Wilhelm Raabe - Wilhelm Raabe – Gesammelte Werke

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Wilhelm Karl Raabe war ein deutscher Schriftsteller. Er war ein Vertreter des poetischen Realismus, bekannt für seine gesellschaftskritischen Erzählungen, Novellen und Romane.Null Papier Verlag

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»Goe­thes sämt­li­che Wer­ke! Von die­sem Stein­hau­fen bis zum Ho­ri­zont und hin­aus über den Ho­ri­zont sagt al­les mit Be­hag­lich­keit: Blät­tern Sie wei­ter, auch über die nächs­te Sei­te scheint die Son­ne!… Vier­zig Bän­de Wel­truhms, zwei­un­dacht­zig Le­bens­jah­re und nur vier Wo­chen un­ge­trüb­tes Glück oder bes­ser ei­gent­li­ches Be­ha­gen – welch ein Trost für uns alle die­ser alte Kna­be in sei­ner Fürs­ten­gru­be zu Wei­mar ist! Ob man ein großer Poet und Staats­mi­nis­ter oder ein klei­ner Narr und We­ge­bau­in­spek­tor ist, bleibt sich am Ende ver­flucht gleich – ein Vi­vat al­len gu­ten wa­cke­ren Ge­sel­len zu Was­ser und zu Lan­de, auf eb­ner Erde und auf den gol­de­nen Wol­ken im blau­en Äther, den gu­ten wa­cke­ren Ge­sel­len, die aus­hal­ten und sich nicht ir­ren las­sen und bei je­der Wit­te­rung den Tag prei­sen. Tue, was du willst, Leon­hard, aber in al­len La­gen nimm dir ein Exem­pel an dem al­ten Ge­hei­men Rat und an dem Vet­ter Was­ser­tre­ter; stirbst du jung, so wirst du das Dei­ni­ge ge­nos­sen ha­ben, stirbst du alt, so kannst du dich in Ruhe einen Quie­tis­ten, Lum­pen, oder wie es dem Pö­bel sonst be­liebt, schimp­fen las­sen: du hast, was dir ge­hört, ge­ret­tet und kannst die Leu­te re­den las­sen.«

»Das ist al­les recht schön«, sag­te Leon­hard Ha­ge­bu­cher kläg­lich, »aber fürs ers­te han­delt es sich für mich we­ni­ger dar­um, die Nase hoch zu tra­gen, als sie aus dem Schlamm zu zie­hen. Al­les Schla­gen mit Hän­den und Fü­ßen ver­senkt mich nur im­mer tiefer in den Mo­rast; noch eine kur­ze Zeit, und der arme Teu­fel ist ver­schwun­den, und der Vet­ter Was­ser­tre­ter kann ihm ein Denk­mal set­zen mit der In­schrift: Hier liegt der Tropf, sei­nes Schick­sals wür­dig. Da­heim im Tu­mur­kie­lan­de –«

»Da­heim?« rief der Vet­ter in fast kläg­li­che­rem Tone als der Afri­ka­ner. »Da­heim im Tu­mur­kie­lan­de! Also so weit bist du schon her­un­ter? Es wäre frei­lich nicht zu ver­wun­dern; aber trau­rig ist’s doch. Ar­mer Bursch, die Ge­fan­gen­schaft hat dich gren­zen­los ver­wöhnt – stat­ten wir der Ma­dam Klau­di­ne einen Be­such ab; auch das wäre kein Wun­der, wenn sie den Rat für uns hät­te, den wir nun­mehr schon wo­chen­lang ver­geb­lich in al­len Rit­zen und Win­keln su­chen.«

»Wer ist die­se Ma­dam Klau­di­ne?« frag­te Leon­hard. »Ich höre die­sen Na­men nicht zum ers­ten Male, und im­mer wird er mit ei­ner ge­wis­sen me­lan­cho­li­schen Be­to­nung aus­ge­spro­chen. Wer ist die­se ge­heim­nis­vol­le Ma­dam Klau­di­ne?«

»Eine Frau, wel­cher du schon längst einen Be­such ge­macht ha­ben soll­test, Sohn Afri­kas. Jetzt ha­ben wir noch ei­ni­ge re­stau­rier­te Ab­zugs­grä­ben und den Weg am Non­nen­kopf, über wel­chen mir neu­lich der Wol­ken­bruch so nie­der­träch­tig her­fiel, zu re­vi­die­ren; – im Och­sen zu Flie­gen­hau­sen hal­ten wir Mit­tag und Mit­tags­ru­he, und nach­her ge­hen wir zur Ma­dam Klau­di­ne. Im Lau­fe des Ta­ges wer­de ich dir die­ses und je­nes von der Frau er­zäh­len. Samm­le die üb­ri­gen Bro­cken und lass uns wan­dern.«

Leon­hard Ha­ge­bu­cher er­hob sich, und der Vet­ter Was­ser­tre­ter be­stieg von neu­em sein Ross. Sie ver­brach­ten den Mor­gen ih­rem Pro­gramm ge­mäß, zähl­ten Stein­hau­fen, un­ter­such­ten Was­ser­läu­fe und Grä­ben und hiel­ten al­len die grü­ne Fer­ne durch­schnur­ren­den Ei­sen­bahn­zü­gen zum Trotz ihre Wege rein und in gu­tem Zu­stan­de.

