Lasset die Spiele beginnen!
„Kommt ihr rüber? Dann können wir uns hierhin setzen.“
Ava und ich setzen uns ihm gegenüber auf den Boden und bilden so ein Dreieck. Die Flasche ist unser Mittelpunkt.
„Also, wer möchte anfangen?“ Logan sieht fragend in die Runde. Ich zucke mit den Schultern, also greift Ava zur Flasche und dreht. Okay, sie versucht es. Ihr erster Anlauf war zu schwach, der Zweite hingegen viel zu stark, weshalb die Flasche einmal quer durch das Zimmer rutscht, was mich auflachen lässt.
„Zum Glück haben wir nicht eine der Sektflaschen genommen“, gebe ich breit grinsend von mir. Logan springt auf und holt die Flasche zurück.
„Versuche es mit mehr Gefühl“, rät er ihr. Sie schaut ihm tief in die Augen, ehe sie es ein drittes Mal versucht.
Die Flasche dreht sich und zeigt auf mich.
„Wahrheit oder Pflicht?“, fragt mich Logan .
„Okay, irgendwie komme ich mir vor wie im Kindergarten.“ Ich kann mir ein weiteres Kichern nicht verkneifen. Das ist eine der Angewohnheiten, die ich entwickle, sobald ich zu viel getrunken habe. Und ist der Grund dafür, dass ich normalerweise auch nicht so über die Stränge schlage wie heute Abend. Oder aber ich tue Dinge, die ich später bereue. „Wahrheit“, beantworte ich die Frage.
„Wer stellt sie jetzt?“, möchte Ava wissen.
„Du, du hast ja die Flasche gedreht.“ Mittlerweile hat Logan einen leicht genervten Unterton in der Stimme.
Liegt vermutlich daran, dass wir uns schlimmer benehmen als Kindergartenkinder!
Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass wir Flaschendrehen spielen. Die Regeln sind uns bekannt und trotzdem stellen wir uns ziemlich dämlich dabei an.
„Also gut. Wir sind alle volljährig, dementsprechend gestalten wir die Sache jetzt interessanter als damals in der Schule. Mit wem hattest du dein erstes Mal?“
Okay, das kommt jetzt überraschend.
Ich habe mit vielem gerechnet, aber dass sie direkt in die Vollen geht, hätte ich nicht erwartet.
„Dana Watson“, beantworte ich die Frage wahrheitsgemäß. Klar, ich stehe schon immer auf Kerle, trotzdem habe ich – dank ausgiebigem Alkoholkonsum – mein erstes Mal mit einer Frau erlebt. Was ich bereue, denn mit einem Kerl wäre es vermutlich deutlich besser gewesen.
Aber es war ... okay. Traumhaft, wie man es sich in seinen Träumen vorstellt, war es definitiv nicht, aber trotzdem auch nicht das Grauenhafteste der Welt. Genug jedoch, um mir vollkommen sicher zu sein, dass ich auf Kerle stehe. Ohne eine weitere Reaktion abzuwarten, greife ich zur Flasche und drehe.
Sie zeigt auf Ava, die mich sofort mit großen Augen ansieht. Ihr Blick spricht Bände.
„Wahrheit oder Pflicht?“, möchte ich von ihr wissen.
„Pflicht“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
Auch wenn sie mir im Vorfeld gesteckt hat, was ich zu tun habe, entscheide ich mich doch anders. Ich möchte sie schmoren lassen. Es ist schließlich unser Urlaub und seitdem wir Logan mit einbezogen haben, schmeißt sie sich an ihn ran und lässt mich links liegen.
„Ich möchte, dass du dich wie ein Huhn verhältst, bis du wieder an der Reihe bist.“ Den Blick, den sie mir schenkt, werde ich so schnell nicht vergessen. Als Logan ihn sieht, fällt er in ein grollendes Gelächter und ich stimme mit ein.
„Ist das dein Ernst?“, möchte sie wissen.
„Ah ah ah. Ein Huhn kann nicht sprechen“, erwidere ich streng und wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel, was sich allerdings als völlig sinnlos herausstellt, da sie im nächsten Augenblick zu gackern anfängt, was Logan und mich zeitgleich nach Luft japsen lässt.
„Jetzt kriegt euch mal wieder ein! So lustig ist das nun auch wieder nicht!“, meckert sie.
Diesmal ist es Logan, der sie zurechtweist. „Ava, ein Huhn kann nicht sprechen. Also hör auf und gackere weiter!“
Als sie der ganzen Sache noch einen Hahnenschrei aufsetzt, während sie dabei die Augen verdreht, ist es mit uns vollkommen vorbei. Ich lasse mich nach hinten fallen und halte mir den Bauch, der vom vielen Lachen schon wehtut. Sie verstummt und der Farbe ihres Gesichts nach zu urteilen, ist es ihr nicht peinlich. Nein, sie ist fuchsteufelswild.
