Uschi hatte in der Zwischenzeit ihre Morgentoilette beendet und sich fertig angekleidet „Och, jetzt bin ich aber traurig, du hast mir den ganzen Spaß verdorben. Wir wollten doch im Bett frühstücken“, sprach er.
„Naa, Bub, i mag koane Krümel auf dem Bettlaken, dös pikst immer so schrecklich. Deswegen habe ich mich auch angekleidet.“
„Nun ja, dös koann i a verstehn, um ehrlich zu sein. Schatz, i moag das Piksen a net.“
„Schau, Bub, hier im Erker ist’s gemütlich und nett, denn du hast ja alles mit heraufgebracht. Das hast du großartig gemacht, nun können wir uns das Frühstück schmecken lassen“, freute sich Uschi. Die jungen Leute langten kräftig zu, denn der Überfall hatte ihnen einen gehörigen Schrecken eingejagt. Heute, am Sonntag, wollten sie nach dem Mittagessen einen kleinen Spaziergang hinauf zum höchsten Punkt von Rigi Scheidegg machen.
Gemütlich saßen sie im Erker und genossen ihren ersten gemeinsamen Sonntagmorgen. Das Frühstück hatten sie beendet und sie schauten in den stillen, sonnendurchfluteten Garten hinunter. Es blühte an allen Ecken und Enden des Grundstücks. Am äußeren Rande des Parks stand ein alter, großer Lindenbaum. Um ihn herum hatte einst Großvater von Trostburg eine Bank bauen lassen. Man saß dort im Schatten und konnte seinen Gedanken freien Lauf lassen oder gemütlich in einem Buch schmökern. Diese Sitzgelegenheit wäre für ein Schäferstündchen mit einem geliebten Menschen gar nicht mal so übel.
Als Diether diese Idylle vom Fenster aus betrachtete, fing er mit Pathos zu singen an: „Vor meinem Vaterhaus steht eine Linde, vor meinem Vaterhaus steht eine Bank!“ Dann sagte er: „Weißt du was, Kleines, wir werden nun hinuntergehen und uns in den Park begeben: ein Stelldichein hier im Garten bei der Linde!“
„Tolle Idee, Burli!“, rief Ulli aus. „Wir lassen den Spaziergang ausfallen, denn wir haben hier im Garten ungezählte Möglichkeiten, uns die Zeit zu vertreiben. Vielleicht ist in der Umgebung der andern Chalets, welche um uns herum stehen, noch irgendwo ein Komplize, der sich versteckt hat.“
„Gut mein Schatz, bleiben wir hier bei der Linde“, antwortete Diether ergeben. Doch dann fiel ihm ein, dass Ulli ihm von anderen Möglichkeiten berichtet hatte, deswegen fragte er auch danach: „Womit könnten wir uns denn noch die Zeit vertreiben, Kleines?“
„Ach, weißt du, Großer, wir können musizieren, lachen, singen und kuscheln.“
Diether unterbrach sie lebhaft: „Küssen zuerst, oder?“
„Och, du alter Genießer, du Schlingel!“ Bei diesen Worten hopste sie auf seinen Schoß, um ihn herzhaft abzubusseln.
Diether ließ sich das nur allzu gerne gefallen. Danach standen sie auf und packten das Geschirr und die andern Dinge aufs Tablett. Diether marschierte damit in den Flur und stellte es in den Küchenaufzug hinein, drückte den Knopf und leise surrend fuhr der Aufzug in die Küche. Beide stiegen sie die Treppe hinab und Diether ließ sich in der Raucherecke nieder. Uschi verschwand in die Küche und stellte sich die Utensilien zum Kochen parat.
„Was möchtest du heute als Menü essen, mein großer Held? Vielleicht einen Makkaroni-Wildauflauf. Oder hast du auf etwas anderes Appetit?“
„Och, ich kann uns auch eine Mahlzeit kochen, magst du einen Nudelauflauf mit Kalbsvögerl und Tomatensoße à la Marchart, Liebes?“
„Gern, Bub, nur müssen wir unsere Arbeit anders gestalten. Dann kochen wir die Nudeln frisch. Das Kalbfleisch wird gebraten und du zeigst mir, wie man aus Kalbsschnitzel die Vögerl macht.“
„Sehr gerne, meine Gnädigste!“, witzelte Diether grinsend. „Wir werden das Kind schon schaukeln.“ Ursula legte ihm alles zurecht und Diether legte los. Mit umgebundener Schürze stürzte er sich mit Feuereifer auf die Kalbsschnitzel. Die wurden mit Speckstreifen belegt und mit kleinen Gurken, dann wurden sie wie Rouladen zusammengesteckt und in den vorbereiteten Bratkessel gelegt. Die Fleischstücke wurden kurz angebraten und in den eingeschalteten, vorgewärmten Backofen gestellt. Nun konnten sie in Ruhe dort garen. Uschi hatte unterdessen die gekochten Makkaroni abgeschüttet und in eine gebutterte Auflaufform hineingegeben. Diether holte die Kalbsvögerl aus dem Ofen, jetzt legte er die Fleischstücke auf die gekochten Nudeln und begoss alles mit der zubereiteten Tomatensoße. Der Auflauf kam für dreißig Minuten noch einmal in die Backröhre. Nun hatten sie beide eine halbe Stunde für sich.