Ge­müt­lich­keit und Grob­heit wech­sel­ten in den Kund­ge­bun­gen des Vet­ters den Um­stän­den und den Leu­ten ge­mäß, mit wel­chen er es in sei­nem Amte zu tun hat­te, und was er von der Ma­dam Klau­di­ne zu er­zäh­len wuss­te, er­zähl­te er. Leon­hard hat­te wie­der­um Ge­le­gen­heit, sich in man­chen Din­gen zu ori­en­tie­ren, die ihm sehr neu er­schie­nen, es aber kei­nes­wegs wa­ren.

»Flie­gen­hau­sen wird dir wohl noch be­kannt sein, und der Kat­zen­müh­le wirst du dich eben­falls noch er­in­nern«, sprach der Vet­ter Was­ser­tre­ter. »Solch ein deut­sches Dorf hält sei­ne Er­schei­nung und sei­nen Ge­ruch mit merk­wür­di­ger Zä­hig­keit fest, und aus dem Bo­den wächst im­mer das­sel­bi­ge Ge­schlecht, und im Och­sen steht der Ei­chen­tisch noch auf der­sel­ben Stel­le, auf wel­cher er vor fünf­zig Jah­ren stand. Mit der Müh­le ist das an­ders, und du wirst ja se­hen, was da­von üb­rig­ge­blie­ben ist. Den Bach hat der Teu­fel – wollt ich sa­gen, das neun­zehn­te Jahr­hun­dert ge­holt, und es ist ein Jam­mer und Scha­den um sei­ne Fo­rel­len. Den Kat­zen­mül­ler mit­samt sei­ner Fa­mi­lie hat der Teu­fel wirk­lich ge­holt und via Bre­men nach Ame­ri­ka ex­pe­diert, wo es ihm bes­ser geht, als er’s ver­dient. Im Jah­re ein­und­fünf­zig wa­ren Bach, Müh­le, Mül­ler, Mül­le­rin und Mül­ler­toch­ter noch im lus­tigs­ten Flor; um Weih­nach­ten zwei­und­fünf­zig aber, als Ma­dam Klau­di­ne an­kam, ging es zu Ende mit al­lem: die hüb­sche Ka­ro­li­ne war in das Lan­des­zucht­haus ab­ge­lie­fert, die bei­den Al­ten rüs­te­ten sich zu ih­rer Fahrt über die See, und oben im Lan­de war be­reits der Grund zu den Fa­bri­ken ge­legt, wel­che den Bach fra­ßen. Das ist so eine ein­fa­che Ge­schich­te, so eine Art Dorf­ge­schich­te, ohne Glan­zwich­se, Po­ma­de und Köl­ni­sches Was­ser. Das schö­ne Mül­ler­mäd­chen spiel­te na­tür­lich die Haup­trol­le in dem Trau­er­spiel, das Kri­mi­nal­ge­richt fand sich be­ru­fen, al­ler­lei Dorf­ge­rüch­ten nach­zu­ge­hen – eine Kinds­lei­che wur­de ir­gend­wo ge­fun­den – im Bach, im Fich­ten­grun­de, un­ter dem Dün­ger­hau­fen, wer weiß wo! – Es ist auch ei­ner­lei, die Ge­schich­te ist seit­dem be­reits wie­der­um ei­ni­ge Male in der Um­ge­gend pas­siert; die hüb­sche Sün­de­rin hat ihre acht Jah­re Zucht­haus hin­ter sich und ist Anno sech­zig ih­ren El­tern nach Mis­sou­ri ge­folgt, soll nach ei­nem Gerücht einen Quä­ker ge­hei­ra­tet ha­ben, nach ei­nem zwei­ten und wahr­schein­li­che­ren aber die Be­stim­mung des Wei­bes zu Utah im Mor­mo­nen­lan­de zu er­fül­len su­chen. Das al­les hat nicht das ge­rings­te mit der Ma­dam Klau­di­ne zu schaf­fen; die hat ihre ei­ge­ne His­to­rie, wel­che je­doch im Grun­de eben­so ein­fach wie die der Fa­mi­lie in der