»Generalprobe für die Show am Samstag ist um drei Uhr nachmittags. Roberta und Lise, ihr lasst die Gäste wissen, dass sie ihre Knirpse in eurer Obhut lassen dürfen. Bestandteile werden sein: Footloose, A Chorus Line, Grease und die Rocky Horror Picture Show. » Nach jedem Programmpunkt warf Carlos einen Blick zu Leon, der immer automatisch nickte. Ein leicht diabolisches Lächeln erschien auf Carlos‹ Lippen, als er fortfuhr. »Und ab Sonntag habt ihr alle drei Tage bezahlten Urlaub.«
»Hey! Habe ich etwas verpasst?« Leons Kopf ruckte blitzschnell hoch.
»Nein.« Carlos grinste ihn entwaffnend an. »Ich wollte nur testen, ob du noch zuhörst.«
»Also, dann noch mal zu Sonntag. Bis auf die Rettungsschwimmer habt ihr alle bis um sieben Uhr frei und danach helfen bitte alle beim Aufbau für unsere Flamenco Show. Die Truppe der Tänzer kommt um halb neun und braucht keine Vorbereitung. Noch Fragen? Abendessen für euch gibt es nachher, okay?«
Er warf einen Blick in die Runde. »Dass der Montag, bis auf Badminton und Gymnastik am Vormittag, komplett frei ist, muss ich wahrscheinlich nicht erwähnen.«
» Bis auf die Rettungsschwimmer ! Den Spruch kenn ich.«
Carlos grinste entschuldigend in Sebastians Richtung. »Du sagst es, bis auf die Rettungsschwimmer.«
»Abgesehen davon ist für Mittwochabend wieder die Tour durch die Cafés und Bodegas in Ibiza Stadt angesagt. Bitte, vergesst mir ja nicht bei den Anmeldungen zu erwähnen, dass der Bus um sieben hier losfährt und um Punkt Mitternacht zurück ist. Wer in einen Club möchte, soll uns das sagen. Wir gehen nicht mit in Clubs. Jedes Mal der gleiche Mist. Wir reservieren unten am Strand in der Beach Bar und von dort aus geht es nach Sonnenuntergang quer durch die Kneipen der Altstadt. Keine Diskotheken, es sei denn einer von euch legt gesteigerten Wert darauf.«
Einhelliges Kopfschütteln antwortete ihm. Es war nicht amüsant, Gäste zu betreuen, die irgendwann so sternhagelvoll waren, dass sie ihre Namen in die weiße Kiesauffahrt eines Nobelclubs pinkelten. Nach Mitternacht war keiner von uns mehr bereit, irgendwo hinzugehen. Das hatte die Erfahrung uns gelehrt.
Carlos war offensichtlich zufrieden. »Sehr schön, das wäre geklärt. Dieses Mal begleiten Cara, Roberta, Fernando und ich die Gäste. Cara und Roberta in den Bussen, Fernando und ich im Jeep hinterher. Wir parken auf dem Parkplatz am Hafen – dahin könnt ihr eventuelle Totalausfälle eskortieren, die wir den Busfahrern nicht mehr zumuten können.« Sein Blick wanderte zu Roberta und mir. »Besoffene Kerle ab einem gewissen Level sofort zu uns.«
Wir nickten gehorsam. Im vergangenen Jahr, als wir unseren ersten Sommer als Team auf Ibiza verbrachten, hatte ein total betrunkener Engländer versucht, sich an mir zu vergreifen. Carlos warnte ihn – vor Zeugen – zwei Mal. Als er dann noch immer probierte, seine Hände unter mein Shirt zu schieben und mich zu küssen, dauerte es keine zwei Minuten und er verbrachte den Rest seines Aufenthaltes im Krankenhaus. Bis dahin war mir nicht bewusst gewesen, dass Carlos tatsächlich ausrasten konnte.
Dios mío, und wie er das konnte!
»Gut, das war’s dann für jetzt. Noch Fragen?«
Leon erhob sich. »Weil ich den Großteil von euch gerade hier habe, möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich für den exzellenten Job bedanken, den ihr alle macht. Ich bin der Meinung, dass ihr das beste Team seid, das ich je hatte. Das muss auch mal gesagt werden. Und aus diesem Grund stelle ich am Sonntag ab Mittag die Jeeps zur Verfügung. Wer also Lust hat und die Nase voll davon, andauernd nur hier herumzuhängen, der darf sich an diesem Tag gerne einmal in die Berge oder sonst wohin aufmachen.«
Carlos unterhielt sich noch mit Clive und Leon, als ich mich zur Tür hinausstahl. Schnellen Schrittes ging ich zu unserer Wohnung, holte mein Badehandtuch, schlüpfte in meine Flip-Flops, packte mein Strandzeug in meine riesige Basttasche, setzte mir die Sonnenbrille auf die Nase und machte mich auf den Weg zum Strand.
