Der zweite und dritte Kommentar sind sehr ähnlich aufgebaut: h) „Lét Þorgils því ǫllu á dreif drepa ok þeim øngum uppi haldit, ok því ritum vér þar ekki af“ (StS2 294). ‚Þorgils hielt das alles geheim und ihnen wurde keine Beachtung geschenkt, und deshalb schreiben wir nichts davon‘ (Übers. KM). Hier ist das Verb rita/ríta aktiv und hat das Subjekt vér ‚wir‘, das wiederum gleich obskur wie in den obigen Belegen ist. Der Plural kann einerseits als Pluralis Majestatis interpretiert werden oder vielleicht für das ganze Team mit Schreiber, Autor und Kompilator (vgl. Lönnroth 1964: 85f.), was sich bei diesem Beleg nicht sicher entscheiden lässt. Das Verb ist zweitens durch das Akkusativobjekt ekki ‚nichts‘ ergänzt, welches durch das Proadverb þar af ‚davon‘ umklammert ist. Die Präposition af bedeutet u.a. ‚von (Teil eines Ganzen bezeichnend)‘ (vgl. Baetke 2002: 4). Dieses Ganze bezieht sich auf die Visionen ( fyrirburðir ), welche Þorgils geheimhält (vgl. StS2 294), die folglich den Wert des Attributs INHALT darstellen. Das negative Indefinitpronomen ekki ist hingegen entweder ein Wert des SKRIPTS, der in der vorliegenden Handschrift fehlt, oder wiederum einer des INHALTS. Ganz ähnlich ist der dritte Kommentar: i) „Gekk þá skattr yfir land, sem mǫrgum mǫnnum er kunnigt orðit, ok ritum vér þar eigi fleira af, en þó eru þar mikil sǫguefni“ (StS2 306). ‚Dann gab es Steuern im Land, wie vielen Leuten bekannt geworden ist, und wir schreiben nicht mehr darüber, aber doch gibt es viel Erzählstoff‘ (Übers. KM). Rita/ríta hat ebenfalls das Subjekt vér und das Akkusativobjekt fleira ‚mehr‘ ist auch vom Proadverb þar […] af ‚davon‘ umklammert. Das Ganze ist bei diesem Kommentar wohl das durch den Satz Gekk þá skattr yfir land ‚dem Land wurde eine Abgabe auferlegt‘ beschriebene Ereignis, welches viel Erzählstoff ( sǫguefni ) geboten hätte. In beiden Fällen referiert das Proadverb þar […] af auf das Attribut STOFF ( efni ), was das im Kontext belegte Kompositum sǫguefni , bestehend aus dem Kopf efni und dem Modifikator saga , bestätigt. Das Adjektiv fleira ist wie ekki ein Wert für das SKRIPT, das in diesem Fall mehr hätte enthalten können, oder wieder für den INHALT.
Die Kommentare als Gesamtes betrachtet ergeben wieder einen neuen Frame mit neuen Attributen. Bekannt sind bereits SCHREIBER, SKRIPT mit dem Wert saga und INHALT mit den Werten draumr ‚Traum‘, fyrirburðr ‚Vision‘, hlutr ‚Teil, Ding‘ und orð ‚Wort‘. Das Lexem efni ‚Stoff‘ hat sich bereits als Bezeichnung für das Attribut STOFF erwiesen. Gleiches gilt für das Lexem hlutr , welches keinen Wert für den Inhalt darstellt, sondern ein Attribut TEIL bezeichnet, wie das oben diskutierte Teil-Ganzes-Verhältnis es demonstriert. Der STOFF ist hingegen als Ganzes zu betrachten, aus dem der Schreiber, Kompilator oder Autor Teile entnimmt. Die übrigen Werte für den INHALT gehören zu beiden Attributen, zumal sie immer im Plural stehen. Sie bilden eine Menge, aus der Teile geschöpft werden können. Der STOFF entstammt einer QUELLE, welche in den obigen Kommentaren jedoch nicht erwähnt wird.
3.2.3. Explizite Textverknüpfungen
Die mit Abstand meisten Belege von rita/ríta in der Sturlunga saga , insgesamt 23, befinden sich in expliziten Textverknüpfungen. Deren häufigstes Muster ist der Komparativsatz sem fyrr var ritat ‚wie vorher geschrieben wurde‘. Das Temporaladverb fyrr ‚früher, vorher‘ verweist auf eine vorhergehende Stelle im Skript, sonst gibt es keine Ergänzungen. Eine Leerstelle steht für den SCHREIBER und eine zweite für das SKRIPT. Der INHALT oder genauer der TEIL ist ein im Hauptsatz erwähntes Ereignis in der Erzählung, von dem der Komparativsatz abhängt. Der SCHRIFTTRÄGER ergibt sich auch hier aus der Situation, der SCHREIBER bleibt dagegen unbekannt.
