1 ...7 8 9 11 12 13 ...18 „Lass den Quatsch. Miss Owens ist eine versierte Juristin in Aaron Goldsteins Kanzlei und noch dazu die Tochter von Richter Andrew J. Owens, dem ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs.“
„Alles klar, eine solche Kombination verbietet natürlich gutes Aussehen“, warf William ein.
„Der lange Flug. Die Klimaveränderung. Dafür habe ich Verständnis. Leg dich noch ein paar Stunden aufs Ohr. Sieh zu, dass deine Seele ankommt. Und dann konzentriere dich auf deinen Job“, ermahnte Jonathan und war dabei heilfroh, dass William offenbar im Begriff war, das Schneckenhaus der Lethargie zu verlassen. „Mein Junge, ich freue mich, dass du den Auftrag angenommen hast. Du hast die richtige Entscheidung getroffen.“
„Guten Morgen, Mr. LaRouche. Mein Name ist Penelope Owens. Willkommen in Bangkok.“
William war von dem verbindlich-zupackenden Händedruck überrascht, den er angesichts der feingliedrigen Konstitution seiner Gastgeberin nicht erwartet hatte. Hatte Jonathan nicht erwähnt, dass Miss Owens die Tochter des berühmten Andrew J. Owens war? Bundesrichter Owens war Afroamerikaner, seine Tochter eindeutig Asiatin.
„Sie sind also Melindas und Jonathans Mann in Bangkok?“
„Sieht so aus. Sie können mich gerne William oder Bill nennen.“
William betrachtete die Visitenkarte, die Penelope ihm zur Begrüßung überreicht hatte. Auf dem silbergrauen Karton mit Prägedruck las er: Penelope S. Owens, Associate Attorney, Goldstein & Schulman, Bangkok .
Vor ihm stand im Gegenlicht eine mittelgroße schlanke Frau in einem hellgrauen Businessanzug. Ihr seidiges schwarzes Haar lag auf schmalen Schultern und erhielt durch die Lichtstrahlen der Morgensonne zusätzliche reizvolle rötlich-orange Farbakzente, und William war froh, dass er sich wenigstens frisch rasiert hatte. Sein verknittertes, ausgebleichtes T-Shirt war ihm allerdings in diesem Moment ein wenig peinlich. Miss Owens griff nach einer Fernbedienung. Kurz darauf beendete die abgesenkte Jalousie die Lichtspiele in ihrem Büro in Bangkoks Witthayu Road, die unter westlichen Ausländern salopp Wireless Road genannt wurde.
„Okay, William, dann bin ich für Sie Penelope. Jonathan, der Büroleiter der Justizministerin, hat mich in groben Zügen über Ihren Auftrag informiert. Es geht um einen flüchtigen US-Staatsbürger mit dem Namen Mazzini. Sie sind Exposer? Ich verstehe von Ihrer Arbeit nicht viel und hoffe, dass ich Ihnen zumindest ein wenig behilflich sein kann“, eröffnete die Juristin, die William auf höchstens Ende zwanzig schätzte.
„Ein Exposer ist eine Art Spürhund. Seine Aufgabe ist es, den Fuchs aus seinem Versteck zu locken und sich dann zurückzuziehen, um Jägern die Bühne zu überlassen …“, versuchte sich William mit einem Vergleich.
„Ich nehme an, Mazzini ist der Fuchs? Dann kommt es auf Ihren Instinkt an?“ Sie hatten mittlerweile Platz genommen und Penelope musterte ihren Besucher. Sie hatte sich LaRouche deutlich jünger vorgestellt. Der Mann, der nun vor ihr saß, wirkte müde und für sein Alter von Anfang vierzig ein wenig verbraucht.
„Auf die Nase kommt es an“, bestätigte William. „Die Nase ist das wichtigste Organ eines Spürhundes. Kann es sein, dass Sie einen jüngeren Mann erwartet haben?“
William hatte eine Heftmappe mit dem Signet des Justizministeriums auf dem Schreibtisch entdeckt. Vermutlich waren darin die Informationen enthalten, die Jonathan für Penelope zusammengestellt hatte. Das Dossier enthielt vermutlich auch ein Foto des Spürhundes zur sicheren Identifikation, das in seinem Fall zweifellos aus längst vergangenen FBI-Tagen stammte. William kannte solche allgemeinen Memos, die bewusst spärlich gehalten waren, weil man nie wusste, in wessen Hände sie gerieten.
„Oh, wissen Sie William, mit Männern ist es wie mit Rotwein …“, entgegnete Penelope sichtlich verlegen. Sie fühlte sich ertappt. Sicher war es ein Zufall, dass dieser Mann ihren Gedanken aufgenommen hatte.
