In viertausend Metern Höhe war das meiste davon sowieso egal. Von dort oben sahen die anderen nur wie Ameisen aus, die geschäftig von A nach B hetzten und ihren alltäglichen Aufgaben nachgingen. Dieses Treiben von weit entfernt zu betrachten, hatte seine ganze Lebenseinstellung verändert. Deswegen hatte er auch keinerlei Probleme mehr mit etwas heiklen Aufträgen … solange die Bezahlung stimmte.
In seinen neunundvierzig Jahren hatte Henri Jacquot schon viel gesehen. Erst als Mitglied der französischen Fremdenlegion und dann als vielseitiger Dienstleister in Afrika, wo die Aussicht auf schnellen Reichtum schon viele Männer zugrunde gerichtet hatte. Doch die schier grenzenlose Freiheit, die dort herrschte, hatte bei ihm irgendwie einen Nerv getroffen. Es entsprach einfach seinem Naturell, riskante Aufträge anzunehmen, die mit entsprechend höheren Gewinnen honoriert wurden. In den letzten zwanzig Jahren hatte er an zu vielen halbseidenen Operationen teilgenommen, als dass man sie noch zählen könnte. Egal, ob er Blutdiamanten nach Norden flog oder Waffen in den Süden, Henri war ein Überlebenskünstler, und eines seiner größten Talente war es, dass er jeden erledigten Auftrag sofort vergaß – quasi in dem Moment, in dem er das Geld in der Tasche hatte.
Das Flugzeug rollte jetzt zum Ende der Startbahn, wo es auf die Freigabe vom Tower wartete. Henri drückte den Schubregler nach vorn und schon auf halber Strecke hob er in den klaren Himmel ab, in dem nur wenige weiße Wolken das endlos erscheinende Blau unterbrachen. Er stieg auf eine Höhe von zehntausend Fuß und schaltete dann den Autopiloten an. Der Motor schnurrte in seiner wohlbekannten Klangfarbe vor sich hin, während die Passagiere gelangweilt aus den Fenstern starrten. Henri machte es sich in seinem Sitz bequem und stellte fest, dass seine Knochen langsam alt wurden, vor allem an Tagen, die so früh begannen wie heute. Er justierte den Sitz seines Kopfhörers neu und lauschte dem Funkverkehr.
Als die Küste von Somalia auftauchte und sich wie ein brauner Streifen über den Horizont ausbreitete, wandte Henri sich den Männern zu.
»Hey, wir sind in wenigen Minuten da. Dann mal viel Erfolg, non ?«
Drei Gesichter starrten ihn mit leeren Blicken an, dann begannen die Männer mit ihren Vorbereitungen, die Henri nur allzu bekannt waren. Für Geld zu töten war letzten Endes eben auch nur ein Beruf wie jeder andere.
Sie begannen jetzt den Sinkflug und Henri setzte den Kurs gemäß der Koordinaten, die er bekommen hatte. Nach weiteren zehn Minuten schwebten sie über einer Wüste; sandiges Niemandsland so weit das Auge reichte. Die Maschine wurde von warmen Aufwinden durchgerüttelt, als würde eine unsichtbare Gottheit nach ihm schlagen.
Die Cessna richtete sich parallel zu einer Straße aus, falls man diese Schotterpiste überhaupt so nennen konnte, und setzte dann auf. Als die Räder auf dem sandigen Boden zu rutschen anfingen, bildete sich eine riesige Staubwolke hinter dem kleinen Flugzeug. Sobald Henri auf Parkgeschwindigkeit heruntergebremst hatte, ließ er die Maschine bis zu einer Ausbuchtung der Straße rollen, wo bereits zwei Fahrzeuge standen. Ein uralter Toyota Geländewagen, der einst mal weiß gewesen, nun aber fast komplett von Rost überzogen war, und daneben befand sich ein Datsun Pick-up aus den Siebzigern.
Henri stellte die Maschine neben den Autos ab und schaltete dann den Motor aus. Die Männer waren bereits aufgesprungen und hatten sich mit Sturmgewehren und Pistolen aus den übergroßen Rucksäcken bewaffnet, die sie mit an Bord genommen hatten. Unter normalen Umständen würde das wahrscheinlich jeden Piloten in Angst und Schrecken versetzen, aber sie befanden sich hier in Afrika und Henri war ein sehr toleranter Mensch. Daher verzog er keine Miene, als der Jüngste der Männer mit einem Gewehr in der Hand die Tür aufstieß und dabei so aussah, als würde er in den Krieg ziehen.
