„Was hältst du davon, wenn wir euch euer Weihnachtsgeschenk bereits vorab überreichen?“ Das Grinsen in seinem Gesicht reicht mittlerweile von einem bis zum anderen Ohr. Ehe ich ihn fragen kann, was er damit meint, taucht auch schon unsere Haushälterin Maria auf und stellt die üppig gefüllten Teller vor uns auf den Tisch. Sie wünscht uns noch einen guten Appetit und schon ist sie wieder aus dem Esszimmer verschwunden. Sie ist der „gute Geist“ in unserem Haus und versorgt uns mit den köstlichsten Menüs.
Doch das Essen wird noch einen Moment warten müssen. Zuerst muss mir mein Vater erklären, welches Geschenk er mir überreichen möchte.
Und das über einen Monat vor Weihnachten.
„Also, Dad. Von welchem Geschenk war die Rede?“
Er schneidet sich ein Stück von dem Steak ab und schiebt es sich in den Mund, ehe er genüsslich kaut.
Klar, den Sohn schmoren zu lassen ist ganz toll!
„Deine Mutter und ich haben uns gedacht, wir beteiligen uns an eurem Ausflug. Wir haben ein paar unserer Kontakte genutzt und für euch ein unglaubliches Angebot ausgehandelt. Ihr werdet in einem Ferienhaus in der Nähe des Jasper National Parks übernachten, von dem ihr es nicht sonderlich weit zu dem Gletscher habt. Ihr habt über euren gesamten Aufenthalt persönliche Ansprechpar-“
Mitten im Satz unterbricht ihn meine Mutter. „Ihr habt Ansprechpartner für eure Ausflüge, für das hervorragende Wellnessangebot und ein persönlicher Koch steht euch ebenfalls zur Verfügung. Wir haben euch nur das Beste vom Besten organisiert, damit sichergestellt ist, dass ihr nicht an irgendeinen Möchtegern geratet.“ Mit solchen Bemerkungen bringt mich meine Mutter regelmäßig in Verlegenheit.
Zum einen weil sie meinem Vater andauernd ins Wort fällt, zum anderen weil in ihren Augen alle Menschen, die nicht mindestens genauso viel Geld verdienen wie sie, nie gut genug sind.
„Genau. Und das Haus gehört die gesamte Zeit des Trips euch alleine“, ergänzt mein Vater kleinlaut, lächelt mich jedoch trotzdem freudig an.
Mit offenem Mund sehe ich meine Eltern an. Trotz der unhöflichen Unterbrechung meiner Mutter ist der Kern der Botschaft bei mir angekommen.
„Ihr sponsert uns den Ausflug?“, frage ich ungläubig.
„Na ja, nicht alles“, stellt meine Mutter klar, „alles, was ihr euch außerhalb des Ferienhauses leisten möchtet, geht auf eure Kappe. Es sind lediglich die Übernachtungen, der Wellnessbereich, das Essen, die Ausflüge und der Chauffeur frei. Das Taschengeld solltet ihr also nicht vergessen.“ Auch das Gesicht meiner Mutter ziert ein Lächeln, auch wenn es durchaus als kühl eingestuft werden kann.
Mein Kopf schwirrt und unweigerlich frage ich mich, ob ich im falschen Film bin. Oder träume ich das alles einfach nur? Ganz sicher! Gleich wache ich auf und es stellt sich heraus, dass das alles nur ein unglaublich toller Wunschtraum war. Klar, Wellness ist für mich jetzt nichts neues, doch die unbekannte Umgebung zu erkunden, ausgepowert in das Ferienhaus zurückzukehren, um anschließend eine Runde im Whirlpool zu entspannen, klingt zu schön, um wahr zu sein. Da geplant war, dass Ava und ich den Trip aus eigener Tasche zahlen wollen und weder sie mit ihrem Blog noch ich mit meinen Büchern ein so großes Vermögen angehäuft haben, um uns den gleichen Luxus zu gönnen, den ich von zu Hause gewohnt bin, habe ich mich bereits darauf eingestellt, alles auf ein Minimum reduzieren zu müssen.
„Ein Chauffeur? Das heißt, es muss nicht mal jemand von uns fahren?“, hake ich nach und meine Mutter nickt mir bestätigend zu.
Das ist noch das Beste an der ganzen Sache: Weder Ava noch ich müssen stundenlang hinter dem Steuer sitzen.
„Also, was sagst du dazu?“ Mein Vater sieht mich mit strahlenden Augen an.
„Was ich dazu sage? Ich bin sprachlos. Ich bin wirklich einfach sprachlos. Das wird der reinste Wahnsinn! Ava wird umkippen, wenn ich ihr erzähle, dass ihr den Trip sponsert. Und dann auch noch mit Personal, das uns rund um die Uhr zur Verfügung steht.“ Spätestens jetzt bin ich vom Grad der Aufregung auf dem gleichen Stand wie Ava noch vor wenigen Stunden bei unserem Treffen.
