1Vgl. Wojak, Irmtrud: Fritz Bauer, München 2011, S. 36.
2Landesjugendring Rheinland-Pfalz: Information Nr. 2, 1962, Sonderausgabe, Juni 1962, in: Landeshauptarchiv Koblenz (LHAK), 910 Nr.15005.
3Schreiben Landesjugendring Rheinland-Pfalz an Kultusministerium Rheinland-Pfalz vom 5.1.1962, in: LHAK, 910 Nr. 15005.
4Gutachten Professor Universität, S. 4, in: LHAK, 663,003 Nr. 818.
5Gutachten Oberstudiendirektor, S. 1, in: LHAK, 663,003 Nr. 818.
6Ebd. S. 3.
7Gutachten Studienrat, S. 2, in: LHAK, 663,003 Nr. 818.
8Gutachten Oberstudiendirektor S. 3, in: LHAK, 663,003 Nr. 818.
9Gutachten Professor Universität, S. 6, in: LHAK, 663,003 Nr. 818.
10Gutachten Studienrat, S. 2, in: LHAK, 663,003 Nr. 818.
11Gutachten Oberstudiendirektor, S. 4, in: LHAK, 663,003 Nr. 818.
12Gutachten (ohne Name), S. 5, in: LHAK, 910.Nr.15005.
13Gutachten Berufsschuldirektor, S. 1, in: LHAK, 910.Nr.15005.
14Schreiben Kultusministerium an Landesjugendring Rheinland-Pfalz vom 2.4.1962, in: LHAK, 910.Nr.15005.
15Schreiben Landesjugendring Rheinland-Pfalz an Kultusministerium Rheinland-Pfalz vom 23.5.1962, in: LHAK, 910.Nr.15005.
16Schreiben Kultusministerium an Landesjugendring vom 1.6.1962, in: LHAK, 910.Nr.15005.
17Entscheidung des Landesjugendring Rheinland-Pfalz vom 15.6.62, in Informationen Nr. 2, 1962, in: LHAK, 910.Nr.15005.
18Ebd.
19Große Anfrage der Fraktion der SPD Nr. 495, betrifft Verhalten der Landesregierung gegenüber dem Landesjugendring Rheinland-Pfalz vom 18. Juni 1962, in: LHAK, 663,003 Nr.818
20Ebd.
21»Eine ausschließlich pädagogische Frage«, Stellungnahme des Kulturministeriums, in: Staatsanzeiger vom 24.6.1962, S. 4.
22Brief Landesjugendring Rheinland-Pfalz (Geschäftsführung) an CDU-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz (Vorsitzender), Schreiben vom 4.7.1962, LHAK, in 663,003 Nr. 818.
23Landesjugendring antwortet dem Kultusministerium, Stellungnahme des Landesjugendring Rheinland-Pfalz zu den Ausführungen Minister Orths im Staatsanzeiger, ohne Datum, in: LHAK, 663,003 Nr. 818.
2461. Sitzung S. 1941 Spalte 1 oben (bzw. entsprechende Stelle im Abdruck der Debatte)
25Brief Fraktionsvorsitzender der CDU Rheinland-Pfalz an Landesjugendring Rheinland-Pfalz vom 25.6.1962, in: LHAK, 663,003 Nr.818.
26Brief Fraktionsgeschäftsführer der CDU Rheinland-Pfalz an Landesjugendring Rheinland-Pfalz vom 11. Juli 1962, in: LHAK, 663,003 Nr. 818.
27Gutachten Berufsschuldirektor, S. 1, in: LHAK, 910.Nr.15005.
28Bauer, Fritz: »Ein Jurist über Friedrich und Bismarck« [»Im Mainzer Kultusministerium gilt ein merkwürdiges Geschichtsbild. Des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer Entgegnung auf Vorwürfe des rheinland-pfälzischen Ministers Orth«], in: Frankfurter Rundschau, Nr. 162, 14.7.1962.