Die Männer sprangen nun aus dem Flugzeug und winkten den drei Somalis zu, die neben den Fahrzeugen standen – zu ihrer landesüblichen Kleidung gehörten natürlich auch Kalaschnikows. Sie winkten zurück und bedeuteten den Söldnern, näherzukommen. Sol ging dem Begrüßungskomitee entgegen, während die anderen beiden den Laderaum öffneten und einen großen, grünen Seesack hervorholten, den sie vorsichtig auf dem Boden platzierten.
Nach einem kurzen Wortwechsel liefen zwei der spindeldürren Somalis zu dem Flugzeug, um den Neuankömmlingen mit dem Gepäck zu helfen, und zu viert hievten sie die Fracht schließlich in den Laderaum des Toyotas. Sol nickte leicht, dann kletterten die beiden Einheimischen auf die Ladefläche des Datsun, während der dritte Mann das Führerhaus bestieg. Sol und seine Kameraden quetschten sich in den Toyota, und wenige Augenblicke später jaulten beide Motoren auf. Kurz darauf verschwanden die beiden Fahrzeuge mit Kurs auf die Küste in einer Wolke aus Staub und Diesel.
Zehn Meilen später wurde der kleine Konvoi langsamer und Sol konsultierte sein tragbares GPS-Gerät. Er murmelte dem Fahrer etwas zu, woraufhin die beiden Fahrzeuge stehenblieben, denn sie hatten ihren Treffpunkt erreicht. Sol betrachtete aufmerksam das karge Terrain. In der Ferne konnte er gerade noch so eben den Ozean sehen, er musste etwa zwei Meilen entfernt sein. Zufrieden, dass keine Gefahren erkennbar waren, blickte er auf die Uhr und gab seinen Kollegen ein paar knappe Anweisungen. Nachdem die beiden sich ihre Gewehre geschnappt hatten, stiegen sie aus und gingen zum Heck des Wagens, wo ihre Fracht verstaut war. Schließlich stieg auch Sol aus und lief zum Pick-up, wobei ein glühend heißer Wind über den Wüstensand blies. Als er sich näherte, öffneten die Somalis eine alte Kühltasche und holten ein paar Flaschen Wasser hervor, während ihre Waffen locker zwischen ihren Beinen lehnten. Die Hitze schien den Männern offenbar nur wenig auszumachen.
Nachdem ein paar Minuten vergangen waren, kamen auch Sols Kameraden langsam anmarschiert, anscheinend hatten sie ihre Vorbereitungen beendet.
»Lasst uns von hier verschwinden«, sagte der Jüngere und schaute dabei am Horizont entlang, bevor er Blickkontakt mit Sol aufnahm. Die beiden Somalis, die hinten saßen, rückten enger zusammen, und dann stiegen alle ein und machten sich auf die holprige Rückfahrt zum Flugzeug.
Als der Wagen wieder bei der Cessna ankam, verließ Henri den Schatten der Tragflächen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er sah, dass Sol nun am Steuer saß, und seine beiden Männer hinter ihm.
»Wo sind die anderen Jungs?«, fragte er, als sie heraussprangen; alle mit einer Staubschicht bedeckt.
»Die wollten lieber laufen«, antwortete Sol mit einem nichtssagenden Gesichtsausdruck. »Machen wir uns auf den Weg.«
Henri verstand den Wink mit dem Zaunpfahl – es ging ihn ja auch nichts an. Die Männer stiegen ein, verstauten ihre Waffen im nun leeren Frachtraum und nahmen dann ihre Plätze im glutheißen Inneren der Maschine ein. Der Pilot startete den Motor und lenkte die Cessna wieder auf die Schotterpiste zurück, wo er Mühe hatte, sie während der Beschleunigung ruhig zu halten. Erst als er ein relativ glattes Stück Straße vor sich sah, gab er Vollgas. Die Männer wurden in ihre Sitze gepresst und schon bald stiegen sie in die Luft auf. Der große Motor schnurrte vor sich hin und die von Trockenheit geplagte somalische Landschaft verschwand langsam unter ihren Flügeln. Henri drehte eine weite Schleife über das Land und richtete die Maschine dann in Richtung Jemen aus.
Korfa blickte durch ein Fernglas, als die Fremden sich in dem Pick-up entfernten und den Geländewagen wie besprochen unbewacht am etwa einen Kilometer entfernten Übergabepunkt stehen ließen. Er wartete ein paar Minuten und suchte die Straße dann nach etwaigen Gefahren ab. Danach senkte er den Feldstecher und wandte sich Nadif zu, der neben ihm mit dreien seiner verlässlichsten Schützen wartete.
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