Liegt vielleicht daran, dass er hetero ist und du dich bisher nur mit Schwulen getroffen hast, die auf dein Geld geil waren. Er ist zwar nicht schwul, aber das mit dem Geld wird früher oder später auch noch kommen, nörgelt das Teufelchen auf meiner Schulter.
Ob er hetero ist, wissen wir überhaupt nicht. Das wird sich noch im Laufe der nächsten Zeit zeigen. Und auf dein Geld ist er ganz bestimmt nicht aus. Dafür ist er viel zu zurückhaltend und sympathisch, widerspricht das Engelchen auf der anderen Seite.
Ich seufze leise und nehme einen Schluck von meinem Kaffee.
„Nein, ich finde weder ein Spiel noch eine DVD. Und im Fernsehen läuft auch nichts Interessantes. Das haben wir schon durch. Vielleicht finden wir ja auf Netflix was“, antwortet mir Ava auf meine Frage.
„Also ich kenne mich leider gar nicht mit Technik aus“, gesteht Logan und verzieht schuldbewusst das Gesicht.
„Ich schon.“ Zugegeben, was Handy oder Tablet angeht, gehe ich voll mit der Zeit. Jedesmal, wenn ein neues Smartphone rauskommt und mich von sich überzeugt, muss ich es haben. Egal, wie alt – oder jung – mein derzeitiges Handy ist. Und mit Smart-TV kenne ich mich ebenfalls aus. Ich stehe also vom Sofa auf, trete zu Ava und nehme ihr die Fernbedienung ab. Mit wenigen Handgriffen habe ich die Netflix-App auf das Gerät heruntergeladen, mich mit meinen Zugangsdaten angemeldet und bitte die beiden mir zu sagen, welchen Film sie gerne sehen möchten. Nach kurzer Diskussion entscheiden wir uns für eine Komödie, die noch niemand von uns dreien gesehen hat.
Gerade als ich mich neben Logan setzen möchte, kommt mir Ava zuvor und grinst mich dabei an. Etwas irritiert bleibe ich stehen, mustere sie von oben, ehe ich mich kommentarlos umdrehe und auf dem Sessel auf Logans anderer Seite platz nehme. Ava möchte ihm nahe sein, um auf Tuchfühlung mit ihm zu gehen, denn ihrem Verhalten im Auto nach zu urteilen, versucht sie Logan von sich zu überzeugen.
Auch wenn er allem Anschein nach kein sonderlich großes Interesse an ihr hat.
Ich starte den Film und schon nach kurzer Zeit verschwende ich keinen Gedanken mehr an die Sitzordnung.
Nach einer knappen Stunde ist der Kaffee ausgetrunken. Also stelle ich kurzentschlossen die Gläser auf das Tablett und trage es zurück in die Küche. Nachdem ich das Geschirr in der Spülmaschine verstaut habe, suche ich nach Sektgläsern und schnappe mir die beiden Sektflaschen aus dem Kühlschrank.
Was passt denn besser zu einer Komödie, als zwei Flaschen Sekt?
Im Wohnzimmer angekommen, sehe ich Ava, die sich zu Logan herumgedreht hat und ihm ihre ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. Eifrig nickt sie mit dem Kopf, auch wenn Logan allem Anschein nach nur etwas über seine Arbeit als Chauffeur erzählt und dabei wenig begeistert aussieht. Ava hingegen hängt an seinen Lippen und zwirbelt verspielt eine ihrer blonden Strähnen zwischen den Fingern. Eine Angewohnheit, die ich bei ihr schon des öfteren gesehen habe, sobald sie sich mit einem hübschen Kerl unterhält. Ich stelle die Gläser auf unsere Untersetzer und öffne die erste Flasche mit einem lauten Plopp, was die beiden erschrocken auseinanderfahren lässt. Logan wirft mir einen fast dankbaren Blick zu.
„Was gibt das denn jetzt?“, möchte Ava wissen. Ihrem Blick entnehme ich, dass ihr meine Unterbrechung so gar nicht in den Kram passt.
„Nach was sieht des denn aus?“, stelle ich unbeeindruckt die Gegenfrage.
„Wie es aussieht möchtest du uns abfüllen“, bemerkt Logan. Ein Lächeln umspielt seine Lippen.
„Gut erkannt“, lobe ich ihn und fülle die Sektgläser eines nach dem anderen mit der prickelnden Flüssigkeit. „Außerdem sind es doch nur zwei Flaschen für drei Personen. Sonderlich betrunken werden wir davon jedenfalls nicht.“
Falsch gedacht!