Nachdem Logan und ich uns wieder etwas beruhigt haben – was eine gefühlte Ewigkeit dauert – dreht sie die Flasche, die auf Logan zeigt. Sie sieht mich mit funkelnden Augen an, bis mir klar wird, was sie von mir will.
„Okay, okay. Du darfst für die Aufgabe mit ihm sprechen“, beschwichtige ich sie. Ich schwöre, wenn Blicke töten könnten, würde ich jetzt aufgespießt an der Wand hinter mir hängen.
„Wahrheit oder Pflicht?“
„Pflicht.“
Gespannt warten wir ab, was Ava sich für ihn ausdenkt.
„Gut, ich möchte, dass du dein Oberteil ausziehst“, lässt sie Logan wissen. Ihr Gesicht ziert ein schelmisches Grinsen. Logan zuckt mit den Achseln, gibt keinen Ton von sich und streift sich seinen Pullover samt T-Shirt vom Leib.
Gerade so gelingt es mir, meine Augen vom Herausfallen abzuhalten. Meine Vermutung auf einen durchtrainierten Körper war vollkommen richtig. Auf seinem Bauch zeigt sich das Sixpack, das ich schon immer haben möchte, jedoch nie genügend Disziplin an den Tag gelegt habe, um es auch zu erreichen. Schnell wende ich den Blick ab, streiche mir eine lose Haarsträhne hinters Ohr und sehe zu Ava, die sich nicht so gut im Griff hat wie ich. Ihre Augen sind doppelt so groß geworden. Fehlt nur noch, dass sie zu sabbern beginnt.
„Gut, ich bin dran.“ Logan greift nach der Flasche und dreht sie. Die Muskeln in seiner Brust spannen sich kurzzeitig an.
Er ist heiß!, sagen Engelchen und Teufelchen nahezu synchron.
Die Flasche bleibt erneut auf Ava gerichtet stehen. Zum Glück muss Logan ihr die Aufgabe stellen, denn ich weiß genau, dass ich sie nicht noch eine weitere Runde hinhalten könnte. Vermutlich würde sie mich vor Logans Augen erwürgen.
„Wahrheit oder Pflicht?“
„Wahrheit.“ Ach, bei ihm kein Pflicht?
Logan senkt den Blick auf die Flasche und überlegt.
„Okay, wenn du eine Superkraft hättest, welche wäre das und warum?“ Ohne zu überlegen gibt sie ihm eine Antwort.
„Ich würde gerne fliegen können wie ein Vogel. Oben im Himmel hätte ich meine Ruhe, könnte einen Bogen um stressige Situationen machen. Zumal es sicherlich in dem ein oder anderen Moment von Vorteil wäre, fliegen zu können“, erklärt sie.
„Ja da stimme ich dir zu. Ich glaube es gab schon so einige Momente in denen ich mir gewünscht habe fliegen zu können. Und sei es nur um von einem Fleck zum anderen zu kommen“, meint Logan.
„Fliegen? Ich dachte, als Chauffeur fährt man?“, gebe ich belustigt von mir.
„Natürlich fährt man da. Ich meinte jetzt auch eigentlich eher nicht ganz so einfache Zeiten. Schließlich hatte doch schon jeder so seine Probleme, in denen er am liebsten abgehauen wäre. Flügel auf und ab. “
„Da hast du wohl recht“, stimmt Ava ihm zu, ehe sie zur Flasche greift und sie dreht.
Sie zeigt auf Logan.
„Okay, also wenn ihr allein spielen wollt, kann ich auch ins Bett gehen“, nörgle ich gespielt.
„Ich nehme Pflicht“, beantwortet Logan die ungestellte Frage, sieht mich unvermittelt an und reißt erwartungsvoll die Augen auf. Ava hingegen betrachtet den Raum, als müsse sie angestrengt nachdenken, bis ihr Blick auf mir zum Ruhen kommt. Es breitet sich eine für mich unangenehme Stille aus, denn ich kann ganz genau sagen, welche Aufgabe sie Logan stellen wird, noch bevor sie diese überhaupt ausgesprochen hat.
„Suche dir eine Person aus, die du küsst.“
Richtig gedacht!
Gut. Nachdem Ava die Sache nun selbst in die Hand nimmt, hat sich der Gefallen also erledigt. Ich will gerade nach meinem Sektglas greifen, um mir das nicht ansehen zu müssen, als zwei Dinge gleichzeitig passieren. Zum einen realisiere ich, dass mein Glas bereits leer ist, während ich im Augenwinkel eine Bewegung bemerke. Logan beugt sich zu mir herüber, nimmt meinen Kopf behutsam in seine Hände und zieht mich zu einem Kuss an sich heran, der mich alles um uns herum vergessen lässt. Völlig perplex strecke ich die Hände in die Luft, als würde ich mich ergeben, damit Ava sieht, dass nicht ich derjenige bin, der die Schuld daran trägt.
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