Das ist heute das vierte Mal, dass er sich mir gegenüber so etwas erlaubt. Ich balle die Fäuste: Mein Tag ist gelaufen. Er blickt mich mit einem falschen, zahnlosen Grinsen an: Ich kann nichts dagegen tun, das ist im Moment Tatsache. Doch ich schwöre mir, dass ich ihn irgendwann drankriegen werde. Später wird es mir übrigens gelingen, und zwar auf ziemlich hässliche Art. So bin ich nach und nach zu einem boshaften Menschen geworden.
Übrigens kann ihn auch ansonsten niemand leiden. Weder die Arbeiter noch Pressurot – vor allem nicht Pressurot. Er muss einmal eine große Dummheit vor Bibi begangen haben (niemand hat je herausgefunden, welche). Deswegen gibt Bibi vor allen anderen damit an, dass Pressurot ihm gar nichts zu sagen hat, und deswegen traut sich Pressurot nicht, ihn hinauszuwerfen. Bibi ist ein meisterhafter Erpresser. So sieht es aus, auf der Arbeit.
Ich erfahre von diesen Geschichten im Laufe der Zeit, und sie machen mich krank vor Traurigkeit und Ekel.
Durch die Kälte wird die Arbeit so mühsam, dass Pressurot sogar kurz daran denkt, das Werk stillzulegen. Doch das wäre für ihn ein großer Verlust. Daher quälen wir uns tagelang im Eisnebel, der durch jede Ritze dieser Bruchbude kriecht. Das Holz gefriert und splittert, sobald ein Nagel eingeschlagen wird, die Säge schreit und windet sich bei jedem Angriff.
Mittlerweile schaffe ich zwischen fünfunddreißig und vierzig Kisten pro Tag, aber am 24. Dezember ist es so kalt, dass ich nur neunzehn fertigbringe. Ich hüpfe auf der Stelle, um mich aufzuwärmen. Pressurot entscheidet, dass wir, sollte es am 26. Dezember weiterhin so kalt sein, erst bei wärmeren Temperaturen weiterarbeiten.
Wäre ich gläubig, würde ich beten, dass es weiterhin so kalt bleibt. Leider wird es am 25. Dezember milder. Ein trauriges Fest, das wir gemeinsam mit der Familie Sorieul feiern.
Am Montag, den 26. gehe ich wieder zur Arbeit, mit einer dumpfen Lust, alles und jeden zum Teufel zu jagen. Das Leben geht weiter. Mitten im Winter fahre ich bei jedem Wetter zu einer Arbeit, die mir alle Hoffnung nimmt, meine Kollegen sind ein Haufen von Idioten und Arschlöchern. Zumindest haben sie einen gewissen Respekt vor mir. Erstens, weil ich Pressurot zwei- oder dreimal ziemlich angeschnauzt habe.
Zweitens, weil ich ein paarmal bei schwereren Arbeiten ausgeholfen habe und dabei eine Kraft an den Tag gelegt habe, die die anderen anscheinend beeindruckt hat. Unter den erstaunten Augen von Pressurot sind mir zwei Wendehakenstiele über der Schulter zerbrochen. Ich bin ziemlich schmächtig, daher müssen die heftigen und aggressiven Stöße aus meinem knochigen Körper ziemlich überraschend kommen, wenn man mich nicht kennt. Er blickt mich spöttisch an: »Ganz schön kräftig, der Junge!« Im Laufe der Zeit ruft man mich immer öfter, wenn irgendeine schwere Arbeit ansteht. Ich tue mich mit Gauthier zusammen, er ist der einzige korrekte Typ im Werk. Ich würde gerne mit ihm an der Bandsäge arbeiten und Jules ersetzen. Schon länger denke ich darüber nach, Pressurot zu bitten, auf Stundenlohnbasis zu arbeiten, dann würde ich mehr verdienen. Doch das ist schwierig. Vor allem, weil in seinem simplen Hirn die Kistenbauer diejenigen sind, die produzieren, während die Stundenlohnarbeiter nur Geld verschlingen.
Eines Tages kommt es zwischen uns zu einem heftigen Streit um den Kistenlohn für einen großen Auftrag. Ich habe mich mit den anderen Kistenbauern darauf geeinigt, einen höheren Lohn zu verlangen als den von ihm veranschlagten. Wir schreien beide: »Ich will vierzehn Francs pro Kiste!« »Zwölf, mehr nicht, verdammt nochmal!« Ich trete auf ihn zu: »Wir verdienen nicht genug zum Leben! Also, vierzehn, oder wir waren alle das letzte Mal hier!« »Saubande, wollt ihr das Werk ruinieren, ihr miesen Hunde? Dreizehn, mein letztes Wort.« »Also gut.« Ich nehme meine Jacke und hebe meinen Hammer auf. Alle tun es mir nach, niemand kneift – ich habe Bammel … »Bleibt stehen, ihr Arschlöcher! Ich geb’s euch! Wollt ihr mich fertigmachen, ist es das, was ihr wollt? Eine Schande ist das, Scheiße, verdammt noch mal …«
Er ist geschlagen. Für uns ist es ein schöner Sieg. Die Stundenlohnarbeiter stehen wortlos und erstaunt in einem Eck. Doch dann gewinnt Pressurot noch einmal die Oberhand und brüllt mit hochrotem Kopf: »Ihr elenden Drecksäcke wollt mir hier also sagen, wo es langgeht? Na gut, niemand wird auch nur einen Tropfen mehr trinken. Der Erste, den ich beim Saufen erwische, fliegt, kapiert? Ihr werdet schon noch sehen, wer hier das Sagen hat!«
Alle grinsen. Pressurot, der seine Arbeitergewohnheiten beibehalten hat, wird der Erste sein, der während der Arbeit wieder saufen wird und dann irgendwas verbockt. Er zieht sich seine Jacke über und geht wütend hinaus. Die anderen umringen mich. Bibi sagt zu mir: »Mutig, mutig!« Ich antworte nichts und denke mir nur, dass er eines Tages noch sehen wird, was passiert, wenn man mir blöd kommt.