*
„Uschilein, wie lange braucht der Auflauf im Ofen?“
„Jetzt ist es 12 Uhr … ungefähr bis 12:30 Uhr“, antwortete Ulli.
„Noch haben wir Zeit, um zu musizieren, was hältst du davon?“
„Sehr viel, Bub, wir werden dabei auf andere Gedanken kommen und an was Schönes denken“, erwiderte Uschi und beide gingen zum Klavier. Sie suchten die Noten von Franz Schubert heraus und Ursula förderte die Forelle zutage.
„An diesen Liedsatz hatte ich auch gerade gedacht“, sprach Diether und musste lachen, weil sie erneut den gleichen Gedanken gehabt hatten. Diether spielte ein paar Takte vor, Ulli hatte die Liednoten in der Hand und nach dem Zeichen zum Einsetzen des Gesanges begann sie: „In einem Bächlein helle, da schoss in froher Eil die launische Forelle vorüber wie ein Pfeil. Ich saß an dem Gestade und sah in süßer Ruh des munteren Fischleins Bade im klaren Bächlein zu.“
Diether spielte sogar die lustigen Zwischenspiele, die das ganze Schubertsche Forellenquintett ausmachten. Uschi hatte das Ganze mit lustiger Stimme erklingen lassen. Diether spielte den letzten Akkord und meinte: „Das war nicht schlecht, lustig war’s und passte genau ins Bild.“
Zwischendurch spielten sie zweihändig die Träumerei. Ulli mit der rechten die obere Tonart und Diether mit der linken die untere. Dann holte Uschi ein Lied von Carl Bohm aus dem großen Notenstapel hervor, das Chanson d’amour – Still wie die Nacht.
„Kennst du das Lied, Diether?“
„Oh ja, das ist das schönste Liebeslied, das es im Bereich dieser Lieder gibt“, erwiderte er vergnügt. „Singst du es für mich, Liebes?“
Uschi hatte die Noten des Stückes in der Hand und dann erklang mit Klavierbegleitung das herrlichste Liebeslied und -bekenntnis durch den Raum des Chalet Resi: „Still wie die Nacht und tief wie das Meer soll deine Liebe sein, deine Liebe sein. Wenn du mich liebst, so wie ich dich, will ich dein Eigen sein. Heiß wie der Stahl und fest wie der Stein soll meine Liebe, deine Liebe sein, soll deine Liebe sein.“
Als Ulli die Weise beendete und Diether den letzten Satz der Melodie gespielt hatte, war es zwischen ihnen mucksmäuschenstill geworden. Diether war erschüttert über dieses Lippenbekenntnis, das Uschi so zu Gehör gebracht hatte, da es ein wahrer Genuss gewesen war, ihr zuzuhören. Es war gleichzeitig auch eine Frage an ihn. Er würde sie immer mit einem lauten Ja beantworten und Ulli hätte mit Sicherheit das Gleiche gesagt. Das wusste er mit Bestimmtheit nach diesem Lied. Er hatte noch nie so empfunden bei einem Madel, doch für dieses wunderbare Geschöpf gab es nur diese eine Antwort.
Uschi schaute Diether mit bangen Gesichtszügen an. Hatte er gemerkt, dass sie ihn prüfen wollte und gleichzeitig fragte? Es waren wehmütige, stille Minuten zwischen ihnen, ehe das erlösende Ja von ihm kam.
„Ja, mein Schatz, ich liebe dich, Uschilein, direkt als ich dich auf der Bank am Parkplatz in Luzern sah, da war es um mich geschehen.“
„Bei mir auch, Diether, ich wusste, dass du mein Schicksal sein wirst, ob du’s glaubst oder nicht“, seufzte sie leise.
„Komm in meine Arme, ich muss dir einen dicken Kuss geben“, sagte er heiser. Sie küssten sich heiß und innig.
„Puh, i krieg keine Luft nimmer, Bub, dös war jetzt einer mit allen Schikanen. Bist du immer so stürmisch, Großer?“, sprach Uschi lachend und schmiegte sich weiter in seine starken Arme. Ihm war gleichfalls heiß geworden, denn er fühlte Uschis jungen Körper an seinem: ihre Jungmädchengestalt, die wohlgeformten, zarten Brüste unter ihrer Bluse.
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