Kat­zen­müh­le ist. – Im Fe­bru­ar des Jah­res acht­zehn­hun­dertzwei­und­fünf­zig fiel hier­zu­lan­de ein star­ker Schnee, von wel­chem ihr in eu­rem Afri­ka un­ter dem Äqua­tor wohl kaum et­was ge­spürt ha­ben mögt. Es war, als ob der Welt nach den po­li­ti­schen Auf­re­gun­gen der jüngst­ver­gan­ge­nen Jah­re das Deck­bett für einen ge­sun­den Schlaf von ei­nem hal­b­en Sä­ku­lum auf­ge­legt wer­den soll­te. Acht Tage hin­durch währ­te der Spaß, und das ist dann die rech­te Zeit für un­serei­nen, wel­cher der Mensch­heit die Wege of­fen­hal­ten soll und sel­ber nicht durch­kann. Herr­gott, und nach­her will einen die Tan­te Schnöd­ler und die Cou­si­ne Mau­ser und die gan­ze üb­ri­ge Ver­wandt­schaft an sei­ner ro­ten Nase zup­fen und die ei­ge­ne rümp­fen! Tag und Nacht bis an den Hals im Schnee oder im Was­ser – Tag und Nacht kei­ne Ruhe – Herr In­spek­tor vorn, Herr In­spek­tor hin­ten – von der ho­hen vor­ge­setz­ten Be­hör­de Trit­te, Knüf­fe und Püf­fe, dass ei­nem der Kopf summt und man sei­ne See­le mit Ver­gnü­gen auf dem ers­ten bes­ten tro­ckenen Bund Stroh aus­äch­zen möch­te. Na, du hast ja auch man­cher­lei er­lebt, Leon­hard, und wirst dir eine Vor­stel­lung da­von ma­chen kön­nen! – Bei so be­wand­ten Um­stän­den rief mich nun da­mals mei­ne Amts­pflicht auch in das Ei­chen­tal hin­ter Flie­gen­hau­sen, wo die Post­stra­ße durch die Schnee­mas­sen voll­stän­dig ver­schüt­tet war und die Bau­ern­schaft mit Auf­bie­tung al­ler Kräf­te den gan­zen Tag über an der Auf­räu­mung der­sel­ben ge­ar­bei­tet, aber für jede Schau­fel voll, die sie zur Sei­te warf, drei Schef­fel voll über die Köp­fe be­kom­men hat­te. Der Wind wur­de mit zu­neh­men­der Däm­me­rung im­mer bos­haf­ter und tat nach bes­tem Ver­mö­gen das Sei­ni­ge, um un­se­re Mü­hen ver­geb­lich zu ma­chen; es konn­te in der Tat kei­ne bes­se­re Ge­le­gen­heit ge­ben, eine an­ge­neh­me Be­kannt­schaft zu ma­chen, und so ließ mich denn auch der Him­mel die Ma­dam Klau­di­ne auf mei­ner Chaus­see fin­den. Trotz al­len Hin­der­nis­sen und Schre­cken des Wet­ters hat­te eine von der Re­si­denz kom­men­de Ex­trapost sich Bahn ge­bro­chen bis zum Ein­gang des Flie­gen­häu­ser Ta­les, wo sie denn aber doch end­lich ste­cken­blieb. Ein jun­ger, statt­li­cher, sehr auf­ge­reg­ter Mann – ein Of­fi­zier in Zi­vil­klei­dung, ar­bei­te­te sich durch die Schnee­we­hen, um uns zu Hil­fe zu ru­fen. Ich hielt ihn im An­fang für be­trun­ken, er war’s aber nicht, und ich er­fuhr bald, dass er Grund zu sei­ner Auf­re­gung hat­te. Sein Kut­scher war ohne al­len wei­te­ren Zwei­fel be­trun­ken, ei­nes der Pfer­de zu­sam­men­ge­bro­chen und der Wa­gen selbst so tief ver­sun­ken, dass er kaum noch auf­zu­fin­den war. Die Dame im Wa­gen lag ohn­mäch­tig – im Fie­ber – dem Tode nahe; und mit ge­run­ge­nen Hän­den schrie mir der jun­ge Herr zu: ›Es ist mei­ne Mut­ter! Hel­fen Sie mir, o hel­fen Sie uns! Es ist mei­ne Mut­ter, wel­che stirbt; wo kön­nen wir sie, wenn auch nur für ei­ni­ge Stun­den, un­ter Dach brin­gen?