Christian Klinger - Tote Vögel singen nicht

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Ein rasant geschriebener Thriller, Spannung bis zur letzten Seite!
Cosinus Gauß ist als Anwalt trotz seiner Tricksereien nicht zu Reichtum gekommen. Er ist ein Mann in den besten Jahren, aber beziehungsunfähig, weil er aufgrund der tyrannischen Erziehung seines Vaters keine Empathie empfindet. An POTS (Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom) leidend, ereilen ihn plötzliche Ohnmachten in den unpassendsten Momenten.
Als er eines Morgens in einem Hotel neben der blutüberströmten Leiche einer jungen Frau erwacht, versucht er krampfhaft die Geschehnisse des Vorabends in einem Club zu rekonstruieren. Er verschwindet unerkannt, aber eine unscharfe Aufnahme einer Überwachungskamera des Hotels taucht in den Medien auf. Die Polizei sucht jedoch vorerst nach einem abgetauchten Immobilientycoon, der Gauß ähnelt.

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Und nicht anders kam ich zu der heutigen Einladung. Ich hörte in der Sauna jemanden über den Event sprechen und wie er zu seinem Gesprächspartner sagte: „Ich deponiere eine Karte am Empfang für Sie.“ Ich spitzte die Ohren. Ein exklusives Fitness-Center, exklusive Mitglieder, ein exklusiver Event, das schien klar. Ich machte also schnell und wartete, nachdem ich wieder in ziviler Kleidung steckte, vor dem Empfang, bis der Typ diese Einladung hinterlassen hatte. Ich fragte das Mädchen am Empfang nach den Allergenen eines Shakes, der hinter ihr im Regal stand, und sobald sie sich umgedreht hatte, um mir den Warnhinweis von der Packung herunterzubeten, hatte ich die Eintrittskarte schon in meiner Sporttasche verschwinden lassen.

Und jetzt war ich da.

Ein Meer aus Beats und Stimmen wogte durch den Saal. Kellner zwängten sich mit Tabletts durch die Reihen der Gäste. Sie nutzten jede sich auftuende Lücke wie diejenigen, die noch in einen abfahrenden U-Bahnzug springen. Geschickt balancierten sie langstielige Gläser und dicke Bierflaschen darauf. Die Tabletts wanderten über unsere Köpfe wie die fliegenden Teller beim chinesischen Wanderzirkus. Ich griff mir eine Flasche Bier. Langsam schlenderte ich an der Bar vorbei, wo einzelne Barkeeper den Gästen auch ausgefallene Wünsche zusammenmixten, und überlegte, ob ich später auf einen Longdrink oder Cocktail umsteigen sollte. Aber der Abend hatte eben erst begonnen und es galt, sein Potenzial abzuwarten.

Das Licht war gedämpft und lediglich bunte Lichtblitze holten einzelne Gesichtszüge der Gäste aus dem Dunkel. Ich erkannte einen Sportler, der jetzt um einiges weniger sicher auf seinen Beinen stand als sonst auf seinen Skiern. Ich sah einige Starletts, die sich gern abwechselnd an erfolgreiche Typen hängten, und irgendwo ganz hinten war auch der umtriebige Baumeister zu erkennen. Der Mann wähnte sich im zwanzigsten Frühling und war sich nicht bewusst, dass aus einem vertrockneten Ast keine grünen Triebe mehr ausschlagen. Und da waren auch nicht wenige Politiker, wie ich jetzt erkennen konnte. An den Bänken vor den großen Glasscheiben in Richtung Ringstraße, die durch schwere Vorhänge abgedunkelt waren, entdeckte ich den Herausgeber einer Illustrierten, der gerade eine weiße Linie am Tisch zog und den Spiegel zu einem Stadtrat hindrehte.

Die Musik wurde lauter, und trotz des vom DJ zugeschalteten Filters, ließen die Bässe den Boden zittern. Ich wurde angerempelt, ein Bezirksrat der Grünen drängte sich in einer Cannabiswolke an mir vorbei Richtung Tanzfläche. Ein Security fing den Mann ab und deutete zu einem Nebenraum, wo offenbar kein Rauchverbot herrschte. Ich stellte meine Bierflasche ab und wollte kurz in den Garten, um Luft zu schnappen, als ich zwei Stadtpolitiker der roten Stadtregierung sah, die nach silbernen Aufklebern griffen und dafür Geld zu einem Dritten am Tisch hinschoben. Ich erkannte eine exklusive Uhr am Handgelenk dessen, der das Geld nahm. Eine Jaeger-LeCoultre Reverso Tourbillon. Und eine zweite, zarte Hand, unverkennbar die einer Frau, zweigte für sich einige Scheine vom Geldbündel ab.

