Jenny Jägerfeld
Aus dem Schwedischen
von Birgitta Kicherer
Meiner geliebten Mama
und meinem geliebten Papa
KOMISCHE KNOCHEN
WIE VON EINEM CLOWN ENTWORFEN
DIE KUNST, EIN KANINCHEN ZU STREICHELN
DIE LISTE
SKALPIERT VON EINER METALLIC-ROTEN WURST
UNFREIWILLIG EINMALIG
ICH + MÄRTA = HERZ
WASA SPORTKNÄCKE KRACHT AM LAUTESTEN
MAN WIRD SICH DOCH ÄNDERN KÖNNEN!
FRÖHLICH UND NORMAL
EIN GRAUES RECHTECK
EIN VERWICKELTES ENTWICKLUNGSGESPRÄCH
HARRY POTTER HAT SICH NICHT BESCHWERT
EIN KNUSPRIGES ERDKRUSTENBROT
AUF BESCHLAGENES GLAS GESCHRIEBEN
IN TIROLERHUT UND BADEHOSE SOLLTE MAN LIEBER NICHT FLIEGEN
ICH WERD DIR ZEIGEN, WEM ES HIER DEN SENDER RAUSHAUT
AUFHEBEN, WEGWERFEN, VERSCHENKEN
VIEL SCHWEINISCHER ALS DIE SCHWEINE IM PARK
SAUER UND UNNORMAL
FALSCH, FALSCH, FALSCH
SESSEN VOM DOIFI
EINE LIMETTE, SCHLAU IM BADEANZUG VERSTECKT
DIE TRÄNEN
EIN VERGESSENER DORN
DAS DUNKLE INNENLEBEN VON DARTH VADER
DON’T TELL ME TO SMILE
TAKE ME HOME
WELPENATTACKE DIREKT AUFS HERZ
TOFFEE
ICH LIEBE DICH ZUM MOND UND ZURÜCK
Nachwort
Meine Mama hat mal gesagt, es gibt Menschen, die haben »funny bones«. Übersetzt heißt das ungefähr »komische Knochen«. Ich stelle mir das so vor: Das sind Leute, die sind irgendwie durch und durch komisch, bis ins Skelett – also sozusagen von Komik aufgebaut. Mama sagte, diese Leute seien schon komisch auf die Welt gekommen. So eine Person kann den miesesten Witz erzählen, und trotzdem lachen sich alle schlapp. Oder, es muss nicht einmal ein Witz sein. So jemand kann einfach sagen »Reichst du mir mal die Milch?«, und schon müssen alle loskichern, weil das so ulkig rüberkommt.
Dann ist da die andere Sorte, sagte Mama. Die können lernen, komisch zu sein. Sie sammeln Witze und lernen, wie ein Witz aufgebaut ist, und dann üben sie und üben und üben. Und durch das viele Üben merken sie, was die anderen zum Lachen bringt, und daraus machen sie dann etwas.
Schließlich gibt es eine dritte Sorte Menschen, die sind überhaupt nicht komisch, und wenn sie es noch so sehr versuchen. (Ich habe den Verdacht, meine Lehrerin Cecilia gehört in diese Kategorie.)
Ich hätte unheimlich gern komische Knochen. Ich möchte eine von denen sein, die witzig sind, ohne sich anzustrengen, eine, die sich einfach ins Klassenzimmer stellt und sagt: »Also, mein Papa ist gestern mit mir ins Kunstmuseum gegangen, und das war ungefähr so spannend wie Nasepopeln.«
Und Cecilia und die ganze Klasse: »AAAHAHAHAHAHAH!«
Sie brechen zusammen und halten sich den Bauch, weil sie vor Lachen Bauchweh kriegen. Zwischen den Lachanfällen stöhnen sie:
»Sasha, hör auf … wir können nicht mehr!«
Aber eigentlich wollen sie, dass ich weitermache, und das tu ich dann auch, ich mache weiter und werde von ihrem Lachen kein bisschen angesteckt, sondern sage nur mit unbewegter Miene: »Und da standen wir dann vor einem Bild, das sah aus, als hätte jemand eine Farbdose über die Leinwand geschüttet oder auf dem Weg zum Klo einen Farbeimer umgekickt! Aber mein Papa erklärt mit ernster Stimme: ›Was der Künstler uns hier mitteilen will, ist, wie sehr er mit dem Menschsein ringt.‹ Und ich dann: ›Ehrlich? Sieht mehr danach aus, als würde er damit ringen, KÜNSTLER zu sein.‹
Und BUUUMM!
Alle explodieren vor Lachen, sie fallen vom Stuhl, Cecilia auch, sie können nicht mehr reden, sie wälzen sich auf dem Boden und brüllen hysterisch.
