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Hemmungslos Real | Erotischer Roman
von Willa von Rabenstein
Willa von Rabenstein – nomen est omen – lebt wie eine schillernde, schwarze Räbin unter bunten Papageien in Hamburg. Nach dem Motto „carpe diem“ führt sie ein Leben voller Spontaneität, Lust und Sinnlichkeit, was auch Grundtenor ihrer Malerei und ihres ersten Erotikromans ist. Willa bedient sich in ihren Veröffentlichungen einer besonderen Ästhetik und einer äußerst klaren, niveauvollen Sprache, die den Leser in die Handlung hineinsaugt und ihn sich vom Betrachter zum Akteur träumen lässt.
Lektorat: Nicola Heubach
Originalausgabe
© 2017 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: Paar: © George Mayer @ bigstockphoto.com Haus: © grigvovan @ bigstockphoto.com
Umschlaggestaltung: MT Design
ISBN 9783862776931
www.blue-panther-books.de
Eva (Hamburg)
Die E-Mail aus dem Business-Forum reißt mich aus meiner Arbeit. Ich redigiere gerade einen Text, als ich das Postfach öffne.
»Sie sehen großartig aus!«, lautet der überraschende Inhalt. Was soll das? Welcher Spaßvogel tobt sich hier aus? Der Absender ist ein gewisser Robert. Das Foto zeigt einen etwa 40jährigen Mann mit hellblondem Haar und hellgrünen Augen. Nicht mein Typ, aber ein interessanter Mann. Als Journalistin bin ich gewohnt, auf Nummer sicher zu gehen. Ich recherchiere nicht nur persönliche Daten und den beruflichen Werdegang des Mannes, der sich Robert nennt, ich erfahre sogar, wo er arbeitet. Seine Angaben sind offenbar korrekt. Das Internet ist nicht zu unterschätzen. Irgendetwas reizt mich an diesem unerwarteten Kompliment. Ein ungewöhnlicher Weg, Kontakte zu knüpfen. Schmunzelnd entschließe ich mich, zu antworten.
»Woher wissen Sie das?«
Die Antwort kommt sofort. »Ich habe schon lange eine Notiz an Ihr Foto geschrieben. Wollen Sie wissen, welche?«
»Gern.«
»Wow, interessant und sehr sexy!«
»Was soll Frau dazu sagen?«
»Das weiß eine Frau wie Sie ganz genau.«
»Ich freue mich über das Kompliment.«
»Sie sind eine äußerst begehrenswerte Frau mit Stil. Ich schaue mir immer wieder Ihre Bilder an.«
»Welche Bilder? Im Forum gibt es nur eins.«
»Google.«
Ich gebe meinen Namen bei Google ein und eine ganze Reihe von Fotos erscheint. Die meisten dokumentieren meine Tätigkeit, andere sind von verschiedenen Websites.
Na dann ...
»Ich bewundere Ihre Haltung, Ihre Figur, Ihre Klasse«, schreibt er. »Tragen Sie manchmal offene Sandaletten mit hohen Absätzen?«
Aha, daher weht der Wind. Ein Schuhfetischist. Der traut sich was. Es verspricht, spannend zu werden und ich steige ein.
»Ja, ohne Strümpfe. Dazu einen schmalen, ganz engen Rock. Alles schwarz.«
»Vielleicht eine enge weiße Bluse?«
»Ja.«
»Und dunkelrot lackierte Fußnägel?«
»Natürlich.«
»Die Schuhe sind hoch?«
»Sehr hoch.«
»Tragen Sie gern schöne Wäsche?«
»Sehr gern.«
»Das dachte ich mir. Würden Sie einen Knopf Ihrer Bluse öffnen?«
»Okay.«
»Würden Sie bitte vor mir auf und ab gehen?«
»Gern.«
»Mmhh. I love it. Macht es Ihnen was aus, den Rock etwas hochzuziehen?«
»Warum nicht?!«
»Gut. Und sich vor mir hinzuknien?«
»Face to Face?«
»Ja, bitte. Und den Mund dabei öffnen?«
»Sie haben gern Blowjobs?«
»Welcher Mann nicht?«
»Okay.«
»Sie dürfen aber nicht blasen. Sie müssen passiv bleiben. Nur den Mund öffnen – erst einmal.«
»Dabei sieht Frau ziemlich blöd aus.«
»Glaub ich nicht. Außerdem müssten Sie in der Situation gehorchen. Sie müssten vor mir knien. Begehrenswert in diesem Outfit!«
»Ja.«
»... und ich würde Ihnen meinen heißen, harten Schwanz auf die Lippen legen, und es mir machen.«
Diese Anmache erregt mich, aber mir wird doch ein wenig mulmig. Habe ich den Verstand verloren? Ich breche das Spiel ab, ich will Zeit gewinnen.