Die Arbeit geht weiter. Der Winter geht langsam dem Ende entgegen. Immer wieder streite ich mich mit Pressurot, weil er dauernd die Lohnauszahlung verschiebt. Es läuft folgendermaßen ab: Sobald er mir am Zahltag einen guten Morgen wünscht, gehe ich ihn augenblicklich an: »Wie sieht’s aus?« »Wie sieht was aus?« Er tut überrascht, der Mistkerl, dabei weiß er sehr genau, wovon ich spreche. Ich schreie ihn an: »Der Lohn!« Seine Reaktion ist unvergleichlich. Er hebt die Arme Richtung Himmel, mal flehend, dann wieder unnachgiebig: »Ich bin blank, blitzeblank! Ich kann nicht! Ich kann mich doch auch nicht von Luft ernähren! Am Donnerstag gibt’s den Lohn, vorher nicht, Scheiße nochmal!« Die Szene wiederholt sich drei- oder viermal im Laufe des Tages. Ich drohe ihm damit, abzuhauen. Ich weiß, dass ich ihn damit in der Hand habe. Ich arbeite sehr viel und bringe ihm Gewinn. Wenn Pressurot mit irgendwas Ärger hat oder es eine schwere Aufgabe gibt, dann gibt er sie oft an mich weiter: »Du bist doch so schlau, mach mal das, rechne mal die Festmeter davon aus et cetera.«
Aber ich bestehe darauf, dass er mich pünktlich auszahlt. Wenn ich ihm genug auf die Nerven gegangen bin, ruft er mich nach draußen und gibt mir die Kohle und behauptet, dass ich meine eigene Mutter verkaufen würde. Er hat Recht. Aber so wie die Dinge stehen, kann ich es mir nicht leisten, ihm lohnmäßig entgegenzukommen. Es ist ein permanenter Kampf. Wie Bibi sagt: »Man muss um seine Brötchen kämpfen.« Eines Tages sage ich ihm nach einem Streit (wegen eines gefälschten Lohnzettels), dass ich in der Stundenlohnfraktion arbeiten will, ansonsten hat er mich das letzte Mal gesehen: Es ist März, also könnte ich mir genauso gut eine Arbeit suchen, die weiter von Saint-Dyé entfernt ist. Er kratzt sich am Kopf: »Also gut, du wirst ablängen, ich gebe dir fünfundsechzig Francs die Stunde.«
Dieser Sauhund! Ganz alleine ablängen mit der schweren Motorsäge, und das auf einem Gelände, das sich durch das Tauwetter in ein einziges Schlammloch verwandelt hat, das ist die härteste Arbeit. Normalerweise wird das von zwei Leuten gemacht. Wenn er mir wenigstens ein doppeltes Gehalt zahlen würde! Aber keine Frage. Ich war so leichtsinnig, ihm zu zeigen, dass ich stark bin, das sollte man niemals tun. Man sollte immer eine ausreichende Spanne lassen zwischen dem, was man tut, und dem, was man tun könnte. In diesem Beruf ist das der einzige Weg, sich nicht kaputtzumachen.
Trotzdem nehme ich an. Meine Werkzeuge sind ab sofort Motorsäge, Axt, Wendehaken und Sapie. Ich wollte eine Arbeit, für die man kräftig sein muss, die habe ich jetzt.
Am nächsten Tag stehe ich vor zehn Kubikmetern Rundholz. Es geht darum, die Stämme mit dem Wendehaken auseinanderzubringen und sie dann abzulängen. Der Kampf beginnt. Frieren ist ab jetzt kein Thema mehr. Mitten im März arbeite ich oberkörperfrei, sobald es das Wetter erlaubt. Beim geringsten Strahl der blassen Sonne läuft mir der Schweiß in Strömen hinunter. Schöne Scheiße! Zum ersten Mal fühle ich das erdrückende Gewicht eines Holzblocks, wenn ich unter dem Wendehaken bin. Entweder es rollt, oder man wird darunter begraben. Manchmal wird es Pressurot angst und bange, wenn er sieht, wie ich mich unter einem sehr großen Block abmühe. Das mag ich.
Читать дальше