So wie sie sich zuvor geweigert hatte, ihr Gesicht zu säubern, unternahm sie auch jetzt keinerlei Versuch, das Blut abzuwischen. Es war ein Ehrenzeichen in der Tradition der besten Nebelparder-Krieger. Devon verstand sie nur zu gut. Es war ihr wichtig, dass Blut floss, wie es die Tradition vorsah. Den Befehl, ohne eine derartige Verletzung aufzugeben, wäre erniedrigend für sie gewesen. Devon Osis las ihre Miene, als sie ihn ansah. Sie fühlte weder Zorn noch Antipathie, nur Bewunderung und Respekt. Sie und die anderen wissen nun, dass auch in meiner Brust das Herz des Nebelparders schlägt. Sie wissen, dass ich bereit bin, zu tun, was immer nötig ist, um unsere Ehre aufrecht zu erhalten.
Devon drehte sich zu dem Kreis der Krieger um und empfing die Blicke und nickenden Kopfbewegungen ihrer Anerkennung. Mit der Übernahme des Befehls über die Galaxis fiel ihm auch die Ehre zu, der Einheit einen Namen zu geben. »An diesem Tag erzittern Herzen und Hirne auf allen Welten im gesamten erforschten Raum. Eine neue Nebelpardergalaxis ist geboren. Als Nicholas Kerensky die Clans gründete, lehrte er uns die Bedeutung der Namen als Ansporn für unsere Krieger. Von diesem Tage an sind wir nicht mehr nur Galaxis Tau. Unsere Feinde sollen uns unter unserem wahren Namen fürchten lernen, als die Diana-Galaxis.«
Er pausierte lange genug, um ein weiteres Mal tief durchzuatmen und seine Gedanken zu sammeln. »Diana ist nicht nur der Name einer unserer Heimatwelten, sondern auch der Geist unserer Galaxis. Das Nebelparderweibchen ist eine wilde Jägerin, die ihre Jungen mit ebensolcher Wildheit beschützt und verteidigt. Wie die Jägerin wird die Diana-Galaxis unseren Clan beschützen und verteidigen und seine Feinde gnadenlos zur Strecke bringen. Wir verteidigen unseren Clan, indem wir die vernichten, die uns zu vernichten versuchen. Krieger nah und fern hört meine Worte. Der Nebelparder ist auf Jagd.«
8
Landungsschiff Claymore, am Zenithsprungpunkt, K-001-WD-505
Äußere Peripherie
29. Juni 3058
Das Sprungschiff der Invader-Klasse Kitsune-Doku materialisierte in einem lautlosen, blauen Lichtblitz und einem Impulsstoß elektromagnetischer Energie am Zenithsprungpunkt des Systems, und mit ihm die drei Landungsschiffe der Highlanders. Ein zweiter Lichtblitz kündete von der Ankunft ihres Begleitschiffs, des Magellan-Klasse-Sprungschiffs Kobayashi, an dessen Rumpf das draconische Landungsschiff angedockt hatte.
Hyperraumsprünge selbst erfolgten in Nullzeit, aber sie verbrauchten derartig große Energiemengen, dass ein Sprungschiff je nach der Spektralklasse der Sonne eines Systems bis zu zehn Tage benötigte, um den Sprungantrieb über ein für diesen Zweck ausgebreitetes Solarsegel wieder aufzuladen. Die Kitsune-Doku war eine Ausnahme von dieser Regel. Das mit Lithium-Fusionsbatterien ausgerüstete Schiff konnte genug Energie für zwei Sprünge speichern und den Antrieb in kürzester Zeit neu aufladen. Oberst Stirling hatte jedoch darauf bestanden, dass ihr Schiff auf dem Flug nach Wayside Energie für einen Sprung in Reserve hielt. Immerhin befanden sie sich nicht mehr in der Inneren Sphäre mit ihren dichtbefahrenen Raumstraßen und vertrauten Sonnensystemen. Sie wagten sich in die Äußere Peripherie, in die gewaltigen Weiten jenseits des erforschten Weltraums.
Loren rieb sich die Augen und schnallte sich los. Wie die fünf zuvor war auch dieser Sprung einwandfrei verlaufen, aber er hatte ihn vor Ende der Schlafperiode geweckt. Die Glockenschläge der Entwarnung aus dem Deckenlautsprecher teilten ihm die erfolgreiche Ankunft im Zielsystem mit. Hier würde das Wiederaufladen schneller ablaufen, denn das Zentralgestirn dieses Systems war ein weißer Zwerg.
Es war Morgen, ersichtlich anhand der Beleuchtung. Im All war es schwierig, einen Tagesrhythmus aufzubauen, da das Sonnenlicht als Referenzpunkt fehlte. Skipper Spillman der Claymore versuchte dies durch eine entsprechende Regelung der Bordbeleuchtung auszugleichen, die während der Nacht laut Terra-Normzeit nur mit zwanzig Prozent Leistung arbeitete, und in den Dämmerungsperioden mit halber Kraft. Trotz seines Vertrauens in den Skipper des Highlander-Landungsschiffs vergewisserte Loren sich allerdings immer durch einen Blick auf die Uhr.