Leider habe ich den Verdacht, dass meine Knochen nicht unbedingt superkomisch sind, dass ich also vermutlich nicht komisch auf die Welt gekommen bin. Positiv gesehen, gehöre ich auch nicht zur dritten Sorte, die kein bisschen komisch ist. Jedenfalls wird immer mal wieder über Sachen gelacht, die ich sage. (Ab jetzt werde ich notieren, worüber genau.) Wahrscheinlich gehöre ich zur zweiten Sorte. Die Sorte, die es trotz allem lernen kann.
Aber ich will UNBEDINGT funny bones haben. Und das WERDE ich auch schaffen. Das müsste doch klappen, obwohl ich nicht damit auf die Welt gekommen bin. Mein Plan ist, meine halb langweiligen Knochen gegen komische auszutauschen, einen nach dem anderen! Eins ist jedenfalls sicher – ich bin zielstrebig. Papa behauptet zwar, ich sei in die falsche Richtung zielstrebig. Dass ich also das falsche Ziel habe. Dass ich mehr Zeit in die Schule stecken sollte. Genau in diesem Augenblick wandert er beispielsweise in der Küche umher und grummelt etwas darüber, dass ich nicht genug über die Erdkruste und den innersten Kern der Erde lerne. Tut mir leid, aber das kommt mir nicht besonders wichtig vor. Ich kann mir jedenfalls keine Situation vorstellen, wo mein Leben absolut davon abhängt, dass ich etwas über die einzelnen Schichten der Erdkruste weiß. Und wenn, dann: Halloo?! Google!
Dagegen hängt mein Leben tatsächlich davon ab, dass es mir gelingt, funny bones zu bekommen. Das ist nicht mal übertrieben. Das ist wahr. Ohne werde ich nicht überleben.
WIE VON EINEM CLOWN ENTWORFEN
Cecilia steht vorne am Pult und redet über die Erdkruste. Ihre Stimme klingt, als wäre sie selbst total GESCHOCKT, weil das, worüber sie spricht, so irre interessant ist.
»Die Erdkruste ist zwischen 5 und 70 Kilometer dick!«
Auf der weißen Leinwand neben ihr leuchtet der Querschnitt einer Erdkugel. In der Mitte eine Art weißer Kern, dann ein paar leuchtende Schichten in Orange und Rot. Ganz oben die Erdkruste. Auf diesem Bild sieht die Erde ziemlich unseriös aus. Wie ein bunter Flummi. Ein bisschen gruselig, wenn man sich vorstellt, dass wir auf einem Planeten leben, der aussieht, als hätte irgendein Clown ihn entworfen. Ich versuche mir einen Witz auszudenken: »Hey, das würde jetzt schmecken – ein Glas Saft und dazu ein knuspriges Erdkrustenbrot mit Butter!«
Hm. Geht so. Etwas mit BLUTkruste wäre vielleicht witziger? Aber dann würden sie nur »Würg! Voll eklig!« sagen, und man will ja nicht unbedingt jemand sein, zu dem man »voll eklig« sagt.
Neben mir sitzt Märta und malt etwas auf den Zettel, den wir von Cecilia bekommen haben. Märta wird von allen außer mir »Metti« genannt. Sogar Cecilia nennt sie so. Aber für mich ist sie Märta, weil ich das schöner finde. Märta ist superlieb und hat das größte Herz von allen, die ich kenne. Ich beuge mich zu Märta rüber, weil ich sehen will, was sie malt, dabei kitzeln ihre blonden Locken mich an der Wange. Sie hat aus der Erdkugel ein Männlein mit Hut und Schnauzbart gemacht. Es hat einen Mantel an und eine dieser Brillen für Einäugige auf, die an einer dünnen Kette hängen. Wie heißt das noch mal? Molekül? Moloch? Monokel? Mein Onkel? So ähnlich ungefähr. Aus dem Mund des Männleins kommt eine Sprechblase: »Ich bin das Erdmännchen und hab meinen warmen Erdmantel an, weil es draußen so kalt ist.« Ich lächle Märta an, denn das ist ja ziemlich witzig. Sie kichert leise als Antwort. Wenn Märta kichert, klingt das, als würde ein kleines Kind gekitzelt. Total niedlich. Ich flüstere ihr zu:
»Mir ist eben was eingefallen!«
»Oh! Was denn?«, flüstert Märta zurück.
»Ich werd Komikerin! Stand-up-Komikerin!«
Bevor Märta antworten kann, steht Cecilia plötzlich vor uns.
»Ist euch das klar, Sasha Rein und Metti Sköld?«
Wir schauen zu ihr hoch. Sie legt eine Kunstpause ein.
»An manchen Stellen sind es demnach nur FÜNF KILOMETER zwischen unseren Füßen und dem, was man den Erdmantel nennt!«, sagt Cecilia und sieht uns mit großen runden Augen und offenem Mund an, wie die Moderatorin einer Kindersendung. »Wie viele Kilometer, Sasha und Metti?«
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