Besonders weit kam ich nicht. Was machte Lupe denn um diese Zeit noch im Restaurant? Die Frau sollte seit mindestens einer Stunde zuhause sein. Ich bog scharf links ab, umrundete den Pool und tippte ihr auf die Schulter. »Lupe, was ist los? Hast du vergessen, dass du um zehn Feierabend hast?«
Sie klatschte seufzend den Lappen, mit dem sie die Tischplatten abwischte, vor sich auf den Tisch. »Wie könnte ich das vergessen, ich bin zum Umfallen müde. Aber letzte Nacht ist Juanna auf einer zerlaufenen Eiswaffel ausgerutscht und liegt jetzt mit einer dicken Beule und einer Gehirnerschütterung im Bett, die Maschine für die Tellerwäsche ist ausgefallen und unser Helfer, dessen Namen ich nicht aussprechen kann, hat sich die Hand verbrüht. Selbst Juan ist drin und spült ab, in einer halben Stunde gibt’s die Mittagssnacks und die Tapas. Was soll ich denn tun?«
Ich sah nachdenklich an meinem hübschen Strandkleidchen hinab. »Hm, du packst jetzt zusammen und gehst nach Hause. Ich helfe drinnen mit und Juan soll die Tische weiter vorbereiten. Du gehst schlafen, sofort.«
Lupe sah mich ungläubig an. »Das tust du? Wirklich?«
Ich nickte, ehe ich mich doch noch anders entscheiden konnte. »Das tu ich und jetzt, hasta la vista, mi amiga.«
»Carlos hat eben doch recht, du bist ein Engel.«
»Nicht übertreiben.« Ich ließ mich von Lupe kurz drücken, griff nach dem Lappen und strebte auf den Eingang zu.
»Cara, was ist los? Braucht ihr Hilfe?«
Andy! Der kam mir gerade recht. Ich drehte mich um und zog ein trauriges Gesicht. »Ja, eklatanter Personalmangel. Sie brauchen jemanden, der beim Spülen hilft. Juan kann sich nicht vierteilen.«
Andy runzelte nur kurz die Stirn, dann zog er sein schönes Shirt über den Kopf, lächelte mich aufmunternd an und trabte mit einem »Na, dann wollen wir mal« ins Restaurant. Der Kerl war einfach nur zum Knutschen.
Fünf Minuten später standen Andy und ich in einem äußerst fragwürdigen Outfit an der großen Spüle in der Küche und reinigten im Akkord Teller und Tassen. Er in seinen Badeshorts, ich im Bikini, beide mit hochgezurrten Haaren, mit Gummihandschuhen bewaffnet und zum Schutz vor heißen Wasserspritzern mit bodenlangen Gummischürzen ausgestattet – hinten offen, wohlgemerkt. Wir boten ein wahrhaft göttliches Bild. Meine Drohung, dass niemand mehr seines Lebens froh würde, sollte ich auch nur einen Fotoapparat erahnen, schien zu fruchten. Welch Wunder, alle waren einfach nur dankbar für unsere spontane Hilfe.
Kurz vor halb zwei Uhr waren wir fertig. Schweißüberströmt zupften wir uns die müffelnden Gummihandschuhe von den Händen und ließen uns von Richard die Schürzen abnehmen. Der musterte uns voller Respekt. »Mensch, Leute, das war echt prima von euch. Ihr wisst, dass ihr das nicht hättet tun müssen?«
Andy hieb ihm freundlich auf die Schulter. »Wissen wir, ist schon okay.«
Da wir beide jetzt nur noch an den Strand wollten, lehnten wir ein »Süppchen« dankend ab und trollten uns, nachdem wir unsere Haare entknotet hatten, nach draußen. Nach der eher dunklen Küche blendete die Sonne und wir ernteten ob unseres Erscheinungsbildes einige seltsame Blicke. Das war uns egal, allerdings bemerkte ich, dass wir grauenvoll stanken. Daher stellten wir uns erst einmal ein paar Minuten unter die Duschen am Pool. Danach fühlte zumindest ich mich wieder besser, schlüpfte, nass wie ich war, in mein enges Kleidchen, beugte mich nach vorne und schüttelte meine langen Haare aus. Als ich Andy leise lachen hörte, wandte ich mich ein wenig verwirrt um. Er stand direkt neben mir und trocknete sich notdürftig ab.
»Was ist, warum lachst du?«
Er grinste mich verschwörerisch an. »Schau dir mal ganz unauffällig die Kerle hier an. Wenn die jetzt dürften, wie sie wollten … das wäre lustig. Aber wenn ich mir ihre Frauen betrachte, dann können sie das allesamt getrost vergessen.«
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