„Ah, dös hat aber lang gedauert, Madl, bischt du ans Telefon kimme bischt.“
„Mutzilein, du rufst an? Ist was passiert?“
„Naa Madl, aber bei eich ist ja was los, warst a net in Gefahr, Ullikind?“
„Naa Mutzi, es ist alles in Ordnung hier oben. Ich hatte ja einen Beschützer, einen liebevollen Menschen. Mutz … ich habe … mich verliebt!“
„Do legst di nieder, Kruzitürken, wo gibt’s denn so was? Ulli, du bist erst sechzehn Jahre alt!“
„Und du, du warst a net viel älter als wie i jetzt!“
„Ja, ich weiß Madl, da habe ich auch deinen Papa kennengelernt.“
„Schau, dös mein i ja grad, Mutzi. Er ist 1,80 Meter groß, hat a ganz liabs G’schau, blaue Augen, nur ist er a bisserl schmal bei seiner Länge. Er studiert und wohnt in Wien und ist Österreicher wie Papa. Er ist im ÖAV und geht genau wie i gern in die Berg.“
„So, a Wiener ist’s und sonst?“
„Warte Mutzi, i ruf ihn her. Diether, kimm amoal.“
„I kimm Uschi, wo brennt’s denn, Schatzel?“
„Hier ist meine Mutter am Apparat, magst a wengerl mit ihr reden?“
„Freili tu i dös, also, Grüß Gott, Frau Baronin, küss die Hand, gnädige Frau. I bin der Diether aus Wien und bei Ihrer Tochter und mir war es Liebe auf den ersten Blick.“
„Sauber, soag i, aber gut gesagt. Was studierens denn?“
„Germanistik, Philosophie und Volkswissenschaft und nebenbei Psychologie. Ich komme aus einer Lehrerfamilie, spiele Cello in der Meisterklasse der Musikhochschule in Wien, malträtiere das Klavier, manchmal die Geige und die Gitarre. Reicht das fürs Erste, Madame von Giebel?“, fragte Diether schmunzelnd.
„Vorläufig, ja. Wenn’s meinst, Bua. I denk, dass mei Dirndl die richtige Wahl getroffen hat, na, dös werden wir ja dann sehen, salut Diether! Du kannst mir mein Töchterl noch amoal geben! Dank dir recht schön!“
„Ulli, sie fragt nach dir.“ Er reichte ihr den Hörer zurück.
„Du bist ja fei a Schlitzohr, Dirndl. Schaun wir mal, er hört sich gut an, seine Reden haben mir gut gefallen. Also, grüß mir das Mariele, die Fee und die beiden g’standenen Mannsbilder, pfüet di, Ulli, bis später!“
„Pfüet di Mutzi. Servus!“ Beide legten die Hörer auf.
„Was war denn das?“, bemerkte Urs zu dem abrupten Ferngespräch von Ullis Mutter.
„Frag mich was Leichteres, Urs, ich weiß es nicht. Vielleicht muss sie erst einmal verdauen, was ich ihr da auf die Schnelle mitgeteilt habe. Wahrscheinlich war das Ferngespräch mit Diether gerade ausschlaggebend, wer weiß. Die Mutzi ruft bestimmt noch einmal an. Mariele kennt das schon“, prophezeite Uschi an Urs gewandt.
„Du Ursi, wenn der Eindringling wieder eine Wanze eingesetzt hat, dann bekämen seine Hintermänner doch mit, was wir eben besprochen haben?“, fragte Uschi bang.
„Nein, das konnte er nicht, weil die Sprechmuschel des Hörers zu flach ist, sodass das kleine Etwas keinen Halt darin gehabt hätte. Mit großer Bestimmtheit wäre ein Rauschen zu hören gewesen, Kleines. War etwa ein Piepsen da?“, erkundigte sich Urs.
„Mutti hätte natürlich etwas gesagt, aber sie war klar zu verstehen“, bemerkte Ulli dazu.
„Aber ich werde vorsichtshalber nachschauen, Ursula. Du hast mich da auf eine Idee gebracht“, erwiderte der Leutnant und ging zurück in sein Büro. Uschi gesellte sich zu den Damen, die bei Diether in der Schmökerecke saßen. Diether rauchte seine Pfeife und die Damen ihre Peter Stuyvesant.
„Kleines, deine Mama war ganz reizend, ich hätte bald auch Mutz zu ihr gesagt. Sie hörte sich so leicht und beschwingt an, als ob sie einen Schwips gehabt hätte.“
„Kruzitürken, da kannst du recht haben. Dann hat sie im Geschäft einen Vertreterbesuch gehabt. Mitte August kommt dieser Herr Waller immer für Landhausmoden und -stoffe. Er bringt meiner Mutter dann einen Piccolo mit. Dieses Flascherl wird sie bei einem guten Geschäftsabschluss getrunken haben. Deswegen war sie auch so aufgekratzt.“
„Ursula, wenn sie noch einmal mit dir telefoniert, werde ich ihr die Leviten lesen. So etwas, ohne uns zu begrüßen, einfach aufgelegt. Aber wir wissen ja jetzt, weshalb, es soll ihr verziehen sein“, meinte Mariele gnädig und lachte.
