Maybelline .
Das Coupé bog in die Auffahrt ein, ein schwarzer 1940er Ford, der wie eine Kanonenkugel aussah. Er bahnte sich einen Weg durch die Spurrillen, wobei der große Krankenwagenmotor die Erde festklopfte. Quietschend blieb der Wagen stehen und stotterte im Leerlauf, so wenig Gas nicht gewohnt. Der Fahrer würgte den Motor ab, und der Wagenschlag wurde knarrend geöffnet. Heraus stieg Granny Mays Enkel in seiner alten Bomberjacke, die Stirn unter einer schwarzen Melone versteckt, die seinem Großvater gehört hatte. Er war klein, aber kräftig, mit breitem Kiefer und dem Unterbiss einer Bulldogge. Jene Sorte Kiefer, die, sobald sie sich in etwas verbissen hatte, nicht mehr losließ.
»Rory Docherty«, sagte Cooley. »Hab gehört, du bist zurück aus Übersee. Oder wenigstens ein Teil von dir.«
Rory humpelte zur Vorderseite seines Wagens, wobei er sein Holzbein nachzog. Er sagte nichts. Cooley spuckte ins Gras.
»Hätte nicht gedacht, dass du noch fährst.«
Rory zog ein Päckchen Lucky Strike aus seiner Brusttasche und zündete sich eine zwischen seinen hohlen Händen an. Das Zippo-Feuerzeug des 5th Marine Regiment in seiner Hand schnappte zu.
»Ist kein Problem«, sagte er, »weil es mein Kupplungsfuß ist.«
Cooley leckte sich die Lippen und blickte auf Rorys linken Stiefel.
»Dieser Rennfahrer, Red Byron, ist jetzt ein Krüppel. Hat ihn anscheinend nicht davon abgehalten, weiter Rennen zu fahren. Er hat das Bein ja noch.«
Rory stieß den Rauch durch die Nase aus, einen sich kräuselnden blauen Schnurrbart.
»Gibt’s hier irgendein Problem?«
»Wir sind für’n Schluck Tee von deiner Granny hier«, sagte Cooley. »Ella hier hat gestern Abend eine Ladung abgekriegt.«
»Na so was«, sagte Rory.
Cooley zog grinsend seine Reithosen vorn hoch.
»Ja, Sir. Wir brauchten bloß ein Kräutermittel dagegen.«
Das Mädchen trank hastig den Tee aus und erhob sich.
»Ich bin so weit«, sagte sie. »Wir sollten fahren. Daddy steht bald auf. Er darf nicht wissen, dass ich nicht zu Hause war.«
»Nein«, sagte Cooley mit anzüglichem Grinsen Richtung Rory. »Das darf er nicht wissen.«
Sie kam von der Veranda herunter und ging zum Wagen, während Cooley sich nicht rührte. Schließlich kehrte er mit federndem Gang zum Wagen zurück, das dämliche Grinsen noch immer im Gesicht. Er stieg in den grünen Hudson und steckte den Kopf durch das Fenster.
»Hab gehört, Docherty, man hat dir ’ne Medaille dafür verliehen, dass du dich hast in die Luft sprengen lassen.«
Rorys Wangen verdunkelten sich, während er an der Zigarette zog. Die Asche glomm auf.
»Stimmt«, sagte er.
»Ganz schön großzügig, wenn du mich fragst.«
»Stimmt.«
»Dort drüben irgendwelche Schlitzaugen gekillt?«
Wieder kam der Rauch aus Rorys Nasenlöchern, als würde in seinen Eingeweiden ein Feuer brennen.
»Wird Zeit, dass du von meinem Grundstück verschwindest, Kleiner. Und zwar auf der Stelle.«
Cooley legte den Rückwärtsgang ein, wobei er Rory ansah. »Pass auf, wie du mit mir redest«, sagte er. »Bis zu Eustace oben auf dem Berg ist es weit.«
Rory humpelte zu dem Wagen hin. Er legte eine Hand auf das Dach und beugte sich mit der brennenden Zigarette zwischen den Fingern nach vorn.
»Sachte«, sagte er mit leiser Stimme. »Es heißt, er hat Ohren in den Bäumen.«
Rory nickte zu dem Geisterbaum hin. Wie er erwartet hatte, wanderte Cooleys Blick an den Zweigen hinauf, und Rory schnippte dem Jungen seine Zigarette in den Schoß. Cooley schrie auf und schlug nach dem Funkenregen, während sich ein Haufen glühender Fliegen auf seinen Schritt stürzte. Das Mädchen auf dem Beifahrersitz hielt sich die Hand vor den Mund und versuchte, nicht zu lachen. Cooley wischte die glühende Asche zu Boden und trat sie aus. Als er aufblickte, war sein Gesicht wutverzerrt.