‹ – Ganz Flie­gen­hau­sen stand nun­mehr im Krei­se um den ver­sun­ke­nen Wa­gen und kratz­te sich hin­ter den Ohren, und mir für mein Teil er­schi­en die Ge­schich­te ku­ri­os und ver­wun­der­lich ge­nug. Die Leu­te sa­hen an­stän­dig und vor­nehm aus; aber auf den ers­ten Blick muss­te man er­ken­nen, dass der Un­fall und das arge Wet­ter sie nicht al­lein be­dräng­ten. Sie er­schie­nen wie Men­schen, die von ei­nem plötz­lich aus­bre­chen­den Feu­er aus dem Schla­fe auf­ge­schreckt und aus ih­rem bren­nen­den Hau­se ge­jagt wur­den; eine wil­de, has­ti­ge und doch stumpf­sin­ni­ge Verzweif­lung sprach aus je­dem Wort, je­der Ge­bär­de des jun­gen Man­nes, und der stu­pi­des­te mei­ner Ar­bei­ter und Bau­ern wich be­trof­fen vor sei­ner krank­haf­ten Hef­tig­keit zu­rück. An ei­nem sol­chen är­ger­li­chen, mü­he­vol­len Tage hat man je­doch ge­nug zu tun, wenn man auf das Nächs­te und Nö­tigs­te ach­tet und, we­nigs­tens für den Au­gen­blick, zur Sei­te lie­gen­lässt, was einen für den Au­gen­blick nichts an­geht. Das nächs­te Ob­dach bot die Kat­zen­müh­le, und dort­hin brach­ten wir, nicht ohne An­stren­gung, die er­schöpf­te Frau. Wir hat­ten lan­ge zu po­chen und zu klop­fen, ehe man uns die Tür öff­ne­te; die bei­den Al­ten wa­ren nicht in der Stim­mung, barm­her­zig und mil­de ge­gen die Welt zu sein, und man konn­te es ih­nen auch kaum ver­den­ken. Das Elend such­te bei dem Elend Schutz, und das ist im­mer und al­le­we­ge ein an­der Ding, als wenn das Glück mit La­chen das Glück zum Tanz auf­for­dert. Die Mül­le­rin war na­tür­lich noch wi­der­bors­ti­ger und grim­mi­ger als der Mül­ler und wehr­te sich am längs­ten ge­gen un­ser Ein­drin­gen in ih­ren dun­keln Jam­mer­win­kel. End­lich wich auch sie halb der Ge­walt, halb der Über­re­dung und ver­kroch sich grol­lend zu ih­rem Mann hin­ter den Ofen. Wir leg­ten die kran­ke Dame auf ih­rem Bet­te nie­der und konn­ten nun­mehr kaum noch et­was für sie tun. Ich ver­sprach, wo mög­lich den Arzt von Nip­pen­burg her­über­zu­schi­cken, aber die Kran­ke wies, eben­falls mit großer Hef­tig­keit, die­sen Dienst zu­rück. So nahm ich denn Ab­schied und zog mich mit mei­nen Bau­ern und Stra­ßen­knech­ten nach Flie­gen­hau­sen zu­rück. Wir wa­ren gleich ei­nem ge­schla­ge­nen Heer; der Sturm und der Schnee hat­ten das Feld sieg­reich be­haup­tet; den Wa­gen der Frem­den muss­ten wir las­sen, wo wir ihn ge­fun­den hat­ten, und froh sein, dass wir noch die Gäu­le und