Als der Film zu Ende ist und der Abspann läuft, lachen wir alle drei gleichermaßen. Angeheitert von den beiden Flaschen Sekt, die bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken sind, halten wir uns die Bäuche.
„Und jetzt?“, fragt Ava und kichert. Bei ihr macht sich der Sekt bereits deutlich bemerkbar.
„Klingt zwar kindisch, aber was sagt ihr zu einer Runde Flaschendrehen?“, möchte Logan wissen. Irritiert sehe ich ihn an, ehe ich schließlich lauthals beginne zu lachen. Auch Ava scheint nicht zu wissen, was sie von der Idee halten soll.
„Flaschendrehen? Wie alt sind wir, zehn?“ Belustigt schüttelt sie den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das in unserem Alter so unterhaltsam ist wie damals zur Schulzeit.“
„Also … na ja. Es kommt halt drauf an, wie man es spielt“, nuschelt Logan vor sich hin.
Moment, er spielt aber doch nicht gerade etwa mit der Idee …?!
„Wir könnten ja die nicht jugendfreie Version davon spielen.“
Okay, also doch!
Ist das jetzt sein Ernst? Immerhin kennen wir uns gerade mal seit ein paar Stunden und er macht jetzt schon so einen Vorschlag?
Was Alkohol so alles bewirkt!
„Hmm“, brummelt Ava vor sich hin. Anscheinend spielt sie tatsächlich mit dem Gedanken, Logan in seinem Vorschlag zu unterstützen.
Nur weil sie sich einen Kuss mit ihm erhofft, knurrt das Teufelchen wieder nah an meinem Ohr.
Sieh doch mal die andere Seite. Wenn sie einen Kuss mit ihm bekommen kann, dann du auch. Schließlich weiß man nie, was bei diesem Spiel passiert!, teilt mir der Engel mit. Und ehrlich gesagt hat er gar nicht mal so unrecht. Sollte es eine Möglichkeit dazu geben, dann ja wohl jetzt!
„Also gut. Ich bin dabei“, stimme ich der ganzen Aktion zu, ehe ich es mir anders überlege. Logan schenkt mir einen überraschten Blick, während Ava etwas verdutzt ausschaut.
„Hauptsache wir machen jetzt noch IRGENDWAS“, gibt Ava klein bei und leert ihr Sektglas in einem Zug. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass sie nicht gerade begeistert ist. Ob von der Idee, Flaschendrehen spielen zu müssen, oder ob es an etwas völlig anderem liegt, kann ich nicht beurteilen.
„Gut, dann hole ich eine Flasche aus Plastik. Wir wollen doch nicht gleich an unserem ersten Abend für Scherben sorgen, oder?“ Logan springt auf und ist auch schon aus dem Zimmer verschwunden, als Ava den Abstand zwischen uns mit einem Sprung überwindet und mich an den Schultern packt. Leicht wankend steht sie vor mir.
„Wenn ich Pflicht nehme, sagst du, dass ich ihn küssen muss!“
Abgemacht, wenn du das gleiche bei mir machst!
Mit verschleiertem Blick sieht sie mich an und jedes Mal, wenn sie ausatmet, schlägt mir eine Alkoholwolke entgegen. Ihr Gesichtsausdruck zeigt mir allerdings, dass es ihr ernst ist mit dem, was sie da gerade gesagt hat. Dennoch finde ich die ganze Situation ziemlich amüsant.
„Das ist Spielmanipulation, das ist dir schon bewusst, oder?“, frage ich belustigt.
Irgendwie passt mir das trotzdem alles gar nicht in den Kram. Ich habe mich auf einen erholsamen Urlaub eingestellt mit genügend Zeit für uns, doch im Moment habe ich eher das Gefühl, als würde sie viel lieber den Urlaub mit Logan verbringen, anstatt mit mir. Mal davon abgesehen komme ich mir vor, als wäre ich das fünfte Rad am Wagen.
„Ach, stell dich doch nicht so an. Diesen kleinen Gefallen wirst du mir wohl tun können, oder? Schließlich brichst du dir keinen Zacken aus der Krone!“
Okay, dieser Tonfall ist mir vollkommen neu! Vermutlich dem Alkohol geschuldet.
„Er scheint es dir wohl richtig angetan zu haben, hm?“, frage ich trocken. Eifersucht macht sich in mir breit.
„Ähm. Du hast schon gesehen, wie er aussieht, oder?“ Sie zieht verständnislos eine Augenbraue nach oben.
„Kann ich nicht beurteilen.“
Kann ich doch, gebe ich aber nicht zu.
Schritte nähern sich und schon steht Logan wieder in der Tür.
„Also, können wir?“, fragt er und nimmt neben dem Kamin platz.
Читать дальше