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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
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© 2021 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99107-301-7
ISBN e-book: 978-3-99107-302-4
Lektorat: Marie Schulz-Jungkenn
Umschlagfoto und Innenabbildungen: Nyka Foidl
www.novumverlag.com
Polizeioberwachtmeister Mike vom Schärligbach,
Urlaub
Family first! Das ist die Devise. Deshalb fange ich bei meiner Jobbeschreibung gleich mal mit der härtesten Phase des Jahres an.
Einmal im Jahr geht die gesamte Belegschaft gemeinsam auf große Fahrt. Es werden Taschen mit Kleidung vollgepackt und zusammen mit Spielsachen, Musikinstrumenten und sogar mal einem Schlauchboot in der beweglichen Kiste namens Auto verstaut. Wenn nichts mehr reingeht, werden meine Schmusedecke, mein Futter, ich selbst und danach alle anderen Hausbewohner in die Lücken gequetscht und es geht los.
Wir verbringen den ganzen Tag gemeinsam in der Kiste. Das ist herrlich. Alle machen einmal das, was ich täglich im Haus tue. Schlafen, essen, schauen, kurz nach draußen und pinkeln, wieder schlafen.
Irgendwann steht die Welt plötzlich still und alle steigen aus, strecken die eingerosteten Glieder und atmen tief die fremde Luft ein. Dann heißt es „Aha“ und „Oh, wie nett!“ und wir erkunden die Unterkunft, in der wir für die Dauer der Exkursion übernachten werden.
Für mich sind diese Auslandsaufenthalte, die von den Menschen „Urlaub“ und „Freizeit“ genannt werden, purer Stress. Ich weiß nicht, was ich ihnen getan habe, dass ich Jahr für Jahr gezwungen werde, mich in immer haarsträubendere Abenteuer zu begeben.
Zuerst musste ich gegen meinen Willen in Wasser treten. Es schmeckte fürchterlich und war einfach überall und je länger ich an einer Stelle blieb, desto tiefer sanken meine Pfoten in schleimigen Schlick und ich konnte mich bald gar nicht mehr rühren.
Das war nichts gegen die Tatsache, dass die Familie nicht für Geld und gute Worte davon abzubringen war, immer weiter hinein in die abscheuliche Brühe zu marschieren und sich am Ende sogar wohlig stöhnend darin zu wälzen. Regelmäßig beschwört dieser Anblick eine Reihe von Schreckensvisionen vor meinem geistigen Auge herauf: MGL in der endlosen Weite verloren, unter ihr ein Abgrund aus undurchdringlicher Nachtschwärze, erfüllt von Tentakeln, Glubschaugen und scharfen Zähnen aller Arten irrwitzigen Getiers. Und ich, verlassen an einem fremden Strand, eine Tagesreise von meiner geliebten Dienststelle und meiner Schlafecke entfernt! Es hält mich nichts mehr. Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und stürze mich in das widerliche Nass. Irgendwann spüre ich keinen Boden mehr unter den Pfoten. Egal. MGL muss gerettet werden, danach werde ich den Jungen zurückholen. Nach einer Ewigkeit mühseligen Paddelns, Naseschnaubens und Japsens erreiche ich endlich MGLs Gesichtskreis. Ich mache unmissverständlich klar, dass ihr Benehmen unverantwortlich und einfach inakzeptabel ist, indem ich eine Kehre um 180 Grad schwimme und ihr bedeute, mir auf der Stelle ans sichere Ufer zu folgen.
Und was macht Frau Sorglos? Sie lacht und schwimmt noch ein bisschen weiter raus!
„Mikey! Komm’, ist das nicht wunderbar!“, ruft sie dazu noch aus. Wasser spritzt. Ich setze meinen Rückzug stur fort. Am Ufer muss ich erst mal verschnaufen. Setze dann aber sofort zur zweiten Rückholaktion an. So lange, bis das renitente Weib endlich zur Vernunft kommt und mir am Strand ein paar Bälle wirft, wie es sich gehört.