den Kut­scher ret­te­ten. Wenn ich den fes­ten Ent­schluss hat­te, schon am fol­gen­den Tage die Kat­zen­müh­le wie­der zu be­su­chen, so lag es nicht an mir, wenn ich ihn nicht zur Aus­füh­rung brach­te. Ich hat­te mir aus dem Schnee der letz­ten Tage eben­falls ein Fie­ber ge­holt, wel­ches mich un­sern Herr­gott in sei­nem Zorn er­ken­nen ließ, mich in ei­nem Fe­der­bett halb er­stick­te und halb mich in Strö­men von Ka­mil­len­tee er­säuf­te. Erst nach Wo­chen ritt ich wie­der durch Flie­gen­hau­sen und dach­te dann zum ers­ten Mal wie­der an jene Be­geg­nung im Un­wet­ter, wel­che ich dir be­schrieb. Der Schnee war jetzt längst zu Was­ser ge­wor­den, und der Früh­ling reg­te sich schon über­all in den Bü­schen und un­ter den Bü­schen. Mir war recht wohl zu­mu­te, und in sol­cher sehr glück­li­chen und leicht­her­zi­gen Ge­müts­s­tim­mung trab­te ich denn auch zur Kat­zen­müh­le und rief mit lau­tem Hal­lo nach dem Mül­ler, um mich nach sei­nen Gäs­ten und ih­ren fer­nern Schick­sa­len in sei­ner Be­hau­sung zu er­kun­di­gen. Der Mensch soll aber ja nicht mei­nen, dass die Welt auf ihn war­tet, wäh­rend er, mit über die Ohren ge­zo­ge­ner Nacht­müt­ze im Bett lie­gend, schwitzt und Tee trinkt. Die Kat­zen­müh­le fand ich noch vor, aber den Kat­zen­mül­ler und die Kat­zen­mül­le­rin nicht mehr; sie wa­ren ab­ge­zo­gen nach Ame­ri­ka, und an ih­rer Stel­le saß die Ma­dam Klau­di­ne in der Kat­zen­müh­le, und die Ma­dam Klau­di­ne war jene ohn­mäch­ti­ge Dame, wel­che ich mit Hil­fe der Flie­gen­häu­ser Bau­ern­schaft aus dem Schnee auf­grub. Eine Magd wies mich zu­erst von der Tür fort, wie uns an je­nem stür­mi­schen Abend der Mül­ler ab­ge­wie­sen hat­te. Der Herr Leut­nant sei in die Frem­de ge­gan­gen und Ma­dam Klau­di­ne sei un­wohl und nicht zu spre­chen, hieß es. Der Vet­ter Was­ser­tre­ter aber hat sich nicht um­sonst dem We­ge­bau ge­wid­met, er fand sei­nen Weg zu der ge­heim­nis­vol­len Frau, und nicht zu ih­rem Scha­den; denn die from­men Hir­ten und bie­dern Acker­be­bau­er der Ge­mein­de Flie­gen­hau­sen mach­ten ihr be­reits das Le­ben sau­er ge­nug. Ich fand häu­fig Ge­le­gen­heit, mich der Frau nütz­lich zu ma­chen und ihre Ruhe und Be­hag­lich­keit ge­gen die Nach­bar­schaft, der das ›We­sen‹ gar nicht ge­fiel, in Schutz zu neh­men. Dass ich et­was Ver­trau­en­er­we­cken­des in und an mir habe, hat die Base Kle­men­ti­ne mir noch nie ab­ge­strit­ten, und so bin ich denn im Lau­fe der Jah­re ein gu­ter Freund der Ma­dam Klau­di­ne ge­wor­den, und wir wis­sen, was wir an­ein­an­der ha­ben. Sie sitzt still in ei­nem großen Schmer­ze und wür­de ihr Ge­schick ge­wiss gern um dei­ne Ge­fan­gen­schaft zu Abu Tel­fan ver­tauscht ha­ben; aber ihr Leid ist eben­falls nicht