Der Zombie bewegte sich nicht. Ich erwartete fast, dass er ein Martini-Glas hielt, aber er stand einfach nur da und schaute uns schweigend an. Sein Ausdruck sprach gespenstisch von Kummer und Mitleid.
»Siehst du noch mehr?«, rief Robert.
»Nein.« Als das Schiff vorbeifuhr, konnte ich einen Blick auf den Namen erhaschen, Comfort , Trost.
Und so kreuzten wir weiter die Küste entlang.
Es war nun schon über eine Woche her, seit in dieser Gegend die Kacke am Dampfen war, und es begann, sich zu zeigen. Als wir weitersegelten, stießen wir auf immer mehr verlassene Segelboote. Manche enthielten Zombies, aber wir ließen sie in Ruhe. Sie würden letztendlich einfach im Sturm sinken oder an Land getrieben werden. Erst später fiel mir ein, dass das keine so gute Idee war. Da es eine Menge Inseln in der näheren Umgebung gab, die vielleicht Überlebende beherbergten, wäre dies eine ausgezeichnete Methode sie zu infizieren. Andererseits war es nicht mein verdammter Job, jeden Scheißzombie zu töten, der uns über den Weg lief. Einmal überholten wir ein Boot, auf dem sich jemand am Mast erhängt hatte. Er baumelte einfach in der Luft wie ein makabres Windspiel. Ich bemerkte dann noch etwas, dass ich für besonders eigenartig hielt. Hin und wieder kamen wir an einer Ansammlung von verlassenen Booten vorbei, die alle in eine Ecke des Ufers gedrängt waren. Als Nichtseemann konnte ich nur vermuten, dass es etwas mit der Strömung und den Gezeiten zu tun hatte. Es sah nur so surreal aus, als ob ein gigantisches Kind seine Spielzeuge hier zusammengetragen hätte und gleich zurückkäme. Jemand Lebendiges sahen wir nie, aber wir hätten sie sicherlich aufgesammelt. Vielleicht hätten wir uns mehr Mühe geben sollen; also, etwas Lärm machen und schauen, wer da so angerannt kam, aber wir taten es nicht.
Es gab eine Reihe von Bränden nahe dem Ufer und einmal sah ich eine riesige Explosion weiter landeinwärts. Ich habe keine Ahnung, was es war, vielleicht einer von diesen großen Ölvorratstanks oder so etwas. Ich hörte das Donnergrollen der Druckwelle vielleicht eine halbe Minute nach dem Aufblitzen.
Wir erforschten zwei Boote an diesem Nachmittag. Das Erste war ein Motorboot, das wie eine erwachsene Ausgabe von dem aus Gilligans Insel aussah, ein Sportangler, wie Robert es nannte. Es trieb einfach vor sich hin, ein paar Hundert Meter vom Ufer entfernt, und war von Möwen bedeckt. Wir gingen auf zwanzig Meter heran, machten eine Menge Lärm und warteten auf eine Antwort. Robert meinte: »Ich schätze so frühe Achtziger, zehn Schlafplätze, wir reden hier von Längskojen, ein paar Gästekabinen, Kapitänskajüte, Maschinenraum, Salon, Speisesaal … das wird nicht leicht. Bist du dabei?«
»Warum nicht?«
Etwas Ablenkung tat uns sicherlich gut. Ich hatte schon den ganzen Morgen Boote betrachtet und mich gefragt, welche kleinen Schätze sie wohl verbergen würden, und mir war jede Ausrede recht, um nicht an gestern denken zu müssen, oder vorgestern, oder letzte Woche.
Wie gewöhnlich hatte Robert recht. Es war kein Spaziergang. Die Vögel waren wegen zweier Leichen im hinteren Teil des Bootes da. Die Überreste eines Mannes und einer Frau. Ich schlussfolgerte das anhand der Kleidung, da die Körper ziemlich angeknabbert waren von den Möwen und lädiert von dem Wind und der Sonne. Der Mann steckte definitiv in einem schwarzen Smoking, aber ich hatte keinen Schimmer, was sie trug. Was es auch war, der Stoff musste sehr dünn gewesen sein. Es sah aus, als hätten sie vor dem Abtreten eine Party gefeiert. Mehrere Flaschen Stolichnaya Elite , verdorbenes Essen und Müll lagen verstreut herum und ein großer Spiegel (nun mit Möwendreck überzogen) lag auf dem Tisch in der Mitte. Auf Deck war der Schauplatz nicht so schlimm, abgesehen vom Möwendreck; diese Bootsraubgeschichte könnte funktionieren. Sobald wir aber drinnen waren, wurde alles etwas beengend. Die Korridore waren sehr schmal, die Türen hatten komische Größen und das Boot knarrte und schwankte. Auf meiner Spaßskala lag das hier ganz weit unten. Ich war schlicht und einfach nervös. Alles in allem war es irgendwie gruselig.