Dann war da noch der TV-Moderator, der sich eben von seiner langjährigen Partnerin getrennt hatte und dafür umso ungehemmter in einer der Eckbänke einen geblasen bekam. Bei den Lichtverhältnissen konnte ich nur sein entspanntes Gesicht sehen. Er hatte die Augen geschlossen und die Falten um seinen Mund zuckten im Takt der Kopfbewegungen seiner Partnerin. Von der war nur wenig zu erkennen. Sie kniete auf der Bank neben ihm und hatte ihren Hintern in die Luft gereckt. Ihr Kopf war nur von hinten zu sehen. Er bewegte sich jetzt schneller auf und ab, das Fernsehgesicht setzte ein seliges Grinsen auf. Frisur und Rock der Gespielin kamen mir bekannt vor. Ich hätte keine hohe Summe gesetzt, aber beides hatte ich im TV gesehen. Besagter Moderator hatte am Vorabend eine Politdiskussion geleitet und die einzige Frau in dieser Runde war die Kandidatin der Konservativen gewesen. Offenbar war man sich nicht nur politisch nähergekommen. Sie verrichtete den Liebesdienst mindestens genauso uninspiriert wie es ihre Politik war, aber er schien es zu genießen, wie auch ein Großteil der Bevölkerung die von ihr vertretenen Standpunkte schätzte. Ich schlenderte weiter und traf nur auf breite Gesichter. Ausdruck des Glücks, weil sie voll von Drogen oder Alkohol waren oder weil sie bestochen worden waren.

Man fühlte sich unter sich, man fühlte sich wohl, man fühlte sich sicher. Das typische „Meet and Greet“ von Politik, Medien und Wirtschaft. Man plauderte, man puderte sich die Nase oder man puderte, was man vor die Lenden bekam.

Die Musik hatte den Beat gewechselt und die Bässe kamen nun sanfter. Ich musste auf die Toilette, wo ich neben einer dunkelhäutigen Schönheit mit großen Titten und großem Schwanz urinierte. Während ich ausschüttelte und die Transe mein Gemächt mit laszivem Blick verschlang, fragte ich mich, ob ich an diesem Abend auf einen Bekannten treffen würde. Denn wo der Glanz von Geld oder Macht war, da tauchten meine Aasgeier auf. Ich wehrte den Annäherungsversuch meines Pinkelpartners mit freundlichem Lächeln und ebensolchen Worten ab: „Hau ab, du Tunte!“, sagte ich und schob ihn zur Seite.

Später lehnte ich an der Bar im Garten, wo ein weiterer Disc Jockey alten 70er-Soul und Funk auflegte: WAR, Mothers Finest, James Brown und so. Mein Blick scannte die anderen Gäste, die am Tresen lehnten. Fast nur Männer. Die wenigsten trugen Anzug. Hier dominierte der College-Look, weil sich die Mittfünfziger heute alle der Realität verweigern und meinen, mit einem bunten Polo mit großem Logo und großer Brieftasche, die man für das Logo braucht, die Jugend zu kaufen. Ich war auf der Suche nach einem Opfer. Ich suchte jemanden, dem die Gier aus den Augen leuchtete und den ich leicht für eines meiner Finanzierungsmodelle gewinnen konnte. Ich bestellte einen Gin Tonic und legte meine Angelrute aus, indem ich meinen Blick auf einen Typen mit Krokodil an der Brust und Fett auf den Rippen heftete. Mein Opfer hatte den Blick einer Kuh, die nach der Besamung auf die Sommerweide gelassen wurde. Ich nahm mein Glas und steuerte auf mein Ziel zu.

Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter und jemand zog mich zurück.

3.

Rote Lippen und ein schneeweißes Gesicht, das sich gegen das Halbdunkel absetzte wie das blank geputzte Nummernschild auf einem Maserati aus Carbonfaser. Zwei weiße Zahnreihen bleckten mich an, als sie sagte: „Wohl doch keine Verwechslung. Genau dich habe ich gesucht.“

Und da war es wieder: das siegessichere Grinsen, das mich im Schritt packte und mir die Hoden quetschte. Aber es massierte auch mein Ego. Mit zarten, flinken Händen, wie die Asiatinnen in diesen Studios. Mir war so heiß, als wäre mein Anzug mit Lava gefüttert. Das Glas in meinen Händen glühte. Ein Wunder, dass der Gin noch nicht verdampft war und das Tonic nicht zu kochen begonnen hatte. Ich nahm einen großen Schluck und es war, als hätte mich Thors Hammer getroffen. Mit einem Mal war ich cool. Jetzt streichelte der Alkohol meine Gehirnzellen. Er verbündete sich mit dem Adrenalin in meinem Körper. Ich trat auf den anderen Fuß und meine Stimme war die von Samuel L. Jackson, als ich zu ihr sagte: „Und jetzt hast du mich gefunden. Drink?“

Wir fanden einen Tisch in einer ruhigeren Ecke des Gartens. Büsche umgaben uns und unsere Vertrautheit wuchs im Dunkel des angrenzenden Parks. Die Musik war dort leiser, die Kellner dafür umso aufmerksamer. Ich hatte den dritten Drink vor mir stehen und auch Schneewittchen lag mit dem zweiten Cosmopolitan nicht weit zurück, was den Alkoholspiegel betraf. Meine Suche nach möglichen Opfern hatte sich hin zu einem visuellen Rundgang zu den Rundungen unter ihrer Bluse von Dior verlagert. Wir redeten belangloses Zeug, jeder fragte den anderen, was er machte, und jeder log den anderen an. Sie erzählte etwas von einer Kunstgalerie und ich flunkerte davon, wie ich Rudolf Leopold beim Aufbau seiner Sammlung geholfen hatte.

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