29Schreiben Landesjugendring Rheinland-Pfalz an Ministerium für Unterricht u Kultur Rheinland-Pfalz vom 5.9.1962, in: LHAK, 910 Nr.15005, vgl. auch Frankfurter Rundschau: Mainz will mit »offenem Visier« Bauers Schrift erneut diskutieren, Frankfurter Rundschau vom 11.9.1962, S. 4.
30Schreiben Kultusminister Orth an Landesjugendring Rheinland-Pfalz vom 14.9.1962, in LHAK, 910 Nr. 15005.
31So der Vorsitzende des Landesjugendrings Manfred Lambertz auf der Vollversammlung, zit. nach »Landesjugendring kritisiert Minister Orth«, Allgemeine Zeitung Mainz, Nr. 225 vom 27.9.1962.
32Landesjugendring Rheinland-Pfalz, Information Nr. 3, 1962 (Sonderausgabe), Nochmalige Stellungnahme zur Dr. Bauer-Broschüre, in: LHAK, 910.Nr.15005.
33Vgl. u.a. Bauer, Fritz: Nach den Wurzeln des Bösen fragen, in: Die Tat, 7.3.1964, Nr. 10, S. 12–19
Die Probleme, die die Bewältigung unserer Vergangenheit aufwirft, sind, wie ich meinen möchte, in Deutschland zu selten und oft auch unzulänglich behandelt worden, wenn auch der Begriff der Vergangenheitsbewältigung zum deutschen Sprachschatz gehört. Freilich setzen viele dabei das Wort in Anführungszeichen; einige halten die Aufgabe für unlösbar, andere fordern, man solle »diese Dinge« doch endlich ruhen lassen.
Mit der Aufzählung zeithistorischer Fakten ist es nicht getan, wie wichtig die Beschreibung des geschichtlichen Ablaufs der Ereignisse in den letzten Generationen auch ist. Die Ursachen dieser Ereignisse aber können ohne Psychologie, Psychoanalyse und Soziologie, auch Kriminologie nicht geklärt werden. Fremde Länder haben sich gründlicher mit dem Fragenkomplex beschäftigt.
Nach dem Kriege haben es z. B. die skandinavischen Länder Norwegen und Dänemark, die von den Deutschen besetzt waren, unternommen zu untersuchen, wie es möglich war, daß während der Okkupation einzelne Norweger und Dänen zu »Quislingen«, Kollaborateuren mit der deutschen Besatzung, wurden und mit den Vorstellungen des Nationalsozialismus sympathisierten. Sie haben gefragt und wissenschaftlich zu beantworten versucht, was die sozialen, psychischen und physischen Bedingungen der Menschen waren, die trotz der demokratischen eigenen Umwelt den autoritären Parolen einer militärischen Fremdherrschaft folgten und an kriminellen Handlungen der Besatzungsmacht teilnahmen.
In Amerika wurde während des Krieges und danach mit den Werkzeugen der Soziologie, Sozialpsychologie und Psychoanalyse der Frage nach den Entstehungsgründen nazistischen Denkens und Handelns nachgegangen. Die Ergebnisse sollen hier nicht ausgeführt werden. Aber die Fragestellung interessiert, weil wir in Deutschland dem nichts zur Seite zu stellen haben.
Wir haben noch nicht einmal die KZ-Mörder, die kleinen Eichmanns, auf ihren Geisteszustand untersucht oder sie getestet. Wir wissen nicht, ob sie geisteskrank oder normal sind. Obwohl eine Politik der Vorbeugung ohne Kenntnis der Krankheitsherde nicht möglich ist, war in Deutschland die Angst und Scheu vor dem »Erkenne dich selbst« vorherrschend. Man hat die Fragen und damit die vielleicht unangenehmen, aber nützlichen Antworten gern mit der billigen und wenig überzeugungskräftigen Begründung beiseite geschoben, das harmlose und nichts ahnende deutsche Volk mit seinen 70 Millionen sei sozusagen über Nacht einigen abgefeimten Schurken zum Opfer gefallen und von ihnen mit List, Tücke, Propaganda und Gewalt überwältigt worden.
