Warum hast du mir deine Todesqualen gezeigt? Warum hast du mich das fühlen lassen? Es war unerträglich!
Wolltest du Trost bei einem liebenden Herzen finden oder geschah es, um mir die Spuren der Leiden zu zeigen, die von meinen Sünden verursacht worden sind? Unglücklicherweise glaube ich, dass es eine Mischung von beidem war.
Angesichts deines tiefen Schmerzes vergaß ich mich ganz. Ich war wie niedergeschmettert durch deine Wunden. Schluss mit der Furcht vor dem Tod und dem Bedauern darüber, dass ich mich nicht von denen verabschieden konnte, die ich liebte. Es gab nur noch dich und mich. Und es gab nur noch dich.
»Warum weinst du, Herr?«, brachte mein fassungsloses Herz hervor.
Ich weine, weil ihr meine geliebten Kinder seid, meine viel geliebten Kleinen. Ich habe mein Leben für euch gegeben. Ich weiß nicht, was ich mehr für euch hätte tun können, und ihr lehnt mich ab. Ich weine, weil mein Herz sich in einer großen Liebe für euch alle verzehrt, wer auch immer ihr seid, und im Austausch erhalte ich nur Kälte, Verachtung und Gleichgültigkeit. Ich weine, weil es nichts Schlimmeres gibt, als von denen, die man liebt, missachtet und zurückgewiesen zu werden .
Deine Passion, Herr, setzt sich heute in deinem von Liebe brennenden Herzen fort, das nicht nur von unseren Sünden, sondern auch von unserer Gleichgültigkeit dir gegenüber gebrochen wird.
Mein Herz verzehrt sich in leidenschaftlicher Liebe für euch alle …
Bei Gott gibt es kein Casting , er liebt uns alle, wie wir sind, und er will uns retten. Seine Barmherzigkeit ist viel größer als unsere Sünden und unsere Verfehlungen. Die grenzenlose Macht seiner Vergebung wird immer stärker sein als unsere Verletzungen. Das ist die Allmacht Gottes: Seine Liebe ist stärker, als wir es sind, und seine Vergebung ist größer als unsere Verfehlungen.
Der Apostel Petrus hat Christus verraten, indem er ihn dreimal verleugnet hatte, aber er hat niemals an der göttlichen Barmherzigkeit gezweifelt. Keinen Augenblick. Im Gegensatz zu Judas, der dachte, seine Sünde sei unverzeihlich und der sich selbst richtete und Selbstmord beging.
Wenn man der Liebe Gottes Grenzen setzt, dann verkennt man Gott. Dann übersieht man ihn und das wahre Glück. Und das wahre Glück besteht darin, sich von ihm lieben zu lassen, so wie wir sind, bis auch wir unser ärmliches Menschsein akzeptieren, das manchmal unerträglich ist. Vielleicht ist das Demut, dass wir es wagen, uns so zu sehen, wie wir sind, und nicht, wie wir gerne sein möchten, unsere eigenen Schwächen und Grenzen zu erkennen, ohne einen einzigen Augenblick an der Liebe unseres Herrn zu zweifeln. Niemand ist Gottes würdig außer Gott selbst. »Wenn du warten willst, bis du heilig bist, um Gott zu lieben, dann wirst du ihn niemals lieben …«, sagt uns der heilige Augustinus. Es ist besser zu erkennen, dass man armselig ist, als sich falsche Verdienste anzudichten. Sich infrage zu stellen, ist grundsätzlich notwendig. Wie soll man seine Fehler korrigieren, wenn man sich weigert, sie zu erkennen?
Die Liebe unseres Herrn übersteigt jedes Verstehen. Sie ist größer als alles, was man sich vorstellen kann. Das Heiligste Herz Jesu ließ mich dies bei unserem »Rendezvous von Herz zu Herz« zwischen Leben und Tod erkennen. Wie einen Luftstrom habe ich diese Liebe mitten in meinem Herzen empfangen. Einen heißen Luftstrom.
Als »gute Katholin« hatte ich gedacht, ich würde die Liebe Gottes kennen. Ich war zur Messe gegangen, hatte im Evangelium gelesen und seine Barmherzigkeit besungen. Kurz: »Mir war sie bekannt!« Fehlanzeige. Seine Liebe sprengt alles und beginnt bei uns und unseren menschlich begrenzten Projektionen. Mein Herz wäre beinahe explodiert, so sehr wurde es überflutet, überströmt und umgedreht von seiner Zärtlichkeit! Wir kleinen Wesen können unmöglich die unendliche Weite und Tiefe seiner Zärtlichkeit aufnehmen.
Gott, der Unergründliche.