Fee musste gleichfalls lachen und meinte spitzbübisch: „Oh mon dieu, Mariele, weißt du noch? Alkohol verträgt die liebe Pia überhaupt nicht, n’est-ce pas?“
„Meine kleine Uschi! Was haben wir gelacht, damals im Internat in Interlaken, wenn sie einen Schwips hatte. Dann lachte sie ununterbrochen und kicherte.“
„Oui, Fee, nun, wo du es sagst, fällt es mir wieder ein“, antwortete die Baronin. „Der werde ich das nächste Mal gehörig einheizen, wenn sie sich am Telefon meldet.“
Urs kam freudestrahlend aus dem Arbeitszimmer und meinte schadenfroh: „Schaut mal, was ich hier habe! Dieser blöde Kerl hat doch tatsächlich geglaubt, ich würde diese Wanzen nicht finden. Uschilein hat mich darauf gebracht. Da fiel mir dieses Spray ein, das wir für solche Dinge entwickelt haben, um diese Horcher unbrauchbar zu machen, gell mein Schatz“, sprach er zu seiner Frau. „Weißt, das habe ich nun benutzt und sie machten sich alle bemerkbar, sch, sch, sch.“
„Da hast du also in alle Ecken des Sekretärs hineingesprüht, Urs?“, fragte Mariele.
„Ja, das habe ich und dann machte es nur noch tut, tut, tut und diese monströsen Minisender oder Wanzen fallen dir einfach so in die Hände, das ist toll, viva Allegra! Freue dich, rufen wir Engadiner so aus, und das tun wir jetzt auch.“
„Und dann trinken wir alle zur Feier des Tages.“
„Willst wohl Abend sagen, Urs“, meinte Mariele lächelnd zu seinem Temperamentsausbruch. „Gut, dann trinken wir zur Freude heute Abend eine Flasche Champagner Brut, ist euch das recht?“, rief er ungestüm.
„Jawohl!“, erschallte es laut im Chor.
„Zuerst trinken wir zwei Mannsbilder einen Asbach Uralt, das brauchen wir jetzt, denn Kribbelwasser können wir später trinken, gell Diether?“ Er fasste ihn um die Schulter, der breitschultrige Urs Sutter den schmächtigen Freund von Ulli, der an der Brust von Urs fast noch schmäler wirkte als sonst. Marie-Theres entnahm dem Kühlschrank eine Flasche Brut und bat Uschi, sie zu öffnen. Dafür hatte man in der Küche ein Gerät, das die Korken ohne Knall öffnete.
„Wisst ihr zwei Bazis, wie ihr mir vorkommt? Als ob ihr in einer Bar stündet und beduddelt wärt. Mei, wenn dich dein Oberst Zurbriggen so sehen könnte“, prustete Uschi los, weil beide auch anfingen zu tanzen.
„Ehrlich, Kleines, dös macht nix“, grinste Diether, „Urs ist halt mein Freund, gell?“
Der nickte mechanisch mit dem Kopfe und sprach mit träger Zunge: „Du b...bist a...auch mein b...bester ami u...und wi...wir drei zu...zu...zusammen ge...gehen auf den Biancograt de...des Pi...Piz Bernina. Hicks. Okay? Hick, hick!“
Beide gingen zur Küchentüre hinaus und ins Wohnzimmer. Uschi lachte hinter ihnen her und dachte im Stillen bei sich: „Oh, diese Mannsbilder. Oh weh, wenn’s was getrunken haben, dann benehmen sie sich wie Kindsköpfe.“ Uschi füllte derweil die Gläser mit dem kühlen Nass, stellte sie auf ein Tablett und ging damit in den Salon. Sie hätte beinahe vor Lachen das Servierbrett fallen lassen, denn das Bild, das sich ihr bot, war einfach zum Brüllen. Da versuchten die zwei doch wirklich, Tango zu tanzen. Diether und Urs hatten die Flasche Cognac langsam leer gemacht und waren sehr berauscht. Gerade tanzten sie wieder mit vielen Verbeugungen und Kniefällen zu einem Menuett von Mozart. Die Schallplatte hatte die Baronin aufgelegt, als die zwei Wermutsbrüder aus der Küche kamen. Die beiden Damen lachten Tränen, sie konnten nicht mehr vor lauter Lachen.
Ursula stellte die Gläser mit dem Champagner auf den Couchtisch, nahm sich selbst ein Glas und trank es langsam aus. Dafür hatte sie nun eine klare Stimme. Sie bat Fee, die sich gerade die Lachtränen wegwischte, ans Klavier. „Hier, liebe Fee, hast du Noten aus der Lustigen Witwe, das Lied singe ich jetzt.“ Die Gräfin schlug die Tasten auf dem Piano an und spielte mit ein paar Akkorden aus Léhars Operette diese Melodie.
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