Nachdem er sich gewaschen und rasiert hatte, zog Loren einen frischen Uniformoverall an und blickte auf seinen Computer. Besprechungen. Das war der Fluch einer Ernennung zum Stellvertretenden Regimentsführer: ein doppeltes Arbeitspensum. Er befehligte nicht nur das Kilsyth-Guards-Bataillon, sondern musste darüber hinaus die Bemühungen der beiden anderen Bataillone koordinieren. Und jetzt kam auch noch der draconische VFB Parkensen hinzu, der sich bei ihm und Oberst Stirling über deren risikoreichen Einsatzplan beschwerte. Der VFB wollte ihn für einen Abwurf direkt über der Parderbasis verwerfen.
Auch heute gab es wieder eine Besprechung für Loren, diesmal bei seinem eigenen 1. Bataillon - seinen Guards. Sie warteten in der künstlichen Gravitation des Hauptkonferenzraums der Kitsune-Doku auf ihn, den die Fusiliers für den Flug in einen Aufenthaltsraum verwandelt hatten. Bei seinem Erscheinen nahmen die rund ein Dutzend Offiziere in den roten Baretten des Bataillons Haltung an. Loren winkte ab, und sie entspannten sich. Er ließ sich auf seinen Platz sinken, und die anderen um den Konferenz-Schrägstrich-Pokertisch taten es ihm nach.
»Gentlemen«, begann er, und sah sich im Kreis der Männer und Frauen seiner Einheit um. Er stellte fest, dass ihre Mienen sichtbar erregt waren. Er verstand das Gefühl, die Spannung vor der Schlacht. Obwohl die Parder noch Tage entfernt waren, schien diese Besprechung sie der unvermeidbaren Begegnung ein gutes Stück näherzubringen. »Sie hatten alle Gelegenheit, die Gefechtspläne für diese Operation durchzusehen. Diese Besprechung dient dazu, offene Fragen innerhalb des Bataillons zu behandeln und eventuell notwendige letzte Veränderungen vorzunehmen.«
»Mich interessiert nur eines, Sir«, meldete sich Commander Greg Hector mit einer Spur von Humor in der Stimme. »Sind wir jetzt bald durch mit den Impfungen? Noch ein Stich mit der Nadel, und ich muss mir ein aufblasbares Sitzkissen mit ins Cockpit nehmen.« Ein allgemeines Kichern machte die Runde unter den Offizieren, die seine Beschwerde alle nachvollziehen konnten. Jeder Einzelne von ihnen hatte dieselben Schutzimpfungen über sich ergehen lassen müssen, die unter den Fusiliers inzwischen zum Thema konstanter Witzeleien geworden waren.
»Nadeln Sie mich nicht damit«, erwiderte Loren.
»Major«, ergriff ein Mann im hinteren Teil des Raums das Wort. Kapitän Jake Fuller hatte sich nur einen Monat, nachdem Loren den Befehl übernommen hatte, von MacLeods Regiment zu den Kilsyth Guards versetzen lassen. »Ich wüsste gerne, wie wir das mit dem Isthmus machen wollen. Das Gelände ist schwierig und eng, und unsere Truppen werden Gefahr laufen, hängen zu bleiben. Aber unsere Mechs rauf auf den Kontinent zu schicken, ist ein ziemlich riskantes Manöver. Trotzdem hängt die ganze Operation davon ab, dass es uns gelingt.«
»Nun, Jake«, antwortete Loren ihm. »Wir alle haben die Parder intensiv studiert. Wäre ich der Parder-Kommandeur, dann wäre der Isthmus genau der Punkt, an dem ich versuchen würde, uns zu stoppen. Die Landenge und das felsige Gelände sind ideal, um uns aufzureiben.«
»Dann stimmen Sie mir zu?«
Loren schüttelte den Kopf. »Unsere Bodentruppen und eine Abteilung BattleMechs zu ihrer Hilfe können die Parder da unten hinhalten. Wir lassen sie in dem Glauben, sie hätten uns in der Falle, während der Rest unserer Kräfte hinüber auf die andere Seite der Halbinsel marschiert und ihnen in die Flanke fällt. Wir werden sie zerquetschen wie einen Pickel auf dem Gesicht des Planeten.«
»Ich glaube, genau das ist der Teil, der Jake Sorgen macht«, sagte Commander Klavin Amari von der 2. Kompanie. »Das gibt Kampf und Bewegung im Vakuum da oben. Wenn sie uns auf dem Kontinent angreifen, können wir uns nicht lange halten. Unter den Bedingungen kann jeder Treffer die Aktivatoren ausfallen lassen, und ein Kanzeltreffer ist tödlich.« Sie betonte die Sicherheit eines tödlichen Treffers, und die übrigen Offiziere nickten.
Читать дальше