Waldemar Bonsels
Die Biene Maja und ihre Abenteuer
In Sprache und Schreibweise modernisiert
Impressum
Covergestaltung: Tina Pankow
Illustration: Tina Pankow
Digitalisierung: Gunter Pirntke
BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke 2018
Mail: brokatbook@aol.com / gunter.50@gmx.net
Gunter Pirntke,
Altenberger Str. 47
01277 Dresden
Inhalt
Impressum Impressum Covergestaltung: Tina Pankow Illustration: Tina Pankow Digitalisierung: Gunter Pirntke BROKATBOOK Verlag Gunter Pirntke 2018 Mail: brokatbook@aol.com / gunter.50@gmx.net Gunter Pirntke, Altenberger Str. 47 01277 Dresden
Erstes Kapitel: Majas Flucht aus der Heimatstadt
Zweites Kapitel: Peppis Rosenhaus
Drittes Kapitel: Der Waldsee und seine Leute
Viertes Kapitel: Iffi und Kurt
Fünftes Kapitel: Der Grashüpfer
Sechstes Kapitel: Puck
Siebentes Kapitel: Majas Gefangenschaft bei der Spinne
Achtes Kapitel: Die Wanze und der Schmetterling
Neuntes Kapitel: Hannibals Kampf mit dem Menschen
Zehntes Kapitel: Die Wunder der Nacht
Elftes Kapitel: Die Elfenfahrt
Zwölftes Kapitel: Der Dichter Alois Siebenpunkt
Dreizehntes Kapitel: Die Räuberburg
Vierzehntes Kapitel: Die Flucht
Fünfzehntes Kapitel: Die Heimkehr
Sechzehntes Kapitel: Die Schlacht der Bienen und Hornissen
Siebzehntes Kapitel: Die Freundin der Königin
Der Autor
Erstes Kapitel: Majas Flucht aus der Heimatstadt
Die ältere Bienendame, die der kleinen Biene Maja behilflich war, als sie zum Leben erwachte und aus ihrer Zelle schlüpfte, hieß Kassandra und hatte großes Ansehen im Stock. Es waren damals sehr aufgeregte Tage, weil im Volk der Bienen eine Empörung ausgebrochen war, die die Königin nicht unterdrücken konnte.
Während die erfahrene Kassandra der kleinen Maja, deren Erlebnisse ich erzählen werde, die großen blanken Augen trocknete und ihr die zarten Flügel etwas in Ordnung zu bringen suchte, brummte der große Bienenstock bedrohlich, und die kleine Maja fand es sehr warm und sagte es ihrer Begleiterin.
Kassandra sah sich besorgt um, aber sie antwortete der Kleinen nicht gleich. Sie wunderte sich darüber, dass das Kind schon so früh etwas auszusetzen fand, aber im Grunde war es richtig, die Wärme und das Gedränge waren beinahe unerträglich. Maja sah ununterbrochen Biene auf Biene an sich vorübereilen, das Geschiebe und die Eile waren so groß, dass zuweilen die eine über die andere fortkletterte und wieder andere sich wie zu Klumpen geballt vorüberwälzten.
Einmal war die Königin in ihrer Nähe gewesen. Kassandra und Maja wurden etwas beiseitegedrängt, aber eine Drohne, ein freundlicher junger Bienenherr von gepflegtem Aussehen, war ihnen behilflich. Er nickte Maja zu und strich sich etwas erregt mit dem Vorderbein, das bei den Bienen als Arm und Hand gebraucht wird, über seine glänzenden Brusthaare.
„Das Unheil wird hereinbrechen“, sagte er zu Kassandra. „Der Schwarm der Revolutionäre wird die Stadt verlassen. Sie haben schon eine neue Königin ausgerufen.“
Kassandra beachtete ihn fast gar nicht. Sie hatte sich nicht einmal für die Hilfe bedankt, und Maja empfand deutlich, dass die alte Dame recht unfreundlich gegen den jungen Herrn war. Sie wagte nicht recht zu fragen, die Eindrücke kamen alle so rasch hintereinander und drohten sie zu überwältigen. Die Erregung teilte sich ihr mit, und sie begann ein feines helles Summen.
„Was fällt dir ein“, sagte Kassandra. „Ist nicht schon Lärm genug?“
Maja war sofort still und richtete ihre Augen fragend auf ihre ältere Freundin.
„Komm hierher,“ sagte diese zu Maja, „wir wollen versuchen, uns hier etwas zu sammeln.“
Sie schob Maja bei ihrem schönen glänzenden Flügel, der noch weich und ganz neu und wundervoll durchsichtig war, in eine wenig besuchte Ecke vor ein paar Wabenschränke, die mit Honig gefüllt waren.