neu, ihre His­to­rie ist so­we­nig zum ers­ten Mal auf Er­den pas­siert wie die der schö­nen Mül­le­rin. Die­se Frau, wel­che wir hier Ma­dam Klau­di­ne nen­nen, ist die Gat­tin ei­nes hoch­ge­stell­ten Be­am­ten, der ei­ner Kri­mi­nal­un­ter­su­chung nur da­durch ent­ging, dass er in dem Au­gen­blick, als der Ver­haf­tungs­be­fehl ihm vor­ge­zeigt wur­de, wie man sagt, am Schlag­fluss starb. Ihr ein­zi­ger Sohn glaub­te sei­ne Ehre mit der sei­nes Va­ters ver­lo­ren und warf in un­ver­stän­di­ger Verzweif­lung al­les von sich, was sein Le­ben bis da­hin be­dingt hat­te. Als die Ka­ta­stro­phe über sein El­tern­haus her­ein­brach, muss sie ihn als einen ver­weich­lich­ten, ver­wöhn­ten Kna­ben ge­fun­den ha­ben; denn er be­saß nicht die Kraft, sei­ne Per­sön­lich­keit, sein Ich in dem ge­wohn­ten Le­bens­krei­se zu be­haup­ten, son­dern ließ al­les hin­ter sich und floh wie dein Lands­mann, der Vo­gel Strauß, um ir­gend­wo den Kopf in den Sand zu ste­cken. Die Mut­ter steht na­tür­lich für die Rich­tig­keit sei­nes Ver­hal­tens ein; sie ließ sich eben­so na­tür­lich in dem Au­gen­blick der Glücks­wen­de von ihm fort­rei­ßen und wäre ihm bis ans Ende der Welt auf sei­ner Flucht in das asch­graue Un­ge­wis­se ge­folgt, wenn nicht glück­li­cher­wei­se der große Schnee sämt­li­che Ei­sen­bahn­li­ni­en ver­weht und so­gar die Post­stra­ße des Vet­ters Was­ser­tre­ter am Ein­gan­ge des Ei­chen­tals vor Flie­gen­hau­sen ge­sperrt hät­te. So sitzt sie nun län­ger als zehn Jah­re in der Kat­zen­müh­le und harrt auf die Rück­kehr ih­res Soh­nes, und wie ich glau­be, war­ten an­de­re Leu­te mit ihr dar­auf. Dass der jun­ge Herr noch am Le­ben ist, steht der Mut­ter un­zwei­fel­haft fest, aber de­sto zwei­fel­haf­ter ist mir, was er aus sich ge­macht hat. Der Un­ter­hal­tungs­stoff ist uns wäh­rend die­ser zehn Jah­re nicht aus­ge­gan­gen; wir wis­sen im Som­mer wie im Win­ter, wor­über wir zu schwat­zen ha­ben, und im Not­fall kön­nen wir träu­men nach Be­lie­ben. Du wirst eine schö­ne, alte Frau, eine wei­se Frau, eine Hel­din ken­nen­ler­nen, Leon­hard Ha­ge­bu­cher. Wenn du im Tu­mur­kie­lan­de dein Elend mit sol­chem An­stand tru­gest, wie Ma­dam Klau­di­ne Feh­ley­sen das ih­ri­ge in der Kat­zen­müh­le, so ma­che ich dir mein all­er­ge­hor­sams­tes Kom­pli­ment. Him­melsacker­ment, nun sieh ein­mal an, wie mir die Lüm­mel hier den Win­ter­weg zu­ge­rich­tet ha­ben! Die gan­ze Bö­schung rui­niert! Wie vie­le be­sof­fe­ne Kot­sas­sen und Brink­sit­zer ha­ben mit ih­ren Mist­wa­gen hier im Gra­ben ge­le­gen? Soll­te man da nicht den Glau­ben an die Mensch­heit ver­lie­ren und den an die Karls­ba­der Be­schlüs­se fin­den? Das ist ja rein um des –«

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