Sobald das Boot gesichert war, gingen wir herum und sammelten Zeug ein. Ganz gleich, wer dieses Boot besessen hatte, er war reich gewesen, hatte aber einen Scheiß über grundlegende Überlebensausrüstung gewusst. Aber hey, wir ergatterten eingemachte Austern.
Als Nächstes kam ein verlassenes Segelboot, auf dem wir weitere drei Stunden damit verbrachten, zu planen, zu messen, herumzugammeln und noch mehr zu planen, bei dem vergeblichen Versuch, Roberts Boot mit diesem Umkehr-Osmose-Wasserfilterungssystem nachzurüsten. Oh, und wir fanden mehrere Kästen Monadnock -Wasserflaschen und ein paar Seekarten.
Lustig, ich habe nie auf die Namen der zwei Boote geschaut.
In dieser Nacht ankerten wir in einer kleinen Bucht, schön weit vom Ufer entfernt. Wir hatten gutes Licht bis fast 22 Uhr und soweit keine Besucher. Als die Temperatur sank, hob sich unsere Stimmung ein ganz klein wenig. Wir redeten nicht viel und verbrachten einfach unsere Zeit damit, in die Ferne zu starren. Aus irgendeinem Grund fing ich an, länger und länger auf das Ufer zu starren. Selbst wenn ich hundert Jahre alt werden sollte, was sehr unwahrscheinlich klang, würde ich nie wirklich fähig sein, diese vergangene Woche zu verarbeiten.
Zum Abendessen gab es Campbells Cremige Muschelsuppe , Salzcracker und warme Dr. Pepper . Nicht das Beste, aber es würde ausreichen und ich hatte sowieso keinen Hunger.
Robert ist ein großer Kerl, eins-neunzig, vielleicht hundert Kilo schwer. Ein Mittsechziger, mit kurzem, grauen Haar, einem grauen Bart und in hervorragender Form. Das Tattoo auf seinem Arm verrät, dass er früher einmal ein Marine gewesen war. Etwas, worüber er nie sprach. Eine kurze Unterhaltung mit ihm, und man merkte schnell, dass er total gelassen war, belesen und ziemlich smart. Er wollte schon immer Pilot werden, aber es kam letztendlich so, dass er Maschinenbau unterrichtete. Er liebte das Segeln. Sein Ruhestand sollte aus diesem Boot und dem Rest der Welt bestehen. Außerdem hatte Robert eine weitere Leidenschaft: Sportschießen mit der Pistole. Ja, ich weiß. Wie groß sind die Chancen, während einer Zombieapokalypse Dirk Pitt als Partner abzubekommen? Einer der anderen hatte mir erzählt, dass er einen Meistertitel bei der International Defensive Pistol Association erlangt hatte, regelmäßig an Wettbewerben der National Rifle Association teilnahm und so etwas wie eine Legende beim Capital City Gun & Pistol Club war. Dies war offensichtlich, wenn man ihn in Aktion sah. Er blieb immer ruhig, fast schon Buddha-artig, und schien niemals danebenzuschießen. Während ich jeden Schuss zählte, da meine Flinte nur sieben Patronen aufnahm, wusste Robert immer genau, wie es mit seinem Ladestreifen aussah und wann nachzuladen war.
Ich saß am Tisch in der Kombüse, knabberte an einem Cracker und starrte auf meine nun kalte Muschelsuppe. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie er mich studierte.
»Du weißt, wir hatten uns alle gemeinsam entschieden. Es war einstimmig. Wir brauchten Nahrung und Wasser. Wir brauchten Erholung.«
»Ja, aber wir hätten wenigstens um den Felsen segeln sollen. Vielleicht hätten wir es dann gesehen. Ich hatte den Gezeitenwechsel bemerkt, als wir zum Boot runtergingen, es war nur, es kam mir nie in den Sinn, dass …«
»Zu müde! Zu durstig! Wir hatten gerade den Großteil einer Woche damit zugebracht, uns in den Arsch treten zu lassen. Verdammt, wir waren überstrapaziert und konnten uns gerade noch so zusammenreißen. Wir können das wieder und wieder durchkauen, John. Hätte ich meine Seekarten gehabt, hätten wir mehr Wasser gehabt, hätte mein verdammtes Tablet funktioniert und wäre diese ganze Scheiße nie passiert! Wir alle haben's versaut und du und ich haben einfach verdammtes Glück, jetzt noch am Leben zu sein. Ende der Geschichte.«
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