„ … je älter, desto besser? Das meinten Sie doch, oder?“, unterbrach William schmunzelnd und beobachtete, wie Penelope nach der Mappe des Justizministeriums griff, den Inhalt entnahm und damit ihren Schredder fütterte.
„Ehrlich gesagt habe ich ein paar ziemlich beschissene Jahre hinter mir, die mich mehr Kraft gekostet haben, als mir lieb war. Aber das hat Ihnen Jonathan womöglich schon verraten.“
„Nein, das hat man mir nicht verraten. Ich habe nur gehört, dass Sie einer der besten Personenfahnder des FBI waren. Sie kennen Bangkok und Südostasien seit über zehn Jahren, sprechen leidlich Thai und fließend Chinesisch. Sie stammen aus New Orleans, Louisiana, sind geschieden und führen eine Agentur für private Ermittlungen in New Jersey.“
„Haben Sie das alles dem Dossier entnommen?“ William deutete auf die geplünderte Mappe. „Stand dort auch, dass ich einen Vorgesetzten verprügelt, vor drei Jahren den Dienst quittiert habe und wegen eines Burn-out-Syndroms in einer Klinik behandelt wurde. Ist Ihnen darüber hinaus bekannt, dass sich meine sogenannte Agentur für private Ermittlungen vorwiegend mit der Suche nach entlaufenen Haustieren beschäftigt?“
William wollte sich mit seiner Offenheit nur selbst schützen. Diese verwirrend attraktive Frau war eindeutig zu jung für ihn und zudem spielten die Männer, für die sich Penelope womöglich interessierte, zweifellos in einer anderen Liga als er. Da erschien es ihm angebracht, ohne Umschweife klarzustellen, dass er alles andere als ein James Bond war und objektiv betrachtet nicht einmal sein eigenes Leben im Griff hatte.
„Nobody is perfect!“, kommentierte Penelope unbeeindruckt und lenkte wieder auf das eigentliche Thema ihrer Besprechung zurück. „Ich hoffe, Sie hatten wenigstens einen guten Grund, als Sie sich Ihren Vorgesetzten vorgeknöpft haben. Aber jetzt jagen Sie Larry Mazzini und das wird nicht einfach werden. Im Großraum Bangkok leben fast so viele Menschen wie in Texas.“
„Aber bestimmt nicht so viele Rindviecher“, gab William zurück und erntete für seinen mittelmäßigen Scherz einen mitleidigen Blick. „Penelope, ich vermute, Sie haben sich noch nicht mit der Psyche des Fuchses beschäftigt?“
„Mit der Psyche des Fuchses?“
„Unser Fuchs heißt Larry Mazzini“, rief William in Erinnerung. Dabei konnte er nicht verhindern, dass er ungehörig lange und direkt in Penelopes dunkelbraune Mandelaugen blickte. Er konnte sich nicht mehr erinnern, ob er seit seiner Scheidung von Ann-Louise einem weiblichen Wesen eine ähnlich intensive Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Eine Lucky Strike würde jetzt guttun. Aber auf diese Art der Beruhigung musste er wohl oder übel noch eine Weile warten. Statt zu rauchen, fuhr er fort: „Ein Mensch wie Mazzini taucht nicht einfach unter.“
Penelope warf William einen überraschten Blick zu. „Nein, ich habe mich noch nicht mit Mazzini beschäftigt. Ich erwähnte bereits, dass die Informationen, die ich von Jonathan erhalten habe, nicht gerade detailliert waren. Warum sind Sie sich sicher, dass Mazzini sein Leben nicht zurückgezogen in einem angenehmen Versteck genießt?“
„Larry Mazzini versteckt sich nicht, und wenn er untertaucht, dann nur in äußerster Bedrängnis und für begrenzte Zeit. Er braucht die gesellschaftliche Anerkennung und die wird er nicht bekommen, wenn er sich in ein dunkles Loch verkriecht.“
In diesem Moment öffnete sich die Tür und eine Mitarbeiterin brachte ein Tablett mit Kaffee, Mineralwasser und einer Auswahl an Muffins. William stieg warmer Bananenduft in die Nase.
„Ihre Vermutungen beruhen zweifellos auf einer fundierten Persönlichkeitsanalyse. Ich verstehe, wenn das Justizministerium die im Umfeld des Exposers eingebundenen Personen nur mit Informationen versorgt, die unmittelbar mit ihren Aufgaben zusammenhängen. Ihr Job ist der des Spürhundes. Meine Aufgabe ist die Unterstützung und Beratung bei möglicherweise auftretenden juristischen Fragen und Problemen. Haben Sie schon gefrühstückt?“
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