Es gibt ein bekanntes Theaterstück, das in der ganzen Welt, auch in Deutschland, viel gespielt wird und das auf die Frage Antwort geben kann, was 1933 und später in Deutschland geschehen ist. Ich denke an das Drama »Die Nashörner« von Ionesco. In den »Nashörnern« erleben wir eine kleine, zufälligerweise französische Stadt, in der bislang das Leben so normal verlaufen ist wie in allen anderen Gegenden der Welt. Das Städtchen verwandelt sich aber schnell im Laufe des Stückes, als ob ein Virus plötzlich wirksam würde. Am Anfang erscheint ein Nashorn. Die Leute halten das zunächst für sehr absonderlich. Von Szene zu Szene werden es immer mehr Nashörner, bis am Schluß, im letzten Akt, die Einwohner der ganzen Stadt – mit einer einzigen, zudem nicht ganz unproblematischen Ausnahme – zu Nashörnern geworden sind, schreien und grölen, wie eben Nashörner brüllen. Wir erleben auf der Bühne die Entstehung einer Massenpsychose, einer Massenkrankheit.
Man hat im In- und Ausland den Eindruck gewonnen, daß Ionesco auch an die nazistische Bewegung in Deutschland gedacht hat, und einige Witzbolde hierzulande haben erklärt, das Stück habe auf deutsch einen falschen Titel. Im Wort Nashorn sei das a überflüssig. Das Stück müßte eigentlich »Die NS-Hörner« heißen, weil es darum geht, wie aus braven Bürgern Nazis wurden.
Der Zuschauer fragt sich, was denn eigentlich die Ursache dieser seltsamen Wandlung sei. Anfänglich scheint es, als gehe es um jenes uns allen bekannte Phänomen, daß Mode ansteckend wirkt. Ionesco selbst gibt keine klare Antwort. Man ahnt den tieferen Grund, wenn man das ganze Werk von Ionesco kennt, der ein sehr harter Kritiker unserer Zeit ist. Bei Ionesco treten fast immer die gleichen Menschen unserer Gegenwart, unseres 20. Jahrhunderts auf. Ein Amerikaner, David Riesman, hat in seinem Buch »Die einsame Masse« dargestellt, wie heutzutage Vorstellungen schnell konventionell werden. Man denke an Filmvorbilder, an Illustrierte, an Reklame und Propaganda, die erreichen, daß letztlich alle in der gleichen Richtung laufen und wie eine Herde erscheinen, die dem Hammel folgt. Niemand will eine Ausnahme machen, niemand will auffallen. Wie Riesman die »einsame Masse« in Begriffen der Soziologie zeigt, so sind in Ionescos Kunstwerken die Menschen einsam, heimatlos und im Grunde ständig gelangweilt, sie reden immer aneinander vorbei, selbst in der Familie. Ehegatten sprechen, als wenn sie sich fremd wären und zum ersten Male sähen, mögen sie auch Kinder zusammen haben. Die Menschen sind isoliert und begreifen sich nicht. Ähnlich sind auch die Menschen in jener französischen Kleinstadt der »Nashörner«. Sie sitzen beieinander in einem Café und reden, aber keiner redet zum anderen; jeder spricht einen Monolog; das Gespräch greift nicht ineinander. Aus der großen Einsamkeit des einzelnen, aus dem Fehlen eines wirklichen menschlichen Kontakts mag nach Ionesco die Krankheit eines Massenwahns kommen. Die großen Parolen scheinen die Massen aus ihrer menschlichen Einsamkeit, Langeweile und Heimatlosigkeit herauszuführen; sie glauben, die Unzulänglichkeit ihres Daseins am ehesten überwinden zu können, wenn sie sich zur Masse zusammenfinden, im Gleichschritt gehen und im gleichen Takt brüllen.
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