Dieses Spielchen musste ich in den vergangenen Jahren immer wieder an verschiedenen Gewässern durchführen. Wenigstens waren auch ein paar wohlschmeckende Seen dabei.
Eine andere Spezialität meiner lieben Familie ist das Überwinden großer Strecken per Luftschaukel. Wobei es ihr darauf ankommt, sich in möglichst kleine, möglichst schwankende Behälter mit 20 Fremden zu zwängen, mit möglichst vielen Fenstern, von denen aus man freien Blick hat auf buschige Baumwipfel, schartige Felskanten, steile Abhänge. Und das alles in schwindelnder Höhe.
Hier bewache ich den Strand auf der Insel Föhr und die Sandburg
Grundausbildung
Sozialkompetenz und Aufgabenverteilung, Berufswahl
Otto
Da ist zum einen Otto. Er ist sozusagen der Silberrücken im Revier. Ein Koloss von mindestens 60 Kilo Kampfgewicht, welches er gemessenen Schritts durch die Gegend trägt. Dabei behält er stets den todernsten Ausdruck des mit allen Wassern gewaschenen Konstablers im blond umrandeten Labradorengesicht, der jedem Entgegenkommenden zugleich Respekt und Furcht einflößt.
Bei unserer ersten Begegnung rief uns sein Teamleiter schon von Weitem zu: „Nehmen Sie die Leine ab, der Otto kann das nicht leiden!“
Was es bedeutet, wenn Otto etwas nicht leiden kann, haben schon verschiedene Vertreter unserer Gattung schmerzhaft erfahren müssen. Es kursieren diverse Geschichten über mehr oder weniger schlimme Blessuren, mit denen der Konstabler sowohl kleine wie große Mithunde gesegnet hat, die versehentlich in seine Reichweite kamen. Und jede dieser Geschichten beginnt mit „Kennen Sie schon Otto?“
„Otto? Oh, Gott …“
Ich selbst bin bis jetzt glimpflich davongekommen, obwohl er mich gleich am ersten Tag bei Dienstantritt in die Mangel nehmen wollte. Vielleicht hat er mich aber inzwischen doch als Kollegen im Amt akzeptiert. Ich kann mich jedoch nicht zurückhalten, ihm jedes Mal, wenn sich unsere Routen kreuzen, eins zu versetzen, einfach, weil ich sein dummes Gesicht sehen will, wenn er mich nicht zerfleischen darf. Ich rufe dann im Vorbeigehen so etwa: „Alter Schwede, bist du immer noch auf den Beinen? Ich dachte, sie hätten dich längst einbalsamiert! Mach’ ja nicht zu schnell, sonst kriegst du hier noch ein Herzkaschperl!“
Sheriff Terry
Die Runde gehen
Rolf
Toni
Obwohl man ihn fast nie im Revier persönlich antrifft, ranken sich doch unzählige Legenden um den Paten aus dem Appenzell. Eine Geschichte ist schauriger als die andere, und selbst kleine Menschenkinder sprechen seinen Namen mit größter Ehrfurcht und nur im Flüsterton aus.
Durch unsere Stammesverwandtschaft sehen wir uns zum Verwechseln ähnlich. Auch Toni trägt das dreifarbige Haarkleid und die Rute hoch geringelt über dem Rücken. Bei näherer Betrachtung fallen jedoch meine ungleich zierlichere Statur und die sehr viel elegantere Linie meines Kopfes auf. Toni könnte mit seinem Schädel eine Dampflok spalten.
Wer doch einmal in den zweifelhaften Genuss kommt, Toni daselbst auf einem bis dahin erbaulichen Spaziergang zu begegnen, merkt es daran, dass in etwa hundert Metern Entfernung plötzlich ein höllisches Gebrüll anhebt. In menschliche Worte übersetzt hört man so viel wie: „Wer ist das? Wer wagt es, in meinem Wald zu gehen? Zeig dich, du, ich mach dich platt! Ich reiß dir den Kopf ab und zwinge dich, ihn zu verschlucken! Ich prügel dich windelweich und dreh dich auf links! …“
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