gosanke , die »drei ehrenwerten Häuser«, d. h. die Kashima-, Hasunoike- und Ogi- daimyō ,
shinrui , die »Verwandten«, d. h. die übrigen Seitenlinien der Nabeshima-Familie,
shinrui dōkaku , die »den Verwandten Gleichrangigen«, d. h. die vier Ryūzōji-Seitenlinien der Taku-, Takeo-, Isahaya- und Suko-Häuser,
karō , die »Klan-Ältesten«, die höchste Posten in der Klan-Regierung und -Verwaltung innehatten,
chakuza , die »Sitzenden«, d. h. höhere Vasallen mit einem festen Sitz in der Regierung und Verwaltung, die auch die Aufgaben eines kar ō übernehmen konnten,
dokurei , die »einzeln Grüßenden«, d. h. die etwas höherstehenden Samurai mit dem Recht, dem Fürsten ohne Begleitung ihre Aufwartung machen zu dürfen,
samurai , die »Dienenden«, d. h. die normalen Lehnsmänner,
teakiyari , die »Speerträger«,
kachi , die »Läufer« und
ashigaru , die »Leichtfüßigen«.
Die unteren drei Ränge hatten unter Katsushige ihre Lehen verloren und entsprachen dem, was man in westlichen Armeen »leichte Infanterie« nennen würde. Dabei konnten die teakiyari auch die Führung über die unteren beiden Ränge und andere öffentliche Aufgaben übernehmen. Mitglieder der unteren drei Ränge waren gōshi , d. h. Provinzkrieger, die also auf dem Land und nicht in der Stadt lebten, Landwirtschaft betrieben, Militärdienst leisten mussten und gegenüber den heimin , den Mitgliedern des normalen Volks, gewisse Privilegien genossen. Sie bildeten also eine Zwischenschicht zwischen dem Kriegeradel und der übrigen Bevölkerung. Damit übten sie einerseits eine soziale Kontrolle über die Landbevölkerung aus – in Saga kam es deshalb vergleichsweise selten zu Bauernaufständen. Andererseits wirkte diese Aufteilung wieder der politischen Zentralisierung entgegen und zog z. B. durch Steuerbefreiungen Finanzverluste für die Domäne nach sich. Das Hagakure muss in nicht unerheblichem Maße also auch als Reaktion bzw. Kritik an diesen Maßnahmen zivil- und verwaltungsrechtlicher Politik und der Umstrukturierung der Feudalstrukturen Sagas bewertet werden. Besonders in der Einführung, aber auch in späteren Passagen werden diese »Neuregelungen«, die von althergebrachter Tradition abweichen, kritisch erwähnt, um so zu einer Rückkehr zu den »glorreichen« Ursprüngen des Kriegertums und des Klans aufzurufen.35
Gleichzeitig jedoch hält sich das Hagakure in anderen Bereichen mit offenerer Kritik extrem zurück. So tat sich Fürst Mitsushige neben seinen Regierungsmaßnahmen auch als Förderer der Künste hervor und leistete sich privat einen umfangreichen Harem mit drei offiziellen Ehefrauen und 13 Konkubinen, mit denen er 41 eigene Kinder hatte und acht Adoptivkinder annahm. Er führte also einen ausgesprochen luxuriösen und nach damaligen Ansichten schamlosen Lebenswandel, der ihm durchaus den Ruf eines »unmoralischen« Herrschers hätte einbringen können. Die nötigen Unterhaltsausgaben, die Vetternwirtschaft und die Postenschieberei, die sich aus den komplizierten Familienbeziehungen des Harems ergaben, bedeuteten eine verhängnisvolle Belastung für die Klan-Kassen. Schulden in Ōsaka und Kyōto häuften sich derartig an, dass Saga bald die anfallenden Zinsen nicht mehr bezahlen konnte und keine neuen Darlehen mehr erhielt. Das führte wiederum in Edo zu einem ausgesprochenen Verfall von Sagas Ruf und 1689 in der Domäne selbst zu einer Wirtschaftskrise mit weitreichenden Konsequenzen für die bushi der niederen Ränge und die einfache Bevölkerung. Erst als der Klan-Älteste Nakano Shōgen Masakane, ein Onkel Yamamotos, für diese Krise die Verantwortung übernahm und seppuku beging – bei dem ihm Jōchō übrigens als Sekundant ( kaishaku ) assistierte –, konnte die Krise fürs Erste beigelegt werden. Obschon der wirklich Verantwortliche, Fürst Mitsushige, letztlich ungeschoren davonkam, finden sich im Hagakure dazu keine weiteren Details, weil das eine direkte Kritik am Lehnsfürsten bedeutet hätte, für den Shōgen praktisch als Sündenbock herhielt.