»Das müssen Sie jetzt leider allein in Ihrer Phantasie tun«, schreibe ich Robert, »denn ich lege mich nun in meine Wanne und entspanne, damit ich danach zu meinem Tango-Unterricht fahren kann.«
»Rufen Sie mich aus der Wanne an.«
»Ein anderes Mal vielleicht. Heute bleiben Sie mit Ihrer Phantasie allein.«
»Wissen Sie, was ich dafür geben würde, Sie heute zu sehen?«
»Es wäre sehr unspannend, wenn sich solche Spannungen so leicht entspannen ließen.«
»Im Gegenteil. Heute würde ja nicht viel passieren und das würde die Spannung immens erhöhen.«
»Ein anderes Mal vielleicht.«
»Bitte! – Hier ist meine Telefonnummer ...«
»Heute nicht.«
»Ich möchte heute noch Ihre Stimme hören. Rufen Sie mich nachher aus dem Auto an.«
»Bis bald.«
»Der Mann in mir, der Sie unbedingt haben will, und der höfliche Kerl in mir streiten gerade darüber, ob ich die Telefonnummer von Ihrer Website wähle.«
»Da wünsche ich Ihnen sehr, dass der höfliche Kerl gewinnt.«
»Hat er schon.«
»Gut.«
Jetzt habe ich es brandeilig. Meine Tangostunde beginnt in einer knappen Stunde. Von meinem Haus sind es zwanzig Kilometer bis Hamburg-Ottensen und ich möchte Christof nicht warten lassen. Christof ist ein guter Freund, mit dem ich schon seit einem Jahr tanze. Er ist fünfundvierzig und leitet eine bekannte Hamburger Bank. Immer wieder ernten wir neidische Blicke, wenn wir ganz in Schwarz gekleidet über das Parkett schweben. Christof verkörpert mit seinen ein Meter zweiundneunzig durchtrainiertem Körper, dem lockigen schwarzen Haar und seinen hellgrünen Augen den Typ Mann, bei dem Frauen die Knie weich werden. Dazu hat er eine äußerst gewinnende Art. Ich genieße diese Blicke jedes Mal innerlich schmunzelnd, denn Christof ist schwul.
***
Nach dem Tango gehen wir, wie üblich, auf ein Glas Wein in eine gemütliche Kneipe gleich quer über die Straße. Kaum, dass wir an dem kleinen Tischchen auf der Empore Platz genommen haben, platze ich mit der Neuigkeit heraus.
»Kennst du zufällig einen Broker in Hamburg, der Robert heißt? Er hat ungefähr dein Alter und ich dachte, ich frag mal. Manchmal gibt es ja Zufälle.«
»Bedaure«, antwortet Christof. »Wer ist das?«
»Ich hatte heute einen ganz verrückten Online-Chat.«
»Interessant, dass du für solche Dinge Zeit hast, meine Liebe«, bemerkt Christof leicht ironisch.
»Normalerweise ja nicht, aber das heute war etwas anderes. Es hatte einen eigenartigen Sog und war ganz schön prickelnd.«
»Nun spann mich nicht auf die Folter. Erzähl schon!«, fordert Christof ungeduldig.
Ich gebe den Inhalt des Chats detailliert wieder und bin gespannt auf Christofs Reaktion, aber der verzieht keine Miene. Das kann er gut: zuhören, ohne das Gehörte durch Reaktionen gleich zu bewerten.
Als ich mit dem Satz »und dann habe ich die Mail schlicht mit gut geschlossen« ende, klatscht Christof begeistert Beifall und lacht.
»Was gibt es denn da zu klatschen?«, frage ich leicht irritiert. Ich fühle mich verunsichert, zumal mir das Ganze selbst sonderbar vorkommt.
»Ich finde es prima, dass du dich auf diese Geschichte eingelassen hast«, wehrt sich Christof lachend. »Du bist gern so sachlich, immer cool, immer kontrolliert. Ist doch spannend, mal den Bauch sprechen zu lassen. Was riskierst du? You fly the plane!«
»Ich bin froh, dass du das so siehst. Zur Sicherheit schicke ich dir aber die Daten von dem Typen, wenn ich darf.«
»Gern. Tu das. Und ich möchte unbedingt hören, wie das weitergeht! Da werde ich schon heiß beim Zuhören!«
»Ich auch«, muss ich zugeben. »Ich werde nachher gleich noch einmal ins Netz gehen.«
Wie immer tauschen wir uns über die Geschehnisse der vergangenen Woche aus, bevor ich Christof gegen dreiundzwanzig Uhr zur U-Bahn fahre und mich auf den Weg nach Hause mache. Die Straßen sind nicht mehr sehr belebt.
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