Isabell rang um Fassung. „Schließlich“, sagte sie mühsam, „was ist weiter dabei? Wir tragen dasselbe Kleid. Das ist ja immer noch kein Beinbruch.“
„Eben!“ meinte das Mädchen.
Rosemarie war nicht schüchtern. Sie wartete gar nicht erst darauf, daß Isabell sie mit den anderen Mädchen bekannt machte, sie stellte sich selber vor. „Rosemarie Berger“, sagte sie und fügte mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: „Kein Zwilling von Isabell, wenn’s auch fast so aussieht!“
Die anderen lachten, und Isabell — lachte mit. Aber in ihrem Inneren kochte es.
„Ja, das ist wirklich komisch“, sagte sie, scheinbar ganz vergnügt, „wir hätten es nicht besser verabreden können. Das ist ein Spaß! Ich bin mal gespannt, was Mutter und Elke für Gesichter machen …“
Frau Grunert und die große Schwester staunten gebührend, sie lachten, und Elke versprach, eine besonders schöne Aufnahme zu machen, auf der nur sie beide in ihren gleichen Kleidern zu sehen sein sollten.
Dann traten alle um den langen, hübsch gedeckten Tisch. Isabell hatte schon Wochen vorher mit Elkes Hilfe lustige Tischkarten gemalt, so daß jedes Mädchen wußte, wo es zu sitzen hatte. Rosemarie als Ehrengast bekam den Platz an Isabells Seite — seinerzeit hatte Isabell das ganz und gar nicht eingeleuchtet, aber jetzt war sie froh darüber.
Sie legte sich ihre Serviette auf den Schoß, wartete mit bravem Gesicht, bis die Mutter ihr ein Stück Torte vorlegte. Elke ging währenddessen mit der großen Kanne herum und goß Kakao ein.
In dem Augenblick, als Elke neben Isabell stand und Rosemarie eingießen wollte, rutschte Isabells Serviette vom Schoß. Sie bückte sich und — bumste mit ihrem Kopf gegen die Kanne, so daß sich ein dicker Strahl Kakao über Rosemaries Kleid ergoß.
Rosemarie schrie auf. Alle quietschten durcheinander vor Entsetzen. Elke stellte rasch die Kanne ab, zog Rosemarie hoch.
Isabell starrte scheinbar voll Entsetzen auf das, was sie angerichtet hatte. „War ich daran schuld?“ rief sie. „Bitte, entschuldige, Rosemarie! Ich habe es bestimmt nicht mit Absicht getan!“ Rosemarie schluchzte.
„Zieh rasch das Kleid aus, Rosemarie“, sagte Elke, „ich wasch’ es dir aus … bis du nach Hause gehst, ist alles wieder in Ordnung!“
„Das ist ein guter Gedanke“, sagte Frau Grunert, „du kannst derweil etwas von Isabell anziehen …“
„Natürlich!“ sagte Isabell sofort. „Sei nicht traurig, Rosemarie … du kannst dir von meinen Sachen aussuchen, was du willst!“
Elke nahm die schluchzende Rosemarie beim Arm und führte sie aus dem Zimmer.
„Soll ich mitkommen?“ erbot sich Isabell.
„Nicht nötig!“ sagte Elke mit einem seltsamen Blick.
„Die arme Rosemarie“, sagte Isabell voller Mitgefühl, „so ein Pech!“ Aber es gelang ihr nur mit Mühe und Not, ihren Triumph zu verbergen.
Zehn Minuten später kam Rosemarie zurück. Die Tränen waren versiegt, sie hatte ihr Gesicht gewaschen und sah in Isabells hellblauem Wollkleid sehr nett aus.
„Bist du mir noch böse?“ fragte Isabell herzlich, als Rosemarie sich neben sie setzte.
„Nicht im geringsten“, gab Rosemarie zurück, aber ihre Stimme klang nicht gerade herzlich.
„Dann ist es ja gut!“ sagte Isabell strahlend.
Von nun an verlief der Geburtstag ohne Zwischenfälle. Isabell war eine liebenswürdige Gastgeberin. Es fiel ihr leicht, großmütig zu sein, denn seit Rosemarie ihr schönes Kleid hatte ausziehen müssen, war sie selbst unbestritten die Königin des Festes.
Am späten Nachmittag, als die Freundinnen sich verabschiedet hatten, nahm Elke sie einen Augenblick beiseite. „Isabel!“, sagte sie ernst, „schämst du dich eigentlich nicht?“
Isabell machte große Augen. „Weswegen?“
„Weil du Rosemarie den Kakao über das Kleid geschüttet hast! Mit voller Absicht!“
„Nein!“ rief Isabell empört. „Wie kannst du nur so etwas behaupten?“
Die große Schwester sah sie kopfschüttelnd an. „Isabell, Isabell“, sagte sie, „mir kannst du nichts vormachen. Du bist ein schreckliches kleines Biest. Ich frage mich nur, ob jemals ein vernünftiger Mensch aus dir werden wird!“
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