Zusätzlich zu seiner leidenschaftlichen Liebe zu uns hat mir das Heiligste Herz Jesu offenbart, wie sehr es sich nach uns sehnt, wie sehr es von uns, seinen kleinen Kindern, geliebt werden möchte.
Er, der Einzige, der allein Heilige, der Ewige, Allmächtige, geht so weit, dass er zusätzlich zu dem freien Willen, den er uns schenkt, uns arme Geschöpfe um unsere Liebe anbettelt! Obwohl er uns nicht braucht. Wir dagegen, wir brauchen ihn. Und ob wir wollen oder nicht, werden wir am Tag unserer Begegnung mit dem Sensenmann zur Verantwortung gezogen. Gottes freizügiges Verlangen nach uns zeigt, wie sehr er uns liebt. Seine Größe und seine Majestät offenbaren sich voll und ganz in seiner Erniedrigung uns gegenüber.
Angesichts der leidenschaftlichen Liebe Christi, seines Leidens und seiner Sehnsucht, von uns »auf menschliche Weise« geliebt zu werden, entfuhren meinem ganzen Wesen die Worte: »Wie schade, Herr, dass ich gerade jetzt meine Seele zurückgeben soll. Gerne würde ich auf die Erde zurückkehren und Zeugnis ablegen von deiner Liebe, die jedes Verstehen übersteigt, und von deinem Leiden, verursacht durch unsere Sünden und durch unserer Zurückweisung, um dich zu trösten.«
Kaum hatte ich diesen Wunsch formuliert, hast du mich an einen anderen Ort mitgenommen, auf eine ganz andere Bühne. Und was du mich dort hast sehen und erleben lassen, war etwas ganz anderes. Erst jetzt, nach all den Jahren, verstehe ich den Sinn.
Eine surreale Umgebung, die zugleich voll und leer war. Eine riesige Dimension, die nicht beschrieben werden kann.
Von vornherein bedrückte mich, wie klein ich war. Mein ganzes Sein fühlte sich an wie zusammengedrückt, als würde ich auf die Größe einer Liliputanerin schrumpfen. Über mir war etwas wie ein waagrechter Kreis in der Form eines Halbmondes, der in eine Wolke eingehüllt war. Ich sah nichts, aber ich fühlte alles. Ich sah nichts, aber ich wusste alles. Genau in diesem Augenblick, Herr, hast du mir erlaubt, mit meinem Herzen die volle Wahrheit zu erkennen. Ich war da, ein winziges Etwas, ein winzig kleines menschliches Teilchen, eine Minizelle, ein lebendiges Staubkorn, vor diesem imposanten Halbmondkreis, der majestätisch vor mir thronte.
Ich verstand sofort, dass dies das himmlische Gericht und die Stunde meines persönlichen Gerichts war. Der heilige Paulus spricht davon in einem seiner Briefe, den ich damals noch nicht gelesen hatte. Aber ich wusste es ganz sicher, es gab nicht den geringsten Zweifel daran. Dies war die Stunde meines Gerichts, wie es auch für uns alle diese Stunde des Gerichts geben wird. Ich kann euch nur sagen, dass dies kein Scherz ist. Das Geschöpf muss bis zum letzten Cent Rechenschaft ablegen. Keine Chance, sich zu rechtfertigen oder seine Schuld loszuwerden. Den Spielplatz für die großen Kinder, die wir alle sind, gab es nicht mehr. Ich habe ihr die Zunge herausgestreckt, weil sie mich an den Haaren gezogen hat. Ich habe meine Waffe herausgeholt, weil er als Erster geschossen hat .
Das entblößte Geschöpf steht in seiner ganzen Wahrheit vor seinem Schöpfer. Das ist dermaßen niederschmetternd, dass es unerträglich wird. Das Schlimmste ist die Vorstellung, dass »alles vollendet ist«. Du kannst nichts mehr wegnehmen und nichts mehr hinzufügen, was auch immer du getan hast. Die Würfel sind gefallen, nichts geht mehr .
Das Irrwitzigste war, dass Jesus genau in diesem Moment, dem schlimmsten meines Lebens, in der schrecklichsten Stunde meines Gerichts, verschwunden war! Er, der in meinem Leben immer an meiner Seite gewesen ist, hatte sich verflüchtigt! Ein Gefühl von Schrecken, Angst und Seelenqual. Im selben Augenblick wurde mir klar, dass er mich nicht verlassen hatte. Er war Teil des himmlischen Gerichts, das aus Vater, Sohn und dem Heiligen Geist bestand. Alles, was Jesus in meinem Leben hatte tun können, um mich zu retten, hat er getan. »Alles ist vollbracht«, wie am Kreuz. Jetzt war ich allein vor dem unerbittlichen Gericht und befürchtete die schlimmste Strafe.
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