Hermann Bauer
Grillparzerkomplott
Wiener Kaffeehauskrimi
Kaffeehausdoppel Oberkellner Leopolds Freund David Panozzo trägt im Zuge seiner neuen Arbeit als Ober im Café Schopenhauer der gehbehinderten ehemaligen Schauspielerin Katja Winkler ihre Einkäufe in die Wohnung. Dabei findet er ihre Leiche. Er wird vom Mörder niedergeschlagen und gerät unter Mordverdacht, als er nach einer kurzen Ohnmacht panisch reißaus nimmt. Auf Bitte von Oberinspektor Juricek springt Leopold im Schopenhauer für David ein. Er arbeitet nun in zwei Kaffeehäusern gleichzeitig, um dessen Unschuld zu beweisen. Katjas schauspielerische und private Vergangenheit beschäftigt Leopold dabei ebenso wie die fragwürdigen Umstände, die zu ihrer Verletzung führten. Rasch machen sich einige Schopenhauer-Gäste verdächtig. Außerdem erfährt Leopold von einem Telefonat, das David mithörte, und in dem Katja mit einer »Grillparzer-Geschichte« in Verbindung gebracht wird. Ist es die entscheidende Spur? Leopold ist davon überzeugt, doch der Mörder bleibt nicht untätig …
Hermann Bauer wurde 1954 in Wien geboren. Dreißig wichtige Jahre seines Lebens verbrachte er im Bezirk Floridsdorf. Bereits während seiner Schulzeit begann er, sich für Billard, Tarock und das nahe gelegene Kaffeehaus, das Café Fichtl zu interessieren, dessen Stammgast Bauer lange blieb. Von 1983 bis Anfang 2019 unterrichtete er Deutsch und Englisch an der BHAK Wien 10. Er wirkte in 13 Aufführungen der Theatergruppe seiner Schule mit. Als Herman Bauer 1993 seine Frau Andrea heiratete, verließ er ihr zuliebe seinen Heimatbezirk. Im Jahr 2008 erschien sein erster Kriminalroman »Fernwehträume«, dem zwölf weitere Krimis um das fiktive Floridsdorfer Café Heller und seinen Oberkellner Leopold folgten. »Grillparzerkomplott« ist der 13. Kaffeehauskrimi des Autors.
Personen und Handlung sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Das wunderschöne Alt-Wiener Café Schopenhauer in der Staudgasse 1 im 18. Wiener Gemeindebezirk Währing nahe der Volksoper gibt es jedoch wirklich und ist einen Besuch wert.
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Alle Rechte vorbehalten
2. Auflage 2020
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Senta Wagner, Wien
ISBN 978-3-8392-6582-6
Für Martin Berger, der mir die entscheidende Idee
zu diesem Buch gegeben hat.
Montag, 8. Oktober, bis Donnerstag, 11. Oktober
Leopold W. Hofer saß im Kaffeehaus und ließ sich sein Frühstück munden. Er bestrich eine Semmel mit Butter und Marmelade und nahm zwischendurch einen Schluck vom Kaffee. Allerdings tat er dies nicht im Café Heller in Floridsdorf, wo er als Oberkellner arbeitete, sondern im Café Schopenhauer auf der anderen Seite der Donau, im 18. Wiener Gemeindebezirk Währing, in der Nähe des Gürtels. Dementsprechend handelte es sich um ein Schopenhauer-Frühstück: zwei Gebäck, Eierspeise mit zwei Eiern, Schinken, Käse, Salami, hausgemachter Aufstrich, hausgemachte Marmelade, Butter, frisches Gemüse und 1/8 Orangensaft.
Wenn Leopold seinen Heimatbezirk verließ und noch dazu die Donau überquerte, musste das einen bestimmten Grund haben, denn so etwas kam nicht oft vor. Er besuchte David Panozzo, den er durch die glücklose Beziehung seines Freundes Thomas Korber zu dessen Mutter Christa kennengelernt hatte. David arbeitete seit Kurzem als Ober im Schopenhauer, und Leopold hatte ihm zu dieser Stellung verholfen. Er kannte Moritz Bäcker, den Seniorchef des Kaffeehauses und Vater des jetzigen Chefs Herbert Bäcker von früher. David, der seine Ausbildung abgebrochen und zuletzt im Hotel Floridus als Rezeptionist gejobbt hatte, hatte eine Arbeit mit angenehmeren Dienstzeiten ohne Nachtschicht gesucht. Da hatte Leopold bei Moritz Bäcker ein gutes Wort für ihn eingelegt, als er gehört hatte, dass man im Schopenhauer nach einem Oberkellner Ausschau hielt.
»Du solltest hier ein wenig länger bleiben als im Hotel«, machte er David aufmerksam, als der ihm die Eierspeise brachte. »Sonst hab ich eine schlechte Nachrede.«
»Auf jeden Fall«, bestätigte David. »Hier komme ich vor Mitternacht von der Arbeit nach Hause und habe damit viel mehr Zeit für mein Privatleben.« Er stellte dabei Salz- und Pfefferstreuer vor Leopold hin.
»Du bist ein wankelmütiger Geist«, erinnerte Leopold ihn. »Lang hast du’s noch nirgendwo ausgehalten.«
David zuckte mit den Achseln. »Mir gefällt’s hier gut«, bemerkte er. »Ich habe sehr nette Kolleginnen und Kollegen, und der Chef kümmert sich in geradezu rührender Weise um mich.«
Leopold nickte. Herbert Bäcker hatte also wie sein Vater früher immer ein offenes Ohr für die Sorgen seines Personals. »Und die Gäste?«, fragte er neugierig.
»Erste Klasse«, geriet David sofort ins Schwärmen. »Das Schopenhauer hat halt eine ganz andere Lage als das Heller. Das Cottageviertel mit seinen Villen ist nicht weit weg, und auf der anderen Seite vom Gürtel befindet sich die traditionsreiche Volksoper. Gleich nebenan haben wir das Evangelische Krankenhaus mit seinen Ärzten und Patienten. Da kommt einiges an anspruchsvollem Publikum zustande.«
»Anspruchsvoll?« Leopold zog die Augenbrauen in die Höhe. »Wie äußert sich denn das?«
»Bei der Zubereitung der Speisen etwa sind manche sehr heikel«, erklärte David. »Nehmen wir zum Beispiel das beliebte Ham and Eggs. Die einen wollen den Dotter der Spiegeleier ganz weich, sodass sie wie ein Pudding schwabbeln, die anderen fester und mit milchiger Farbe. Oder die Gulaschsuppe: Manche mögen sie ganz heiß, andere auf Körpertemperatur, damit sie sich nicht den Mund verbrennen. Bei uns musst du wirklich bei jedem Stammgast wissen, was zu tun ist, um ihn zu verwöhnen, sonst kommt er gleich ein paar Tage nicht.«
»Bei uns haben die Leute auch ihre Extrawürste«, entgegnete Leopold. »Aber das mit der Suppentemperatur finde ich überkandidelt. Wenn sie zu heiß ist, kann man sie ein paar Minuten auskühlen lassen. Wo liegt das Problem? Bei uns hat sich einmal ein Gast über den Kaffee beschwert und auch etwas von Körpertemperatur erwähnt. Ich habe ihm vorgeschlagen, dass ich seinen kleinen Braunen für eine halbe Minute in meinen Mund nehme und dann in seine Tasse zurückbefördere, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Das hat ihm dann auch nicht gepasst.«
David musste lachen. »Das war aber nicht sehr aufmerksam. Du solltest dich in solchen Fällen ein wenig mehr bemühen.«
»Das ist mir viel zu anstrengend!«
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