Auch wegen seiner Vorliebe für die Poesie kann man Mitsushige kaum als idealen Fürsten, der seinen Aufgaben als Landesherrscher gerecht wurde, bezeichnen. Entgegen dem Verbot seines Großvaters Katsushige, sich mit Poesie zu beschäftigen, nahm Mitsushige diese Liebhaberei nach dessen Tod wieder auf und ließ in Kyōto eigens das Amt des gokashokata einrichten, der für die Anschaffung von Gedichtsammlungen zuständig war. Als Inhaber dieser Funktion sollte Yamamoto Jōchō den größten Erfolg seiner Karriere feiern dürfen. Hierin liegt aber auch der Grund, warum Jōchō die Poesieliebe seines Lehnsherrn schlecht direkt kritisieren konnte.
Um das Verhältnis zwischen Mitsushige und seinem Sohn und Nachfolger Tsunashige war es aufgrund dieser Eskapaden nicht zum Besten bestellt, sicherlich auch wegen der vielen Probleme, die Mitsushige in Form von Schulden, Finanzproblemen und Kindern hinterließ. Solche Probleme ignorierte Jōchō im Hagakure allerdings und beschrieb ausschließlich die aufrichtigen und redlichen Seiten seiner Domäne und seines Fürsten. Auf diese Weise war, so Matsuda Osamu, eigentlich schon garantiert, dass das Hagakure später, trotz seiner Kritik an offizieller Klan-Politik, inoffiziell als »Chronik« des Nabeshima-Hauses übernommen werden würde.36
Yamamoto Jōchō und Tashiro Tsuramoto, die Autoren des Hagakure
Yamamoto Jin’emon Tsunetomo (oder Gyokuzan Jōchō, wie er, nachdem er im Jahr 1700 Laienmönch wurde, sich nannte), wurde am 11. des 6. Monats 1659 in Katatae Yokokōji, nahe der Burg von Saga, geboren. Das bedeutet, dass Jōchō 27 Jahre jünger als Fürst Mitsushige und sieben Jahre jünger als dessen Nachfolger Tsunashige war. Er war das jüngste Kind von Yamamoto Jin’emon Shigezumi, der bei Jōchōs Geburt bereits 70 Jahre alt war, und Enkel von Nakano Jin’emon Kiyoaki. Beide hatten sich sowohl auf dem Schlachtfeld als auch in der Wirtschaftspolitik der Saga-Domäne verdient gemacht. Da Shigezumi als Kiyoakis dritter Sohn nicht erbberechtigt war, ging er als Adoptivsohn in die nahestehende Yamamoto-Familie, um dort den Familienvorstand zu übernehmen. Laut Matsuda Osamu hatte Jōchō diesen beiden Männern gegenüber einen Minderwertigkeitskomplex, weil er während seiner gesamten Laufbahn zwar immer in nächster Nähe zum Fürsten diente, aber deren Leistungen bei weitem nicht gleichkommen konnte.37
Aufgrund seines hohen Alters bei der Geburt seines jüngsten Kindes sowie wegen dessen kränklichen Gesundheitszustandes wollte Jōchōs Vater ihn eigentlich einem Salzverkäufer zur Adoption geben. Davon hielt ihn allerdings Taku Zusho Shigetomi aus einer der Seitenlinien des Hauses Ryūzōji ab, der nicht nur Shigezumis militärischer Vorgesetzter war, sondern auch Jōchōs Pate wurde und ihm den Kindernamen Matsukame gab.38
1667 erhielt Jōchō in seinem neunten Lebensjahr unter dem Namen Fukei als osoba kozō , d. h. als Laufbursche, seine erste Dienststelle an der Seite Fürst Mitsushiges, den er noch im selben Jahr bei dessen Respektsbesuch nach Edo begleitete. Dort diente er auch Mitsushiges sieben Jahre älterem Stammhalter Saemon, dem späteren Fürsten Tsunashige, als Spielgefährte.
Nach dem Tod seines Vaters am 13. Tag des 10. Monats 1669 wurde Jōchō von seinem 20 Jahre älteren Neffen Yamamoto Gorōzaemon Tsuneharu im Militärhandwerk ausgebildet und trainiert. Mit 12 Jahren erhielt Jōchō von Mitsushige den Befehl, als Vorstufe zur Volljährigkeit seine Stirnhaare wachsen zu lassen. Daraufhin trat er 1672 unter dem Namen Ichijūrō als kogoshō , als Juniorpage, wieder in Dienst. Nach seiner genpuku -Zeremonie zur Volljährigkeit 1678 wurde er unter dem Namen Gon’nojō Assistent bzw. Juniorsekretär des oshomotsu -Beamten, des Dokumentenverwalters und Sekretärs des Fürsten. In dieser Funktion beschäftigte er sich mit dem Kopieren wichtiger Dokumente und dem Schreiben von Poesie. Im gleichen Jahr wurde auch Tashiro Tsuramoto geboren, der später die Erzählungen Jōchōs notieren und im Hagakure zusammenfassen sollte.
Читать дальше