Ach, wirklich?«, frage ich so überrascht wie möglich. »Fühlt sich für mich gar nicht so an.«
»Aha«, sagt er und ich versuche, aus dem Ton seiner Stimme zu erfahren, ob er etwas gemerkt hat. Sicher bin ich mir nicht.
Seine Hände setzen sich wieder in Bewegung. Er arbeitet sich noch einmal streichend meinen Rücken entlang, löst sich von mir und setzt an meinen Schenkeln neu an.
Oh Gott, was sind das bloß für Hände?! Mein Schoß wird feucht. Ich muss wieder seufzen, kann dieses Mal aber jegliches Geräusch unterdrücken.
Als sich die Spannung in mir ein wenig legt, rast eine Frage durch meine Gedanken: Ob ich es schaffe, zu kommen, ohne dass er etwas davon merkt? Ganz still und heimlich? Wenn ich vorsichtig bin und mir das Zappeln verkneife, könnte es funktionieren, denke ich, aber dann streicht Tom an der Innenseite meines Schenkels entlang und mein ganzes Bein fängt an, vor Lust zu zittern.
»Oh«, sagt er verblüfft. »Hat Ihnen das wehgetan?«
»Nur ein bisschen«, hauche ich. Das scheint mir schlauer zu sein, als zu behaupten, es wäre gar nichts los.
»Hm«, macht Tom nachdenklich und legt seine Hand vorsichtig an meinen Schenkel. Einer seiner Finger wandert auf meiner Haut entlang.
»Tut es hier weh?«, fragt er.
»Nein.«
»Und hier?«
»Ein bisschen«, lüge ich.
»Aha. Und hier?«
»Auch ein bisschen.«
»Hier?«
»Nein.«
Tom legt wieder seine ganze Hand auf mich und reibt meinen Schenkel in einer kreisförmigen Bewegung.
»Oh Mann«, platzt es aus mir heraus.
»Tut das gut?«
»Ein bisschen«, sagte ich. Noch bevor ich die Antwort ausgesprochen habe, merke ich, wie dämlich sie klingt. Ein bisschen ... Das tut ein bisschen gut ... Völlig bescheuert! Zum Glück massiert Tom sofort weiter.
Ich kneife meine Augen fest zusammen und beiße mir auf die Lippen. Mein ganzer Körper glüht von seiner Berührung. Merkt er denn tatsächlich nicht, was mit mir los ist? Spürt er denn nicht, was seine Hände bei mir anrichten? Anscheinend nicht – aber eines ist sicher: So still kann ich neben ihm nicht mehr lange liegen bleiben. Irgendetwas muss ich jetzt tun. Ob es gutgeht oder nicht, spielt keine Rolle. Ich will nicht mehr nur einfach abwarten wie ein verstocktes Etwas. Das bin ich nicht. Ich bin ein Mensch der Tat.
Als er wieder in Reichweite kommt, strecke ich meine Hand aus und legte sie zwischen seine Beine. Toms Bewegung hält schlagartig inne. Ich streichele ihn vorsichtig und hebe meine Hand etwas höher, bis ich seinen Schwanz unter dem dünnen Stoff ertasten kann. Ein kurzes Abwarten. Fühlen. Dann ziehe meine Hand wieder weg.
Tom ist vollkommen still und es ist, als könnte ich seine Gedanken lesen. Tatsächlich: Ich habe das sichere Gefühl, dass ich ganz genau weiß, was in ihm vorgeht. Er spürt gerade meiner Berührung nach und prüft, ob es sich um ein Versehen handeln könnte. Nein, bestimmt nicht, denkt er, dafür war sie zu fordernd und gezielt. Dann überlegt er, wie ernst ich es wohl gemeint habe. Wieder fühlt er meiner Berührung nach – analysiert ihre Intensität. War es nur so etwas wie ordinäres Streicheln? Oder eine Einladung? Sein Verstand kommt zu dem Schluss, dass ich es sehr ernst meine. Und dann folgt endlich die eigentliche Preisfrage. Ich weiß einfach, dass es so ist, kenne Männer inzwischen gut genug. Tom überlegt, ob er darauf eingehen soll. Bestimmt beschaut er sich dazu noch einmal gründlich meinen Körper. Meine Schultern und mein ganzer Rücken müssen vom Öl glänzen. Tom sieht sie jetzt anders an als vorher. Vor ihm liegt keine Kundin mehr, sondern eine splitternackte Frau, die reichlich scharf auf ihn ist. Ich kann seine Blicke förmlich spüren, auch seine drängenden Gedanken. Vielleicht hat er sogar den Impuls, das Handtuch ein bisschen herunterzuschieben, um das, was da vor ihm liegt, eingehender zu begutachten. Aber er verkneift es sich, weil er weiß, dass das schon eine Einwilligung wäre.
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