„Dann heißt das, diese Geschenkidee stößt auf Wohlgefallen?“, fragt meine Mutter.
„Was ist das denn für eine Frage? Natürlich! Das ist das mit Abstand beste Geschenk, das ich bisher von euch bekommen habe!“
Okay, jetzt höre ich mich sogar schon so an wie Ava!
„Hey, das hast du von den Socken zu deinem Geburtstag letztes Jahr auch gesagt“, erwidert meine Mutter entrüstet, schenkt mir jedoch ein breites Lächeln. „Schön, wenn wir euch eine Freude machen können.“
„Ihr müsst euch nur noch um einen Termin kümmern und uns mitteilen, wann ihr gerne mit eurem Ausflug starten möchtet. Um alles Weitere werden wir uns dann kümmern“, ergänzt mein Vater und tätschelt sanft die Hand meiner Mutter. Ein stilles Zeichen seiner Freude, wenn er jemandem etwas Gutes tun konnte. Ich springe vom Stuhl auf und drücke den beiden einen Kuss auf die Wange. Etwas, das ich schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr getan habe, doch in diesem Augenblick bin ich den beiden einfach unendlich dankbar für dieses unglaubliche Geschenk.
Am folgenden Tag treffe ich mich mit Ava zum Frühstück. Das Wochenende wollen wir gemeinsam entspannt ausklingen lassen und versuchen, endlich einen Termin für unseren Urlaub festzulegen. Mal davon abgesehen, habe ich ihr auch noch eine freudige Nachricht zu übermitteln. Immerhin wird der Trip ja von meinen Eltern bezahlt. Das dürfte sie unglaublich freuen. Schließlich hat sie leider nicht das Privileg reiche Eltern zu haben. Dank meiner Eltern, bleiben uns beiden diese Vorzüge im Urlaub erhalten, obwohl wir mit einem Gemeinschaftspool im Wellnessbereich eines Hotels gerechnet haben.
„Also, welche Termine stehen zur Verfügung?“, frage ich sie. In mir brodelt die Vorfreude auf ihren Gesichtsausdruck, wenn ich die Bombe platzen lasse.
„Ich habe mir die Woche vor Weihnachten bis einschließlich die erste Woche im neuen Jahr freigehalten“, lässt sie mich wissen.
„Okay, das klingt doch gut. Ich wäre gerne an Weihnachten bei meiner Familie. Was hältst du also von deiner ersten Urlaubswoche? Von Montag bis Sonntag. Weihnachten ist ja erst mittwochs. Wir hätten also fünf komplette Tage, wenn man Montag und Sonntag für An- und Abreise abzieht“, überlege ich laut und werfe somit den ersten Termin in den Raum. Ava sieht mich an und nickt langsam. In ihrem hübschen Köpfchen scheint es zu rattern. Gedankenverloren nimmt sie einen Schluck von ihrem Cappuccino.
„Das hört sich gut an. Dann haben wir das Wochenende zum Packen und können montags ganz entspannt in den Urlaub starten. Mit dem Fahren wechseln wir uns dann ab. Immerhin sind es von hier bis zum Jasper National Park knapp fünf Stunden. Mit Pausen werden es also gute sechs.“
Ich kann mich nicht länger zusammenreißen und wie von selbst breitet sich ein fettes Grinsen in meinem Gesicht aus. Ava sieht mich irritiert an.
„Warum grinst du so? Habe ich Milchschaum im Gesicht?“ Sie tastet in ihrer Handtasche nach einem kleinen Kosmetikspiegel und betrachtet ihr Spiegelbild. Als sie nichts gefunden hat, klappt sie ihn wieder zusammen und wirft ihn achtlos in die offene Tasche. Ich lehne mich über den Tisch, greife nach ihren Händen und drücke sie leicht, wobei mir ihre gemachten Fingernägel in die Haut stechen Die Aufregung breitet sich kribbelnd in meinem ganzen Körper aus und ich fühle mich, als wäre ich in einen Ameisenhügel gefallen.
„Ava, ich muss dir noch was sagen.“ Ich mache eine theatralische Pause und sehe sie dabei an. „Meine Eltern haben mir gestern Abend offenbart, dass sie uns den Trip zu Weihnachten schenken werden. Mit allem, was dazugehört. Wir wohnen in einem Ferienhaus mit recht zentraler Lage, uns steht Personal zur Verfügung und einen Chauffeur haben wir auch noch. Alles Grundlegende wird von ihnen bezahlt, lediglich was wir auf den Ausflügen kaufen oder neben der Grundverpflegung haben möchten, müssen wir selbst übernehmen.“ Ich gebe ihr die Zeit, um meine Worte wirken zu lassen. Sie sieht mich einfach an, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Als sie sich nach einer gefühlten Ewigkeit immer noch nicht rührt, werde ich misstrauisch.
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