Die Textverknüpfungen haben in den Handschriften unterschiedliche graphische Ausformungen, in der Króksfjarðarbók : „sem fyrr var ritað“ (StS1 223, 350, 422, 446, 407, 516; StS2 1, 86, 215), „sem fyrr var ritat“ (StS1 129, 339, 380, 382, 426; StS2 208), in der Reykjarfjarðarbók : „sem fyrr var ritad“ (StS2 270). Die Belege aus den Papierabschriften sind in Kålunds Edition normalisiert und lautent entsprechend „sem fyrr var ritat“ (StS2 259, 289, 324). Zudem gibt es eine Zahl von Varianten bezüglich Tempus und Vollständigkeit mit Einzelbelegen, die sich in der Semantik aber nicht unterscheiden, in der Króksfjarðarbók : „sem fyrr er ritat“ (StS2 132) ‚wie vorher geschrieben wird/ist‘, „sem ritað var“ (StS1 378) ‚wie geschrieben wurde‘, „sem fyrr ritað (StS1 132) ‚wie vorher geschrieben‘ und in der Reykjarfjarðarbók : „[se]m fyr er ritað“ (StS1 451). Zwei weitere Verknüpfungen aus der Króksfjarðarbók enthalten noch eindeutige Belege für das Verb ríta : „sem fyrr var ritit“ (StS2 234) und „sem fyrr er ritit“ (StS2 301), welche gleich strukturiert sind wie jene von rita .
3.2.4. rita e-t ‚etw. schreiben‘
Von den acht Belegen in den jeweiligen Sagas sind zwei transitiv. Der erste aus der Prestssaga Guðmundar Arasonar erinnert sehr stark an zwei Belege aus der Jóns saga helga (vgl. Kap. II.3.1.1. g. und 3.1. 2.a.):
a) Hann tok heim til kenzlo clerca, oc var þat at-havpn hans dagliga tiþa i millom at kenna oc rita. Hann var oc at kirkio micinn lvta natta bæþi ondverþar nætr oc ofanverdar, enn gecc til scripta iafnan, er hann naþi cenne-monnum. Hann rannsacaþi bæcr manna oc hendir af hvers bocvm, þar er hann kemr, slict er hann hafði eigi adr (StS1 148).
Er [= Guðmundr prestr] begab sich nach Hause zum Unterricht der Kleriker, und es war sein Vorhaben, täglich zwischen den Gottesdiensten zu lehren und zu schreiben. Er war auch einen grossen Teil der Nächte in der Kirche, sowohl am Anfang als auch am Ende der Nächte. Und er ging ebenso zur Beichte, als er zu den Geistlichen gelangte. Er erforschte die Bücher der Leute und nimmt aus eines jeden Buch, an das er herankommt, was er vorher noch nicht hatte (Übers. KM).
Rita/ríta ist bei diesem Beleg Teil eines Infinitivsatzes, so dass kein Subjekt vorhanden ist. Das Agens ergibt sich aus dem Possessivpronomen hans ‚sein‘ im Hauptsatz, welches auf den Priester Guðmundr Arason verweist. Der Codex Resenianus weist zu dieser Stelle keine wesentlichen Abweichungen auf (vgl. StS1 148). Das Akkusativobjekt fehlt zwar, aber es gibt eine Temporaladverbiale tíða í millum ‚zwischen den Gottesdiensten‘ im Hauptsatz, welche auf das Attribut ZEIT verweist. Wie in der Jóns saga helga wird Schreiben wie das Lehren und das Studium der Bücher als alltägliche Arbeit eines Geistlichen beschrieben, so dass man auch bei diesem Beleg annehmen muss, dass es sich um das Abschreiben geistlicher Texte im Dienste Gottes und der Buchproduktion handelt. Das Agens steht für das Attribut SCHREIBER mit dem Wert prestr . Für das SKRIPT muss hingegen über die Werteconstraints mit dem Attribut LESER ein Wert inferiert werden. Der Wert prestr deutet auf liturgische Bücher hin. Dieser Wert schränkt wiederum die Werte der Attribute SCHRIFTTRÄGER und INHALT ein.
Der zweite Beleg aus der Íslendinga saga sticht heraus, weil dort das Skript wörtlich zitiert wird: b) „Ok var þat saugn Arnfinnz, at hertuginn gę́fi Snorra iarls nafn, ok sua hefir Styrmir hinn fróði ritað ‚aártið Snorra folsnar-iarls‘“ (StS1 540). ‚Und Arnfinns Bericht war, dass der Herzog Snorri den Jarlstitel gegeben habe, und so hat Styrmir der Kluge geschrieben: „die Jahrzeit des Jarls Snorri von Fólgsn1“‘ (Übers. KM). Der Schreiber und das Subjekt von rita ist Styrmir hinn fróði, ein Gesetzessprecher und vier Jahre nach Snorris Tod (1241) Prior des Klosters Viðey (vgl. Lönnroth 1968: 85). Die Interpunktion stammt vom Editor Kristian Kålund, d.h. es ist seine Interpretation, dass „»aártið Snorra folsnar-iarls«“ ein Zitat von Styrmis Eintrag in ein Jahrzeitbuch ist. Grundsätzlich ist es möglich, dass es einfach das Akkusativobjekt von rita darstellt, so dass Styrmir die Jahrzeit Jarl Snorris von Fólgsn schriftlich festgehalten hat. Wenn es sich tatsächlich um ein Zitat handelt, wäre es ein Wert zum SKRIPT, wenn nicht, einer zum INHALT. Das Lexem ártíð ‚Jahrzeit‘ als Wert egal welchen Attributs schränkt gleichzeitig auch jenen des SCHRIFTTRÄGERS ein, weil dann ein Jahrzeitbuch zu erwarten wäre.
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