Maja blieb stehen und hielt sich an einem der Schränke fest.
„Hier riecht es ausgezeichnet“, sagte sie zu Kassandra.
Die Alte wurde wieder ganz nervös:
„Du musst warten lernen“, antwortete sie. „Kind, ich habe in diesem Frühling schon viele hundert junge Bienen erzogen und für ihre erste Ausfahrt unterrichtet, aber mir ist noch keine vorgekommen, die so naseweis gewesen wäre. Du scheinst eine Ausnahmenatur zu sein.“
Maja errötete und fuhr mit den beiden zarten Fingerchen ihrer Hand in den Mund:
„Was ist das?“ fragte sie schüchtern, „eine Ausnahmenatur.“
„O, das ist etwas durchaus Unschickliches“, rief Kassandra, die allerdings die Handbewegung der kleinen Biene meinte und ihre Frage nicht beachtet hatte. „Jetzt merke genau auf alles, was ich dir sage, denn ich kann dir nur kurze Zeit widmen, es sind schon wieder neue Junge ausgeschlüpft und meine einzige Gehilfin in dieser Etage, Turka, ist ohnehin aufs äußerste überarbeitet und klagte in den letzten Tagen über Ohrensausen. Setz dich hier.“
Maja gehorchte und schaute mit ihren großen braunen Augen auf ihre Lehrerin.
„Die erste Regel, die eine junge Biene sich merken muss,“ sagte Kassandra und seufzte, „ist, dass jede in allem, was sie denkt und tut, den anderen gleichen und an das Wohlergehen aller denken muss. Es ist bei der Staatsordnung, die wir seit undenkbar langer Zeit als die richtige erkannt haben und die sich auch aufs beste bewährt hat, die einzige Grundlage für das Wohl des Staates. Morgen wirst du ausfliegen. Eine ältere Gefährtin wird dich begleiten. Du darfst zuerst nur kleine Strecken fliegen und musst dir die Gegenstände genau merken, an denen du vorüberkommst, damit du immer zurückfliegen kannst. Deine Begleiterin wird dir die hundert Blumen und Blüten beibringen, die den besten Honig haben, die musst du auswendig lernen, das bleibt keiner Biene erspart. Die erste Zeile kannst du dir gleich merken: ‚Heidekraut und Lindenblüte.‘ Sag es nach.“
„Das kann ich nicht,“ sagte die kleine Maja, „das ist furchtbar schwer. Ich werde es ja später auch schon sehen.“
Die alte Kassandra riss die Augen auf und schüttelte den Kopf.
„Mit dir wird es schlecht hinausgehen,“ seufzte sie, „das sehe ich schon jetzt.“
„Soll ich denn später den ganzen Tag Honig sammeln?“ fragte die kleine Maja.
Kassandra seufzte tief und sah die kleine Biene einen Augenblick ernst und traurig an. Es erschien, als erinnerte sie sich ihres eigenen Lebens, das von Anfang bis zu Ende voll Mühe und Arbeit gewesen war. Und dann sagte sie mit veränderter Stimme und sah Maja liebreich an:
„Meine kleine Maja, du wirst den Sonnenschein kennenlernen, hohe grüne Bäume und blühende Wiesen voller Blumen, Silberseen und schnelle glitzernde Bäche, den strahlenden blauen Himmel, und zuletzt vielleicht sogar den Menschen, der das Höchste und Vollkommenste ist, was die Natur hervorgebracht hat. Über allen diesen Herrlichkeiten wird dir deine Arbeit zur Freude werden. Sieh, dies alles steht dir ja noch bevor, mein Herzelein, du hast Grund, glücklich zu sein.“
„Gut,“ sagte die kleine Maja, „das will ich denn auch.“
Kassandra lächelte gütig. Sie wusste nicht recht, woher es kam, aber sie hatte plötzlich eine ganz besondere Liebe zur kleinen Maja gefasst, wie sie sich kaum erinnerte jemals für eine andere junge Biene gefühlt zu haben. Und so mag es denn wohl gekommen sein, dass sie der kleinen Maja mehr sagte und erzählte, als für gewöhnlich die Bienen an ihrem ersten Lebenstag hören. Sie gab ihr vielerlei besondere Ratschläge, warnte sie vor den Gefahren der argen Welt draußen und nannte ihr die gefährlichsten Feinde, die das Volk der Bienen hat. Endlich sprach sie auch lange von den Menschen und legte in das Herz der keinen Biene die erste Liebe zu ihnen und den Keim einer großen Sehnsucht, sie kennenzulernen.
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