»Zum Teufel mit dir, Docherty. Das wird dir noch leidtun.«
»Es gibt vieles, was mir leidtut«, sagte Rory. »Das hier bestimmt nicht.«
Er drehte sich um und ging zum Haus. Der Hudson wendete und wirbelte Erde auf, als er schlingernd die Auffahrt hinunterfuhr.
Granny sah ihrem Jungen dabei zu, wie er mühsam die Treppe erklomm.
»Du sollst keinen Rauch in eine Schlangenhöhle blasen, Junge.«
»Das war nicht seine Höhle, sondern unsere.« Er machte Anstalten hineinzugehen.
» Rory .« Er blieb stehen. »Hast du nicht was vergessen?«
Er beugte sich hinunter und küsste sie auf die Wange.
»Auf dem Ofen stehen Catheads«, sagte sie. »Soße dazu ist im Topf.«
»Danke.«
Sie hörte ihn hineingehen, wobei die Hütte unter seinen Schritten bebte. Sie hörte, wie die Sprungfedern protestierten, als er sich auf sein Bett fallen ließ und sein Frühstück kalt wurde.
Es gab eine dreistufige Pagode, errichtet auf einem kleinen Hügel oberhalb des Flusses, der wie geriffeltes Glas schimmerte. Die Einheit hatte den Fluss zu einem Pool aufgestaut. Sie kauerten darin in ihrem Unterzeug und schrubbten sich mit Seife den Augustdreck aus den Falten und Ritzen ihrer Körper. Haubitzen waren um sie herum auf den Hügeln aufgestellt wie Schutzmonster. Trotzdem wuschen sich die Marines in aller Eile, weil sie sich ohne ihre Stahlhelme, ihr Tarnzeug und ihre gelben Leinenbeinlinge, die seitlich geschnürt waren, ungeschützt fühlten. Erkennungsmarken baumelten um ihre Hälse und blitzten in der koreanischen Sonne.
Rory stand aus dem Pool auf und spürte, wie das kalte Wasser wie ein Umhang an seinem Körper hinabglitt. Seine bloßen Füße mit den weißen Zehen standen auf den runden, glatt gewaschenen Steinen wie die auf dem Berg bei ihm zu Hause. Er ging den Hügel hinauf in Richtung des Tempels mit dem Ziehharmonikadach, wo sie einquartiert waren, vorbei an olivfarbenen Hemden und Hosen, die auf Felsen und Büschen trockneten und wie Tierhäute ausgebreitet waren. Die Luft fühlte sich an, als wäre sie voller Zähne. Früher am Tag, als sie ein verlassenes Dorf durchsucht hatten, waren sie unter Beschuss von Heckenschützen geraten. Ihr erstes Mal. Sie waren zwar Marines, aber trotzdem naiv. Das Knallen der Schüsse hatte ihnen die äußere Schicht Mut vom Rücken gepellt; ihre Knochen waren jetzt dichter unter der Oberfläche.
Ein Paar steinerne Löwen bewachte den Eingang der Pagode, von Flechten überzogene Tiere mit eckigen Köpfen und großen Pfoten. Die Marines nannten sie »Foo dogs«. Es gab einen Nisei in ihrer Einheit, Sato, dessen älterer Bruder im 442. Infanterieregiment im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte. Alles japanischstämmige Amerikaner.
» Komainu «, sagte er. »Wächterlöwen. Sie halten die bösen Geister fern.«
Einer hatte sein Hemd über eins der Tiere geworfen. Rory nahm das Kleidungsstück herunter, damit die Kreatur etwas sehen konnte. Er betrat den Tempel. Die Luft fühlte sich kühl und abgestanden an wie in einer Höhle. Die dunklen Geister abgebrannter Kerzen spukten um die Wandleuchter. Der Ort roch nach Weihrauch und Lucky Strikes und nervösen Marines. Ihre Ausrüstung war an den Wänden aufgereiht. Er war noch nie an einem so alten Ort gewesen. Granny hatte für Kirchen nichts übrig – »Gottesschachteln« nannte sie sie –, und die in den Bergen schienen im Vergleich zu dieser hier nicht sehr stabil zu sein. Hastig zusammengeschusterte Bretter, manche lediglich aus Unterholz. Doch hier halb nackt und allein im Zentrum des Tempels fühlte er sich mit dem Stein von Generationen wie gepanzert. Keine Kugel konnte ihn hier treffen. Kein Gefühl von Angst ihn beschleichen.
Er wollte an diesem Ort bleiben, der so still und freidlich war inmitten der waffenstarrenden Hügel. Aber ein kalter Wind pfiff durch den Tempel und traf ihn am Rücken, und ihm fiel wieder ein, dass der Herbst früh begonnen hatte, für die Blätter und die Menschen. Leuchtendes Blut auf den sägezahnförmigen Gebirgskämmen und das Schreien, das nicht aufhören wollte.
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